Was die Microsoft-Nokia-Allianz bedeuten kann
Wirklich überraschend war das, was Nokia am Freitagvormittag präsentierte, nicht. Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass die Finnen eine „Ehe“ mit Google eingehen würden, ebenso schien es wenig wahrscheinlich, dass man weiterhin nur auf Symbian und MeeGo setzen würde. Dennoch stellen sich nun mehr Fragen als zuvor.
Was wird aus den bisher drei wichtigen Systemen Series 40, Symbian^3 und MeeGo?
Nokia hat angekündigt, dass man sowohl an Symbian als auch an MeeGo festhalten wolle. Symbian soll zu einem „Franchise“-OS entwickelt werden, wie schon der Vorgänger soll die aktuelle Version also von mehreren Herstellern verwendet werden können. Ob diese allerdings ein wirkliches Interesse daran haben, ist fraglich. Denn schon das heutige Symbian^1 wurde zuletzt nur noch von Nokia benutzt, nachdem sowohl Samsung als auch Sony Ericsson auf eine weitere Verwendung verzichtet hatten.
Wann werden die ersten Nokia-Smartphones mit Windows Phone 7 erscheinen?
Auf diese Frage gibt es bislang keine Antwort. Zwar hatte Steve Ballmer im Rahmen der Bekanntgabe der Allianz betont, dass beide Unternehmen in Bezug auf Windows Phone 7 schon länger auf Entwicklerebene zusammenarbeiten würden, es ist aber davon auszugehen, dass es erst Ende 2011 die ersten entsprechenden Geräte geben wird.
Werden sich die Windows-Phone-7-Geräte von Nokia deutlich von denen anderer Hersteller unterscheiden?
Davon ist auszugehen. Nokias Vorstandsvorsitzender hat bestätigt, dass sein Unternehmen umfangreiche Veränderungen am System vornehmen darf. Anders als zum Beispiel HTC oder Samsung kann der Weltmarktführer also eigene Software im Sinne von HTCs Sense auf Android-Handys integrieren oder noch weitreichender in das Betriebssystem eingreifen. Damit dürften sich die anderen Hersteller, die Windows Phone 7 verwenden, vor den Kopf gestoßen fühlen, für Sony Ericsson waren Microsofts Auflagen der Grund für einen Verzicht.
Einen weiteren Unterschied könnte es zudem bei der verwendeten Hardware geben. Auch hier gibt es aus Redmond strenge Vorschriften, was die zu verbauenden Komponenten betrifft. Gerüchten zufolge soll Nokia aber eigene Technik benutzen dürfen, wahrscheinlich ein Zugeständnis an die gebotene Eile.
Gab oder gibt es Alternativen zur Zusammenarbeit mit Microsoft?
Auf dem Papier gab es aus Sicht eines Außenstehenden auch andere Optionen. Einerseits hätte man mit Google kooperieren können, andererseits hätte man es auch noch eine gewisse Zeit mit den eigenen Plattformen versuchen können. Die Verwendung von Google hätte laut Stephen Elop aber starken Einfluss auf die Einnahmen gehabt, nicht zuletzt durch den hohen Konkurrenzkampf der Unternehmen, die Android für ihre Smartphones verwenden.
Ebenfalls kostenintensiv wäre wahrscheinlich die Fixierung auf Symbian gewesen. Zwar verlief der Start von Symbian^3 in Form der Modelle C6-01, C7-00 und N8-00 relativ erfolgreich, es wären jedoch noch zahlreiche Investitionen in das Ökosystem notwendig gewesen, um zumindest halbwegs auf Augenhöhe mit Android und iOS zu kommen.
Wie profitiert Microsoft von der Allianz?
Auf den ersten Blick nur durch höhere Absatzzahlen, was die Windows-Phone-7-Lizenzen angeht. Auf den zweiten und dritten Blick entstehen dem Software-Konzern aber noch ganz andere Vorteile. In den Augen vieler – insbesondere in Europa – genießt Nokia noch immer einen guten Ruf. Dadurch könnte Windows Phone 7 in puncto Verkaufszahlen der große Durchbruch gelingen, bislang konnten nur 1,5 bis 2 Millionen Smartphones mit dem Betriebssystem ausgeliefert werden.
Ein weiterer Pluspunkt für Microsoft: Nokia verfügt über ein qualitativ sehr hochwertiges Kartenmaterial, welches in Form von Ovi Maps zukünftig die Grundlage für die Kartendienste des Software-Unternehmens bilden soll. Und durch den zum Nokia-Konzern gehörenden Spezialisten Navteq dürfte man somit auch Zugriff auf aktuelle Karten und neue Technologien haben.
In Summe ist die enge Zusammenarbeit ein großes Experiment. Auf der einen Seite der kriselnde weltgrößte Handy-Hersteller, auf der anderen der Software-Gigant, der bislang noch keinen großen Erfolg im Mobilfunkgeschäft vorweisen kann. Spötter sprachen davon, dass aus zwei Truthähnen kein Adler wird. Anders als Apple und Google wollen Microsoft und Nokia die Mobilfunk-Provider einbinden, Bereitschaft haben die Branchengrößen wohl schon signalisiert. Damit hätten sie den Vorteil einer großen Unterstützung dort, wo die Geräte sich beweisen müssen: Vor Ort im Laden.