EuGH: Illegale Kopien nicht durch Privatkopienabgabe gedeckt
Der EuGH hat in seinem heutigen Urteil zur Vorabentscheidungssache C-435/12 entschieden, dass die Abgaben für Privatkopien – die auf Speichermedien aufgeschlagen wird – nur einen Ausgleich für rechtmäßige Kopien darstellt. Dementsprechend stellen diese Abgaben keinen Ausgleich für rechtswidrig angefertigte Kopien dar.
Laut der Richtlinie 2001/29/EG (PDF-Volltext) stellt die Privatkopienabgabe einen „gerechten Ausgleich“ für etwaige Durchlöcherungen des Urheberrechtsschutzes durch einzelne Staaten dar. Das Recht auf Privatkopien stellt eine solche dar. Allerdings erfolgte in einigen Staaten die Umsetzung der Richtlinie diesbezüglich zu undifferenziert. Dort wurde nämlich bei der Berechnung des „gerechten Ausgleichs“ auch der geschätzte Ausfall durch unrechtmäßige Kopien berücksichtigt.
Entscheidung
Der EuGH befand hierzu, dass diese Praxis unionsrechtlich nicht korrekt ist. Die Privatkopienvergütung will einen „angemessenen Rechts- und Interessenausgleich zwischen Urhebern und Nutzern“ sicherstellen. Wenn aber bei der Berechnung nicht beachtet wird, ob die Quelle einer Privatkopie rechtmäßig oder unrechtmäßig ist, so kann laut EuGH kein gerechter Ausgleich erreicht werden. Denn wenn auch unrechtmäßige Vervielfältigungen miteinbezogen werden, kommt es am Ende zu einer Überwälzung des Schadens auf den Endkundenpreis. Ergo müssen dann alle Nutzer für diesen Schaden aufkommen und merklich höhere Preise akzeptieren. Der EuGH spricht hier von einer Bestrafung der Nutzer.
Diese könne daher nicht geduldet werden, zumal dadurch die Verbreitung von unrechtmäßigen Kopien befeuert werden würde. Das wiederum würde „Verkäufe oder andere rechtmäßige Transaktionen“ verringern und so eine „normale Verwertung der geschützten Werke beeinträchtigen“. Auch würden dadurch Urheberrechtsinhaber „ungebührlich“ geschädigt werden.
Der Umstand, dass keine technische Maßnahme existiert, um die Anfertigung von unrechtmäßigen Privatkopien wirksam zu unterbinden, ist laut EuGH keine Rechtfertigung für die oben genannte Abgabenberechnungspraxis. Die Argumentation, auf diese Weise die Verbreitung von Kultur gefördert werde, lässt er – wie auch schon in 2001/29/EG selbst als Erwägungsgrund nachlesbar – ebenso nicht gelten. Dies könne nämlich nicht um den Preis des „Verzicht auf einen rigorosen Schutz der Urheberrechte oder durch Duldung der unrechtmäßigen Verbreitung von nachgeahmten oder gefälschten Werken erfolgen“.
Verfahrenshergang
Das Verfahren nahm seinen Ausgang in den Niederlanden. Dort hatte ein Konsortium aus Herstellern und Importeuren von unbeschriebenen Datenträgern gegen die Zusammensetzung der örtlichen Privatkopienabgabe prozessiert. Der Rechtsstreit gelangte vor den Hohen Rat der Niederlande – dem dortigen obersten Gerichtshof. Dieser sah die Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH. Nachdem nun dessen Urteil vorliegt, wird das niederländische Verfahren unter Beachtung der Rechtsansicht des EuGH fortgeführt und eine eigenständige Entscheidung gefällt.
Die Dokumente zum Verfahren vor dem EuGH sind unter dem Aktenzeichen C-435/12 abrufbar. Das Urteil im Volltext wird dort im Laufe des Tages veröffentlicht werden.
Das Urteil ist nun auf Deutsch abrufbar.
Konkret dreht sich das Urteil um Artikel 2 und um die Absätze 2 litera b und 5 von Artikel 5 aus 2001/29/EG. Diese behandeln das Vervielfältigungsrecht sowie die Zulässigkeit und Voraussetzungen der staatlichen Einräumung von Privatkopien und des dafür notwendigen gerechten Ausgleichs.
Artikel 2 Vervielfältigungsrecht
Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten:
a) für die Urheber in Bezug auf ihre Werke,
b) für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen,
c) für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger,
d) für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und die Vervielfältigungsstücke ihrer Filme,
e) für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.
Artikel 5 Ausnahmen und Beschränkungen ...
(2) Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen: ...
b) in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Artikel 6 auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden; ...
(5) Die in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.
Auszüge aus 2001/29/EG
Welche Folgen das Urteil nun in den einzelnen Mitgliedsstaaten hat, hängt von deren Regelung der Thematik ab. In Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Portugal gibt es laut heise.de bereits unionsrechtskonforme Regelungen, die die nötige Differenzierung vornehmen. Auf der anderen Seite befindet sich neben den Niederlanden auch Österreich. Dort haben sich die Gerichte nämlich der Ansicht, unrechtmäßige Kopien in die Abgabe miteinzuberechnen, angeschlossen. Dementsprechend dürften sich dort in Bälde gegenläufige Entwicklungen in Gang setzen.