NSA hat angeblich Handy von Kanzlerin Merkel überwacht
Im NSA-Skandal hat sich die Bundesregierung in den letzten Wochen zurück gehalten, nun erfolgt aber eine – zumindest kurzfristige – Kursänderung. Dass die NSA offenbar das Handy von Bundeskanzlerin Merkel im Visier hat, führte zu einem direkten Protest bei US-Präsident Obama.
Durch eine Anfrage vom Spiegel im Rahmen einer Recherche wurde die Bundesregierung darauf aufmerksam, dass amerikanische Geheimdienste möglicherweise das Mobiltelefon der Bundeskanzlerin überwachen. Von der US-Administration fordert die Bundesregierung nun „sofortige und umfassende Aufklärung“, zu diesem Zweck haben in Berlin bereits Gespräche mit Vertretern des Weißen Hauses und des US-Außenministeriums stattgefunden.
Laut Regierungssprecher Steffen Seibert hat die Kanzlerin gestern in einem Telefonat mit US-Präsident Obama deutlich gemacht, dass „sie solche Praktiken, wenn sich die Hinweise bewahrheiten sollten, unmissverständlich missbilligt und als völlig inakzeptabel ansieht“. Diese müssten dann sofort unterbunden werden. Insbesondere bei engen Partnern wie Deutschland und den USA dürfe die „Kommunikation eines Regierungschefs“ nicht überwacht werden, das „wäre ein gravierender Vertrauensbruch“.
Eine Sprecherin des US-Sicherheitsrats erklärte auf Anfrage des Spiegel: „Der Präsident hat der Kanzlerin versichert, dass die Vereinigten Staaten ihre Kommunikation nicht überwachen und auch nicht überwachen werden.“ Ob das auch für die Vergangenheit gelte, sagte sie allerdings nicht. Überraschend wäre es nicht. Dass die NSA mit großem Aufwand die Netzwerke von Frankreichs diplomatischen Einrichtungen infiltriert, um sich Vorteile in Verhandlungen zu verschaffen, berichtete die französische Zeitung LeMonde in dieser Woche.
Darüber hinaus thematisierte Merkel in dem Telefonat mit Obama die von den US-Behörden bis dato nicht beantworteten Fragen über das Ausmaß der NSA-Überwachung in Deutschland. Den Fragenkatalog hatte die Bundesregierung bereits vor Monaten übermittelt. Ein interessanter Aspekt, immerhin versucht die Bundesregierung seit einigen Wochen den Eindruck zu erwecken, dass die Debatte über die NSA-Überwachung beendet wäre. Die Regierung habe alle Vorwürfe aufgeklärt, lautete seit Mitte August das Credo von Kanzleramtsminister Roland Pofalla und Innenminister Hans-Peter Friedrich.
Daher bleibt abzuwarten, ob die Bundesregierung in der NSA-Aufklärung den Kurs ändert – selbst wenn die NSA das Handy von Kanzlerin Merkel wirklich überwacht hat. Trotz der jüngsten Enthüllungen soll Innenminister Friedrich in den letzten Tagen Druck auf die deutschen EU-Abgeordneten ausgeübt haben, damit diese im EU-Parlament gegen die Aussetzung des Swift-Abkommens stimmen, berichtete Spiegel-Online.
Ohnehin scheinen Abkommen und Verträge das bevorzugte Mittel der Bundesregierung zu sein, um die NSA-Überwachung in den Griff zu bekommen. Regierungssprecher Seibert erklärte nun, für die Zukunft erwarte die Bundesregierung „eine klare vertragliche Grundlage über die Tätigkeit der Dienste und ihre Zusammenarbeit“. Damit ist offenbar das geplante „No-Spy-Abkommen“ gemeint, das von Kritiker als Luftschloss beschrieben wird. Geheimdienste wie die NSA würden sich nicht durch schriftliche Abkommen einschränken lassen.