NSA: Mehr als 300 Spionage-Berichte über Kanzlerin Merkel
Mehr als 300 Berichte hat die NSA über Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verfasst, die in einer Sonderdatenbank für Staats- und Regierungschefs gespeichert werden, berichtet der Spiegel. Das zeigt eine Liste vom Mai 2009, die aus dem Fundus von Edward Snowden stammt.
Laut dieser Liste enthält die Sonderdatenbank Informationen über 122 Regierungschefs. Dazu zählen etwa der syrische Diktator Baschar al-Assad und die ukrainische Premierministerin Julija Timoschenko. Inhalte der Berichte sind nicht bekannt. Die NSA nutze diese aber, um Informationen über Zielpersonen zu finden, die „sonst schwer aufzufinden seien“.
Als Grundlage dient offenbar die NSA-Datenbank Marina, in der die weltweit abgefangenen Internet-Metadaten gespeichert werden. Das heißt, es werden nicht die Inhalte, sondern die Verbindungsdaten von E-Mail-Nachrichten gespeichert. Damit kann die NSA unter anderem einen „digitalen Fingerabdruck“ von Personen erstellen, um deren Netzwerk-Aktivitäten zu überwachen. Im Falle von Kanzlerin Merkel erhält die NSA auf diese Weise Kenntnisse, welche Mitarbeiter bei bestimmten Entscheidungen eingebunden sind.
Bereits im Oktober wurde bekannt, dass die NSA das Handy von Kanzlerin Merkel ausspioniert. Die neuen Dokumente sind ein weiterer Beleg, dass Kanzlerin Merkel von der NSA offiziell als Spionage-Ziel geführt wurde. Offiziell hat die US-Administration die Spionage nicht eingestanden. Stattdessen erklärte US-Präsident Obama, mit den USA befreundete Regierungschefs würden gegenwärtig und zukünftig nicht mehr ausspioniert werden – was in der Vergangenheit passiert ist, bleibt in der offiziellen Version außen vor.
Laut Spiegel könnte das für die Bundesanwaltschaft entscheidend sein, wenn diese in den kommenden Tagen entscheiden will, ob aufgrund der NSA-Spionage ein offizielles Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.
NSA-Aktivitäten in Deutschland
In diesem Ermittlungsverfahren könnte neben der Spionage gegen Kanzlerin Merkel und weitere Regierungsmitglieder geklärt werden, wie weit die NSA-Überwachung in Deutschland geht. Nach wie vor liegen dazu nur wenige gesicherte Informationen vor. Der Spiegel berichtet nun aber über einen Bericht der NSA-Abteilung „Special Sources Operations“ (SSO) vom März 2013. Demnach „autorisierte das für Anträge des Geheimdienstes zuständige Sondergericht die NSA am 7. März 2013, Deutschland zu überwachen“.
Das Dokument liefere aber keine Hinweise, welche Daten konkret betroffen sind. Da die NSA-Abteilung SSO auch für das Anzapfen der zentralen Glasfaserleitungen zuständig ist, vermutet die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU, dass die NSA mit dieser Autorisierung prinzipiell auf sämtliche deutsche Kommunikationsdaten zugreifen darf.
Weitere Dokumente zeigen allerdings, dass der britische NSA-Partner GCHQ mehrere deutsche Internetanbieter überwacht, um „umfangreiches Wissen über zentrale Satelliten-IP-Diensteanbieter in Deutschland aufzubauen“ sowie die „in Deutschland vorbeifließende Internetverkehre auszukundschaften“. Betroffen sind demnach Satelliten-Netzanbieter wie Stellar, Cetel und IABG, die laut Spiegel unter anderem „Ölbohrplattformen und die Außenstellen von Großunternehmen und internationalen Organisationen“ mit einem Internet-Zugang versorgen.