Intel entzieht Ubuntu die Unterstützung für Mir

Ferdinand Thommes
71 Kommentare

Die Vorversion des X.org-Intel-Treiber 3.0 für die Linux-Plattform, die am 4. September veröffentlicht wurde, enthielt Unterstützung für XMir – eine Kompatibilitätsschicht für den von Ubuntu entwickelten Display-Manager Mir. Nun wurde, offenbar auf Anordnung des Managements, diese Unterstützung wieder aus dem Treiber entfernt.

XMir wird von Canonical für die im Oktober anstehende Veröffentlichung von Ubuntu 13.10 benötigt, um Anwendungen zu unterstützen, die noch nicht mit Mir zusammenarbeiten, sondern das alte Grafiksystem X11 benötigen. Ubuntu 13.10 ist für Canonical ein Übergangs-Release, das im Frühjahr erscheinende Ubuntu 14.04 soll dann völlig auf Mir als Display-Server setzen.

Nun hat der Intel-Entwickler Colin Wiloson heute in einem Commit diese Unterstützung für XMir wieder aus dem Intel-Treiber heraus genommen. Gab es zunächst nur eine knappe Aussage „angeordnet von: Management“, so hatte kurz darauf die den Commit eines neuen Vorab-Treibers begleitende E-Mail immerhin einen ganzen Satz für die Entfernung der XMir-Unterstützung übrig: „Wir billigen und unterstützen den von Canonical eingeschlagenen Weg nicht und werden keine Xmir-Patches in die Quellen des Intels-Treibers integrieren – Das Management.“

Diese Aussage lässt die Entfernung der XMir-Unterstützung klar als politische Entscheidung erkennen. Ubuntu hatte sich mit einem weiteren Alleingang in Sachen Display-Manager an vielen Stellen unbeliebt gemacht – insbesondere da die Begründung für den Alleingang nicht auf nachvollziehbaren Tatsachen beruhte, sondern den vom Rest der Linux-Welt als Nachfolger von X11 akzeptierten Display-Manager Wayland fälschlicherweise in ein schlechtes Licht stellte.

Nun muss Canonical die Xmir-Patches selbst pflegen und in den Intel-Treiber integrieren, womit wieder ein nicht mit der Mutter-Distribution Debian kompatibles Paket hinzukommt. Währenddessen sind die Ubuntu-Derivate Kubuntu, Ubuntu Gnome, Xubuntu, Ubuntu Studio und Ubuntu Kylin in einer ersten Beta-Version der bevorstehenden Veröffentlichung 13.10 erschienen. Zumindest Kubuntu und Xubuntu haben sich für 13.10 bereits definitiv gegen Mir und für X11 entschieden, einhergehend mit der Option, Mir für die nächste Version zu übernehmen.

Da aber KDE sich ebenso wie auch Gnome bereits klar für Wayland ausgesprochen haben, dürften die meisten Derivate diesen Weg mitgehen und Mir nicht einsetzen. Ubuntu benötigt Mir zur Unterstützung für die ebenfalls von Ubuntu stammende Desktop-Umgebung Unity, die über mehrere Plattformen bis hin zum Smartphone eingesetzt werden soll.

  71 Kommentare
Themen:
  • Ferdinand Thommes E-Mail
    … ist freier Autor, Stadtführer und Linux-Entwickler und lebt derzeit in Berlin und Charleston, SC.
Quelle: Phoronix

Ergänzungen aus der Community

  • mensch183 08.09.2013 14:11
    Weiß eigentlich jemand welche Vorteile sich Canonical von MIR, gegenüber Wayland, hat? "longwalk, post: 14484662
    Es gehts ums Copyright und wie man mit dem Copyright als Hebel unliebsame Konkurrenten ausbooten kann.

    Mir steht unter GPLv3. Allerdings _muß_ jeder, der Code zu Mir beitragen möchte, vorm Commit einen Vertrag mit Canonical unterschreiben, der es Canonical erlaubt, diesen Code unter beliebigen anderen Lizenzen zu verwenden. CLA - Contributor License Agreement nennt sich der Knebelvertrag. Das bedeutet: Mir steht der Welt unter GPLv3 zur Verfügung mit all den damit verbunden Rechten und Pflichten. Einzig und allein Canonical kann Mir zusätzlich unter anderen Lizenzen vertreiben.

    Kling harmlos? Stimmt. Ist aber nicht harmlos! Warum?

    Gehen wir mal in die Welt der Smartphones(ab jetzt "SP") und Tablets. Eins der großen Ziele von Canonical ist es, sein Betriebssystem (ab jetzt "OS") im SP-Markt zu etablieren - eine Alternative zu Android mit u.a. dem Display-Server Mir als eine Komponente. Im SP-Markt kann/darf der Endnutzer auf den allermeisten Geräten das OS oder Komponenten des OS nicht wechseln. Die Phones und Tablets sind locked. Damit kommt GPLv3-Software nicht in Frage, denn in GPLv3 verpflichtet sich der Verkäufer, dem Käufer den Austausch der Software zu ermöglichen. Na, klingelts so langsam?

    Canonical kann sein angeblich so offenes, freies SP-OS beliebig an die Hersteller von gelockten SPs und Tablets verkaufen, indem Canonical Mir einfach unter eine andere Lizenz stellt und weitergibt. NIEMAND SONST auf der Welt hat diese Möglichkeit. Alle anderen können Mir nur unter GPLv3 weitergeben, was aber im heutigen SP-Markt aus o.g. Gründen nicht funktioniert.

    Effekt: Alle anderen sind draussen. Keine andere Firma, nichtmal die an Mir direkt beteiligten, einzelnen Entwickler, können Mir (oder das ganze SM-OS) nehmen, verändern und selbst anbieten oder auch nur ordentlich supporten. Canonical macht sich also durch die Kombination aus GPLv3, CLA und Neulizensierung von Mir zum alleinigen Player in diesem Markt und hofft über dieses Monopol ungestört Geld verdienen zu können. Der Opensource-Gedanke wird über den Hebel des Copyrights pervertiert.

    Das ist das Hauptargument für Mir (aus Canonicals Sicht) bzw. gegen Mir (aus Sicht aller anderen). Der Mangel an technischen Gründen für Mir ggü. Wayland hat sich ja bereits rumgesprochen.