Edward Snowden zieht aus Moskau Bilanz

Ferdinand Thommes
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Edward Snowden erklärt in einem Interview mit der Washington Post, er habe das Gefühl, seine Mission sei erfüllt. Seit vor einem halben Jahr die ersten seiner Dokumente über die Abhörpraktiken der NSA veröffentlicht wurde, war dies sein zweites großes Interview, nachdem er zu Beginn dem Guardian seine Motivation offenlegte.

Das Interview mit Snowden, dass insgesamt 14 Stunden dauerte, fand konspirativ statt, da Snowden noch immer im Fokus der Geheimdienste steht, deren schmutzige Geheimnisse er ans Licht der Öffentlichkeit zerrte. Er habe bereits gewonnen, sagt Snowden. Er habe ja nicht die NSA zerstören wollen, sondern lediglich der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben wollen, sich eine informierte Meinung bilden zu können. Darüber hinaus sei er ein guter Amerikaner und Geheimdienstler. Er fühle sich weder als Verräter noch als Überläufer.

Sein langes Schweigen – dies ist sein erstes ausführliches Interview in Moskau – sei der Tatsache geschuldet, dass die Dokumente im Vordergrund stehen sollten und nicht seine Person. „Es geht mir nicht darum, die Gesellschaft zu ändern, sondern der Gesellschaft eine Chance zu geben, zu bestimmen, ob sie sich selbst ändern möchte“, sagt Snowden im Interview.

Barton Gellman, der für die Post zwei Tage lang mit dem 29-jährigen Snowden sprach, sagt, dieser habe in seinem Denken eine technische Herangehensweise. So sei es für Snowden, nachdem er erkannt hatte, dass die Geheimdienste bestenfalls von geheimen Gerichtshöfen kontrolliert werden, keine Frage gewesen, ob er etwas unternehmen wird, sondern wie. Es gab ein Problem, dass einer Lösung bedurfte, ohne dass er vorher wusste, ob seine Lösung der Öffentlichkeit gefallen würde. Den Ausschlag gab die pragmatische Erkenntnis, jede Lösung des Problems sei besser als keine Lösung.

Nach seinen eigenen Maßstäben hat Snowden mehr erreicht als jede vernünftige Annahme hätte vermuten lassen. Die NSA, die gerne als Einzige selbst überwacht, steht unter Beobachtung wie seit den 70er Jahren nicht mehr. Vielleicht war der Druck von Außen sogar noch nie so hoch. Die kaskadierende Wirkung von Snowdens Enthüllungen reicht ins Weiße Haus, in ausländische Regierungen und Gerichtshöfe. Die enorme Wichtigkeit der Freiheit des Internet wurde den Menschen bewusst gemacht, Konzerne wie Google, Microsoft und Yahoo, deren Geschäft unsere Daten sind, ergreifen umfassende Maßnahmen, um die NSA vom Zugriff auf die Daten auszuschließen.

Am 16. Dezember erklärte Bundesrichter Richard J. Leon die Massenüberwachung des inländischen US-Telefonverkehrs als „von fast Orwellschen Ausmaßen“ und als „vermutlich verfassungswidrig“. In den Tagen danach erhielt Präsident Obama Besuch von den Chefs großer Internet- und Telefonie-Unternehmen, die ihm zu verstehen gaben, dass das ungefragte Abgreifen von Daten aus ihren Netzwerken die gesamte Internet-Industrie im Lande gefährde. Eine eingesetzte Kommission lieferte das Ergebnis ihrer Arbeit ab und forderte ein Ende der Telefonüberwachung im eigenen Lande und eine Überwachung der NSA von einem Personenkreis mit nicht-militärischem Hintergrund. Zudem stellte das Gremium fest, dass die Schnüffelei der NSA erfolglos geblieben sei, was die Verhinderung terroristischer Anschläge angehe.

NSA Director Keith B. Alexander und Director of National Intelligence James R. Clapper Jr. vertreten die Meinung, Snowden sei des Geheimnisverrats schuldig. Snowden sagt, er habe zwar bei Beginn seiner Tätigkeit für die NSA unterschrieben, dass er keine Geheimnisse preisgeben werde. Seine Loyalität gegenüber der Verfassung seines Landes habe jedoch mit der Zeit die Oberhand gewonnen. Den Eid auf die Verfassung der Vereinigten Staaten habe er im Gegensatz zu Alexander und Clapper Jr. nicht gebrochen.

Die Frage, ob er gerne in seine Heimat USA zurückkehren möchte, lässt Snowden unbeantwortet. Ein Spitzenbeamter der NSA brachte kürzlich das Gespräch auf eine mögliche Straffreiheit und Rückkehr in die Heimat für Snowden unter klar festgeschriebenen Bedingungen. So müssten alle noch nicht veröffentlichten Papiere wieder in den Besitz der NSA gelangen und es müsse zweifelsfrei gesichert werden, dass keine weiteren Veröffentlichungen mehr stattfinden können. NSA Director Alexander und Präsident Obama lehnen eine Amnestie für Snowden jedoch vehement ab. Nachdem die Gedankenspiele des hohen Beamten, der innerhalb der NSA weitere Unterstützung haben soll, bekannt wurde, wurde dieses Angebot schnell als Schadensbegrenzung bezeichnet, da die NSA selbst nicht wisse, wie viele Geheimnisse welchen Kalibers noch auf ihre Enthüllung warten.

Snowden kann dem Ganzen eine humorvolle Note abgewinnen, wenn er sagt: „Ich will die NSA nicht zerstören sondern verbessern. Ich bin bis zum heutigen Tag NSA-Mitarbeiter. Die einzigen, die das nicht begreifen, ist die NSA selbst“.

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