Bund weist EU-Klage wegen Vorratsdatenspeicherung zurück
Die Bundesregierung wehrt sich gegen die angedrohten Sanktionen der EU-Kommission wegen der mangelnden Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung. Mit der Klage vor dem Europäischen Gerichtshof über die Verhängung eines Strafgeldes habe die EU-Kommission ihre Kompetenzen in „mehrfacher Hinsicht“ überschritten.
Das geht aus dem Antwortschreiben des bei der Klage federführend verantwortlichen Bundeswirtschaftsministeriums hervor, die heise online vorliegt. Demzufolge argumentiert die Bundesregierung, dass Sanktionen erst beantragt werden können, wenn die Richter ein Urteil gefällt haben. Zudem weist die Regierung Versäumnisse bei der mangelhaften Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zurück. Diese wurde bereits umgesetzt, im März 2010 aber vom Bundesverfassungsgericht wieder gekippt.
Auf eine Neureglung konnte sich die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP nach hitzigen Wortgefechten nicht einigen, allerdings sei die Bundesregierung der Meldungspflicht über Umsetzungsmaßnahmen nachgekommen. Diese ist Hauptbestandteil im Artikel 260 des EU-Vertrags, auf den die Kommission sich in der Klage beruft. Zudem habe die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zu „ungewöhnlich vielen Urteilen nationaler Verfassungsgerichte geführt“ und das Bundesverfassungsgericht habe „sehr hohe Hürden“ für die Neuregelung gesetzt. Deswegen sei es nach Ansicht der Bundesregierung nicht angemessen, „sogleich auf das schärfste Instrument zur Durchsetzung des Unionsrechts“ zu setzen, da eine Neuregelung unter diesen Bedingungen entsprechend Zeit benötige.
Des Weiteren habe man bereits eine Reihe der in der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung erhaltenen Forderungen über neu geschaffene Vorschriften abgedeckt. Dazu zähle etwa, dass Telekommunikationsanbieter die Namen und Anschriften von Teilnehmern oder registrierten Benutzern speichern müssten – auch bei E-Mails oder Internet-Telefonie. Zudem gewährleiste man, diese Bestandsdaten in bestimmten Fällen auch an Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten. Kontrolliert werden die Vorschriften und die Sicherheit der Informationen von der Bundesnetzagentur.
Ebenso widerspricht die Regierung dem Argument der Kommission, die fehlende Vorratsdatenspeicherung gefährde die innere Sicherheit in Deutschland und Europa. Dabei verweist die Bundesregierung auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, nach dessen Urteil die Richtlinie auf eine Harmonisierung der Marktbedingungen für Telekommunikationsanbieter abziele und nicht auf die Strafverfolgung ausgerichtet sei. Allerdings zeigte bereits der Evaluierungsbericht von der EU-Kommission, dass die Richtlinie zu keinen gleichen Marktbedingungen führe, womit die Bundesregierung der Argumentation widerspricht, deutsche Telekommunikationsanbieter werden durch die fehlende Umsetzung bevorteilt.
Ohnehin habe die EU-Kommission bereits einige Mitgliedsstaaten wegen der Nichtumsetzung verklagt, jedoch nur bei Schweden ein Strafgeld verhängt – nach vierjährigen Verfahren und vorherigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Deswegen fordert die Bundesregierung, selbst bei einer Verurteilung erst sechs Monate nach der Urteilsverkündung das Strafgeld anzusetzen. Darüber hinaus sollte die EU-Kommission erst die Entscheidung des Gerichtshof über die Klage der Bürgerrechtsorganisation „Digital Rights Ireland“ abwarten. In diesem Verfahren soll geklärt werden, ob die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung überhaupt mit der Europäischen Grundrechtecharta vereinbar ist.