EuGH: Illegale Kopien nicht durch Privatkopienabgabe gedeckt

Update Maximilian Schlafer
153 Kommentare

Der EuGH hat in seinem heutigen Urteil zur Vorabentscheidungssache C-435/12 entschieden, dass die Abgaben für Privatkopien – die auf Speichermedien aufgeschlagen wird – nur einen Ausgleich für rechtmäßige Kopien darstellt. Dementsprechend stellen diese Abgaben keinen Ausgleich für rechtswidrig angefertigte Kopien dar.

Laut der Richtlinie 2001/29/EG (PDF-Volltext) stellt die Privatkopienabgabe einen „gerechten Ausgleich“ für etwaige Durchlöcherungen des Urheberrechtsschutzes durch einzelne Staaten dar. Das Recht auf Privatkopien stellt eine solche dar. Allerdings erfolgte in einigen Staaten die Umsetzung der Richtlinie diesbezüglich zu undifferenziert. Dort wurde nämlich bei der Berechnung des „gerechten Ausgleichs“ auch der geschätzte Ausfall durch unrechtmäßige Kopien berücksichtigt.

Entscheidung

Der EuGH befand hierzu, dass diese Praxis unionsrechtlich nicht korrekt ist. Die Privatkopienvergütung will einen „angemessenen Rechts- und Interessenausgleich zwischen Urhebern und Nutzern“ sicherstellen. Wenn aber bei der Berechnung nicht beachtet wird, ob die Quelle einer Privatkopie rechtmäßig oder unrechtmäßig ist, so kann laut EuGH kein gerechter Ausgleich erreicht werden. Denn wenn auch unrechtmäßige Vervielfältigungen miteinbezogen werden, kommt es am Ende zu einer Überwälzung des Schadens auf den Endkundenpreis. Ergo müssen dann alle Nutzer für diesen Schaden aufkommen und merklich höhere Preise akzeptieren. Der EuGH spricht hier von einer Bestrafung der Nutzer.

Diese könne daher nicht geduldet werden, zumal dadurch die Verbreitung von unrechtmäßigen Kopien befeuert werden würde. Das wiederum würde „Verkäufe oder andere rechtmäßige Transaktionen“ verringern und so eine „normale Verwertung der geschützten Werke beeinträchtigen“. Auch würden dadurch Urheberrechtsinhaber „ungebührlich“ geschädigt werden.

Der Umstand, dass keine technische Maßnahme existiert, um die Anfertigung von unrechtmäßigen Privatkopien wirksam zu unterbinden, ist laut EuGH keine Rechtfertigung für die oben genannte Abgabenberechnungspraxis. Die Argumentation, auf diese Weise die Verbreitung von Kultur gefördert werde, lässt er – wie auch schon in 2001/29/EG selbst als Erwägungsgrund nachlesbar – ebenso nicht gelten. Dies könne nämlich nicht um den Preis des „Verzicht auf einen rigorosen Schutz der Urheberrechte oder durch Duldung der unrechtmäßigen Verbreitung von nachgeahmten oder gefälschten Werken erfolgen“.

Verfahrenshergang

Das Verfahren nahm seinen Ausgang in den Niederlanden. Dort hatte ein Konsortium aus Herstellern und Importeuren von unbeschriebenen Datenträgern gegen die Zusammensetzung der örtlichen Privatkopienabgabe prozessiert. Der Rechtsstreit gelangte vor den Hohen Rat der Niederlande – dem dortigen obersten Gerichtshof. Dieser sah die Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH. Nachdem nun dessen Urteil vorliegt, wird das niederländische Verfahren unter Beachtung der Rechtsansicht des EuGH fortgeführt und eine eigenständige Entscheidung gefällt.

Die Dokumente zum Verfahren vor dem EuGH sind unter dem Aktenzeichen C-435/12 abrufbar. Das Urteil im Volltext wird dort im Laufe des Tages veröffentlicht werden.

Update

Das Urteil ist nun auf Deutsch abrufbar.

