Große Koalition und die Vorratsdatenspeicherung
In vier Jahren Regierungszeit haben es CDU/CSU und FDP nicht geschafft, bei der Vorratsdatenspeicherung auf einen Nenner zu kommen. Einfacher ist es mit der SPD, heute sollen sich die künftigen Koalitionspartner bereits grundsätzlich geeinigt haben. Doch kaum war die Meldung in der Welt, folgte das Dementi.
Angefangen hat der Hickhack mit einem Bericht in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). In Koalitionsverhandlungen hätten CDU/CSU und SPD sich darauf verständigt, im Falle einer großen Koalition die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen, habe man aus Verhandlungskreisen erfahren. Dazu zählt etwa die Frage, wie lange die Verbindungsdaten gespeichert werden. Bei der alten Regelung waren sechs Monate vorgeschrieben, nun ist offenbar eine Dauer von drei oder vier Monaten im Gespräch. Bei den genannten Verhandlungskreisen handelt es sich mutmaßlich um die Abteilung Innen und Recht, denn die an den Koalitionsverhandlungen beteiligten Netzpolitiker der SPD wurden von dem FAZ-Bericht überrascht.
Ohnehin folgte schon am frühen Abend das Dementi. Nun will die dpa aus Verhandlungskreisen erfahren haben, dass keine Einigung erzielt wurde. Es bestehen „völlig konträre Positionen“, die Parteien wären „tief zerstritten“.
Das erstaunt, eigentlich vertreten beide Parteien im Hinblick auf die Vorratsdatenspeicherung eine ähnliche Position und hatten sich im Wahlkampf für deren Umsetzung ausgesprochen. Unterschiede finden sich lediglich bei der Ausgestaltung. Während CDU/CSU eine rigorose Umsetzung fordern, hatte die SPD eine Zustimmung mit schärferen Auflagen verknüpft. So soll etwa die Speicherdauer abhängig von der Datenart sein, zudem sollen Sicherheitsbehörden nur bei der Verfolgung schwerster Straftaten auf die Datensammlungen zugreifen dürfen.
Dennoch zeigte sich der – derzeit geschäftsführende – Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gestern noch zuversichtlich, mit der SPD einen Kompromiss zu finden. „Wir haben mit der SPD in vielen Fragen der Sicherheitspolitik ein ähnliches Verständnis“, so Friedrich in einem Interview mit der Rheinischen Post. Warum die Parteien nun „tief zerstritten“ sein sollen, ist eigentlich nicht ersichtlich. Das rasche Dementi gleicht eher der Inszenierung eines Schaukampfs, denn bei der schnellen Einigung überraschte vor allem der Zeitpunkt.
Nachdem in den letzten Tagen der NSA-Skandal für erhitzte Gemüter sorgte, sprachen sich diverse Politiker dafür aus, dem Datenschutz einen höheren Stellenwert einzuräumen. Generell verschärfte sich die Kritik an staatlicher Datensammlung. Am Wochenende hatte sogar CSU-Chef Horst Seehofer die Vorratsdatenspeicherung in Frage gestellt. Im Focus sagte er: „Bei allem Verständnis für die Innenpolitiker und die Notwendigkeit der Terrorbekämpfung ist spätestens jetzt klar, dass der Datenschutz gleichrangig ist.“
Letztlich bleibt Seehofer aber vage und es ist nicht abzusehen, wie viel die Aussage am Ende Wert ist. Hardliner wie der – derzeit geschäftsführende – Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) fordern nach wie vor eine rasche Einführung. „Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, die die EU-Vorgaben bei der Vorratsdatenspeicherung bisher nicht umgesetzt haben“, so Friedrich gegenüber der Rheinischen Post. Allerdings sieht die EU-Richtlinie auch eine Mindestspeicherfrist von sechs Monaten vor. Sollte sich die große Koalition auf einen Kompromiss mit einer Speicherfrist von drei bis vier Monaten einigen, wäre das trotzdem ein Verstoß gegen die EU-Richtlinie.
Wie ein Kompromiss am Ende aussehen wird, ist schwer abzusehen. Eine Hängepartie wie in den letzten vier Jahren wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht geben, für langfristige Konflikte sind Vorstellungen von CDU/CSU und SPD bei diesem Thema zu ähnlich. Dementsprechend verärgert zeigt sich nun die FDP, vor allem nach der allgemeinen Empörung infolge der Enthüllungen über die Handy-Spionage gegen Kanzlerin Merkel. „Es kann nicht sein, dass Union und SPD jetzt einfach wieder zur Tagesordnung übergehen und die Vorratsdatenspeicherung beschließen“, sagte Noch-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.