Watch Dogs im Test: Nichts für schwache Rechner
2/4Watch Dogs auf einen Blick
In einer nicht allzu fernen Zukunft werden sogenannte entwickelte Gesellschaften höchstwahrscheinlich einen großen Teil der Verantwortung für das alltägliche Leben an Computer und automatisierte Vorgänge übertragen haben. Dies gilt nicht nur für die schon jetzt im Ansatz digitalisierten Bereiche, sondern selbst für noch vergleichsweise analoge Welten wie das städtische Leben. Supercomputer werden je nach Verkehrsaufkommen ideale Ampelschaltungen berechnen, saisonal die Müllabfuhr-Routen planen, den Nahverkehr steuern und ja, vielleicht sogar bei der Polizeiarbeit mithelfen.
Entscheidend ist dazu die Vernetzung aller Lebensbereiche, denn erst die Konzentration von Daten macht es möglich, die Kompetenz vom Menschen auf die Maschine zu übertragen. Ist die Datenbasis erst einmal gelegt, so das Argument der Befürworter, werden Systeme entstehen, die autonom und zugleich höchst effizient agieren: An die Stelle des fehleranfälligen, launischen Menschen tritt die immer gleich kompetente, exakte Maschine.
Dieses Konzept von Zukunft hat zweifelsfrei seine Vorzüge. Es ist effizient, potentiell kostengünstig und verdammt bequem. Zugleich werden Fragen aufgeworfen, die wir im Ansatz schon heute diskutieren, als da unter anderem wären: Was passiert mit den gesammelten Daten? Werden wir zu gläsernen Bürgern? Sind Algorithmen ethisch? Wer hat die Hoheit über die Daten? Und wer verhindert den Missbrauch?
Aus spielerischer Sicht könnte es deswegen kaum einen besseren Zeitpunkt geben, um einen Titel wie „Watch Dogs“ zu veröffentlichen, denn die Entwickler von Ubisoft Montreal stellen im Spiel bei allem Drumherum vor dem Hintergrund von Massenüberwachung, Datensammelwut und Cyberkriminalität mit ihrer Utopie (oder Dystopie?) einer durchdigitalisierten Stadt letztlich doch eine entscheidende Frage: Wollen wir tatsächlich in einer solchen Zukunft leben?
Spannendes Setting
Diese Frage wird in den ersten Stunden von „Watch Dogs“ allerdings nicht explizit gestellt. Stattdessen geht es auf den ersten Blick zunächst nur um ein Einzelschicksal, das in einem vernetzten Chicago der Zukunft mit einiger Schuld zu kämpfen hat – und mit noch weitaus mehr menschlichen Gegnern.
In diesem Chicago hat als Reaktion auf einen großen Stromausfall ein gehöriger Wandel stattgefunden. Zugunsten von Effizienz und Kostenersparnis hat die Stadtverwaltung weite Teile ihrer Kompetenzbereiche an ein ctOS genanntes System von Supercomputern übertragen. Ganz der allgemeinen Zukunftsvision entsprechend, durchdringt das von einem privaten Sicherheitskonzern entwickelte Central Operating System alle Lebensbereiche der Metropole und sammelt dabei mit seinen digitalen Fühlern sekündlich zahlreiche Daten über die Bürger.
Auf dieser Grundlage kann das System alle möglichen Eigenschaften und Parameter berechnen. Zu diesen gehört allen voran die Erstellung von kriminologischen Profilen, was möglich macht, Verbrechen zu verhindern, bevor sie durchgeführt werden – eine Vision, die bereits die US-Serie „Person of Interest“ erfolgreich gemacht hat. Der Bürger ist im Chicago von „Watch Dogs“ also maximal gläsern – und freut sich über die hohe Effizienz der Verwaltung.
Mäßiger Plot
In dieses spannende Setting wird der Spieler in persona des Hackers Aiden Pearce entlassen. Aiden ist nicht nur äußerst versiert im Umgang mit der Technologie seiner Zeit, sondern auch ein Waffenexperte, Parkour-Meister und Stealth-Profi. Kurzum: Aiden ist ein übertriebener und damit nicht immer glaubwürdiger Action-Held wie er im Buche steht.
Es ist deswegen nicht die schlechteste Wahl, dass die Entwickler diesen Hollywood-Charakter nicht auch noch als aufrechten Politikaktivisten zeichnen. So legt sich Aiden nicht etwa aus moralischem Protest gegen die Datensammelwut der dunklen Mächte gegen ctOS auf, sondern weil er aus persönlichen Gründen einer großen Verschwörung auf die Spur kommt.
In seinem ersten Leben ist Aiden Pearce zunächst ein ziemlicher Rüpel. Unter Anwendung seiner Fähigkeiten hat er sich zusammen mit einem Mitstreiter darauf spezialisiert, unbescholtene Bürger digital auszunehmen. Im Zuge einer solchen Aktion wird das digitale Gangsterduo von einem weiteren Hacker gestört, was drastische Folgen hat: Aidens Nichte wird bei einem Anschlag auf Aiden getötet, und auch sein Kumpane muss einen hohen Preis zahlen.
In der Folge lebt Aiden nur noch für die Frage nach dem Warum. Warum wurden sie von diesem ominösen Hacker gestört? Wer steckt hinter der Aktion? Und wer hat ein Interesse daran, unabhängige Hacker zu töten? Klar, dass Aiden bei seinen diesbezüglichen Recherchen schnell in ein Wespennest sticht.
Ubisoft Montreal gelingt es dabei gut, das Einzelschicksal des Aiden Pearce Stück für Stück an das eben beschriebene grundlegende Setting heranzuführen. Binnen weniger Stunden wird so aus einem gescheiterten Cyber-Kriminellen ein Hacktivist und Staatsfeind Nummer 1 – eine etwas schnelle Verwandlung, die aber gut Rahmen und Inhalt aneinander bindet.
Diese gekonnte Verquickung ist wichtig, weil sich der eigentliche Plot ziemlich platt angeht. Denn natürlich ist Aiden ein Standard-Held: Hart nach außen, aber von Schuldgefühlen geplagt, schickt sich der einsame Held an, allen Bösen dieser Welt die Hintern zu versohlen. Auch wenn die Storyschreiber diesem wenig überraschenden Charakter eine wendungsreiche Handlung zur Seite stellen: So richtig mitreißend ist das Gebotene für sich genommen nicht.
Etwas irritierend ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich der Plot extrem viel Zeit nimmt. Lange Zeit plätschern die Geschehnisse vor sich hin, ohne dass der Spieler genau weiß, in welche Richtung die Entwickler den Inhalt eigentlich drehen möchten. Das gilt nicht nur für die eigentliche Handlung, sondern auch für die Rahmenbedingungen, die dem Spieler nur Häppchenweise näher gebracht werden. Das ist prinzipiell nicht schlimm, allerdings schmeißt „Watch Dogs“ schon dann mit Begriffen, Namen und Fakten um sich, wenn diese noch gar nicht richtig eingeführt wurden. In Kombination mit der zunächst komplexen Umwelt fühlt sich das Spiel deswegen in den ersten Stunden durchaus komplex an, was in diesem Fall ausnahmsweise mal kein positives Kriterium ist.