Konkret dreht sich das Urteil um Artikel 2 und um die Absätze 2 litera b und 5 von Artikel 5 aus 2001/29/EG. Diese behandeln das Vervielfältigungsrecht sowie die Zulässigkeit und Voraussetzungen der staatlichen Einräumung von Privatkopien und des dafür notwendigen gerechten Ausgleichs.

Artikel 2 Vervielfältigungsrecht

Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten:

a) für die Urheber in Bezug auf ihre Werke,

b) für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen,

c) für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger,

d) für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und die Vervielfältigungsstücke ihrer Filme,

e) für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.

Artikel 5 Ausnahmen und Beschränkungen ...

(2) Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen: ...

b) in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Artikel 6 auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden; ...

(5) Die in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.

Auszüge aus 2001/29/EG

Welche Folgen das Urteil nun in den einzelnen Mitgliedsstaaten hat, hängt von deren Regelung der Thematik ab. In Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Portugal gibt es laut heise.de bereits unionsrechtskonforme Regelungen, die die nötige Differenzierung vornehmen. Auf der anderen Seite befindet sich neben den Niederlanden auch Österreich. Dort haben sich die Gerichte nämlich der Ansicht, unrechtmäßige Kopien in die Abgabe miteinzuberechnen, angeschlossen. Dementsprechend dürften sich dort in Bälde gegenläufige Entwicklungen in Gang setzen.

  153 Kommentare
Themen:
  • Maximilian Schlafer E-Mail
    … ist die erste Anlaufstelle für alles, was Recht ist auf ComputerBase. Paragraphen haben es ihm angetan.
Quelle: Europäische Union

Ergänzungen aus der Community

  • Creeed 10.04.2014 14:02
    Wie Twostone schon schrieb, eine BD ist ein Film und keine Software. Zum Beispiel wäre die Kopie eines PC Spiels abgedeckt, aber nicht die digitale Kopie einer kopiergeschützten Audio CD.

    ich würde gerne mal die grundlage der gema sehen. bei den hohen Aufschlägen denke och dass es angreifbar wäre "Plastikman, post: 15547036
    Die GEMA ist hier nicht alleine, das sind noch andere Verwertungsgesellschaften mit im Boot. Unter anderem VG Wort oder VG Bild-Kunst. Aber es gibt eine übergeordnete Organisation die die Gelder verteilt und das ist die ZPÜ.


    @KaHaKa

    §108b regelt nur die Strafbarkeit, wichtig ist der §69a und die daraus folgenden Paragraphen. Wichtig ist hier der letzte Absatz von 69a, ich hab einfach mal die Gesetzestexte verlinkt. Ich hoffe dass ich damit nicht zu weit ins Off Topic rutsche und versenkt werde.:freak:


    § 69a
    Gegenstand des Schutzes


    (1) Computerprogramme im Sinne dieses Gesetzes sind Programme in jeder Gestalt, einschließlich des Entwurfsmaterials.
    (2) Der gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht geschützt.
    (3) Computerprogramme werden geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, daß sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien, insbesondere nicht qualitative oder ästhetische, anzuwenden.
    (4) Auf Computerprogramme finden die für Sprachwerke geltenden Bestimmungen Anwendung, soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist.
    (5) Die Vorschriften der §§ 95a bis 95d finden auf Computerprogramme keine Anwendung.


    § 95a
    Schutz technischer Maßnahmen


    (1) Wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes dürfen ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden, soweit dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang zu einem solchen Werk oder Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu ermöglichen.
    (2) Technische Maßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken. Technische Maßnahmen sind wirksam, soweit durch sie die Nutzung eines geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes von dem Rechtsinhaber durch eine Zugangskontrolle, einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird.
    (3) Verboten sind die Herstellung, die Einfuhr, die Verbreitung, der Verkauf, die Vermietung, die Werbung im Hinblick auf Verkauf oder Vermietung und der gewerblichen Zwecken dienende Besitz von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen sowie die Erbringung von Dienstleistungen, die
    1. Gegenstand einer Verkaufsförderung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen sind oder
    2. abgesehen von der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen nur einen begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben oder
    3. hauptsächlich entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern.

    (4) Von den Verboten der Absätze 1 und 3 unberührt bleiben Aufgaben und Befugnisse öffentlicher Stellen zum Zwecke des Schutzes der öffentlichen Sicherheit oder der Strafrechtspflege.


    § 95d
    Kennzeichnungspflichten


    (1) Werke und andere Schutzgegenstände, die mit technischen Maßnahmen geschützt werden, sind deutlich sichtbar mit Angaben über die Eigenschaften der technischen Maßnahmen zu kennzeichnen.
    (2) Wer Werke und andere Schutzgegenstände mit technischen Maßnahmen schützt, hat diese zur Ermöglichung der Geltendmachung von Ansprüchen nach § 95b Abs. 2 mit seinem Namen oder seiner Firma und der zustellungsfähigen Anschrift zu kennzeichnen. Satz 1 findet in den Fällen des § 95b Abs. 3 keine Anwendung.

  • Creeed 10.04.2014 19:19
    @Megatron
    Du rennst bei mir offene Türen ein, ich bin mir des Irrsinns dieses System wahrscheinlich mehr bewusst als die meisten die hier schreiben. Aber man muss zu einem Problem immer mehrere Betrachtungswinkel haben. Da hier fast alle einen Tunnelblick aus einer bestimmten Richtung haben muss man halt hin und wieder den Advocatus Diaboli, übrigens in seiner eigentlichen Funktion eine sehr ehrenhafte Funktion.

    Man darf aber nie vergessen dass auch die Künstler ein Anrecht auf faire Bezahlung haben. Das wird nämlich hier gerne ausgeklammert und vergessen. Mir ist es egal ob Lady Gaga 50 Millionen mit ihrem letzten Album gemacht hat. Wenn ihre Musik gehört wird ist dafür zu zahlen und wenn ich ihre Werke vervielfältige auch. Es ist egal wie reich die Trulla ist, wer konsumiert hat zu zahlen, darauf würde auch jeder von euch bestehen. Die User haben sich die Pauschalabgabe doch selbst zuzuschreiben, wissen nur die wenigsten. Als die CD-Rohlinge aufkamen gab es zwei Versionen. Einmal welche ohne Abgabe und dann welche mit GEMA Emblem mit einer Abgabe. Die Leute haben wie doof kopiert, aber auf die billigen Rohlinge ohne Abgabe. Dann hat die Politik die Notbremse gezogen und auf alle Datenträger die Pauschalabgabe eingeführt. Über Höhe und Umsetzung kann man gerne streiten, was ja mit diesem Urteil in Teilen ja auch passiert ist, aber es gibt nichts an dem Recht auf angemessene Bezahlung für die Künstler zu rütteln. Sei es nun Metallica oder das Hintertupfinger Zitterensemble.


    Ganz konkret: dürfen normale Musik-CDs nun also unbegrenzt kopiert werden und somit auch in allen Internetforen (unentgeltlich) zum Download angeboten werden?
    "Tuetensuppe, post: 15548649
    Nein. Du hast keinerlei Verwertungsrechte an der Musik. Dein Recht auf Privatkopie ist unbestritten, du kannst nach einem BGH Urteil bis zu 7 Kopien machen und die auch Familie oder Freunden geben. Aber wenn du sie in anderer Form weitergibst ist das nicht mehr mit Privatkopie gedeckt.

    Das gleiche für private Mitschnitte von Radio- und TV-Sendungen: dürfen die nun ebenfalls öffentlich zum Download angeboten werden? "Tuetensuppe, post: 15548649
    Nein, mit der gleichen Begründung. Du hast keinerlei Verwertungsrechte an den Stücken. Wenn du öffentlich vorführen willst musst du an die GEMA bezahlen. Ein Download würde da auch drunter fallen.