BND-Spion verunsichert Bundesregierung
Infolge des Spionage-Skandals im Bundesnachrichtendienst (BND) wächst der Druck auf die Bundesregierung. Dass ein BND-Mitarbeiter interne Dokumente an die CIA verkauft hat, müsse Konsequenzen für die Partnerschaft mit den US-Geheimdiensten haben, fordern Politiker aus den Oppositions- und den Regierungsparteien.
Selbst aus den Reihen der Bundesregierung werden die Spionage-Aktivitäten der US-Dienste kritisiert. Im Raum steht derzeit der Vorschlag, die verantwortlichen Agenten in den Botschaften der USA auszuweisen, sofern sich der Verdacht bestätigt. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi: „Sofern sich der Verdacht weiter erhärtet, gehen wir davon aus, dass die Agentenführer aus Deutschland schnellstmöglich ausgewiesen werden.“ Ähnlich äußert sich CSU-Sicherheitspolitiker Hans-Peter Uhl: „Selbstverständlich sollten diese Führungsperson und der verantwortliche Nachrichtendienst-Beamte Deutschland verlassen.“
Neben den diplomatischen Maßnahmen will das Innenministerium auch technisch auf den Vorfall reagieren, indem die Spionage-Abwehr ausgebaut wird. Öffentlich erklärte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in der Nachrichtensendung Bericht aus Berlin, er erwarte „eine schnelle und eindeutige Reaktion der US-Regierung.“ Die Vorfälle müssten zügig aufgeklärt werden. Erst wenn das Ausmaß der Spionage einschätzbar wäre, könne man auch über Konsequenzen reden.
Welche Richtung das Innenministerium einschlagen will, verdeutliche de Maizière jedoch mit der Aussage, dass „eine wirksame und effiziente Spionage-Abwehr gegenüber Jedermann wichtig, notwendig und auch noch besser als bisher zu organisieren“ sei. Das deckt sich mit einem Bild-Bericht über ein Arbeitspapier aus dem Innenministerium, das die „Planung von Gegenmaßnahmen“ skizziert. Demnach soll die Spionage-Abwehr auf einen „360-Grad-Blick“ erweitert werden. Künftig soll der Verfassungsschutz also auch verbündete Staaten wie die USA, Großbritannien und Frankreich systematisch ins Visier nehmen. Bislang ist das nicht der Fall.
Entsprechende Vorschläge kursieren allerdings seit geraumer Zeit. Spätestens mit den Enthüllungen über die Handy-Spionage gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist eine Ausweitung der Spionage-Abwehr im Gespräch. Allerdings betonen deutsche Sicherheitspolitiker regelmäßig, wie abhängig die deutschen Dienste von dem Informationsaustausch mit den amerikanischen Partnern wären. Erst am Wochenende erklärte Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen im Rahmen eines Seminars der Akademie für Politische Bildung: „Wir sind ein guter Kunde der Amerikaner.“ Zwar wäre es Maaßen auch lieber, wenn deutsche Dienste selbst die Daten beschaffen könnten. Doch dafür benötigten diese auch die technischen Möglichkeiten wie eine Netzknoten-Überwachung.
Bürgerrechtler wie der IT-Fachanwalt Thomas Stadler zeigen sich von dem Ansatz wenig begeistert. Im seinem Blog Internet-Law kritisiert Stadler, dass die Bundesregierung den BND-Spionageskandal nicht als Anlass nehme, um das Geheimdienstsystem „zu hinterfragen oder zumindest besser zu durchleuchten“. Stattdessen werde der Ausbau der Gegenspionage forciert, der „natürlich zuerst eine bessere sachliche und personelle Ausstattung“ benötige. „Der BND soll aufgebläht werden, weil jetzt auch noch die USA ausspioniert werden müssen. Die Bundesregierung will also auf die Aktivitäten von NSA, CIA und Co. mit noch mehr Überwachung reagieren“, so Stadler.
BND-Spion soll Aufträge von CIA erhalten haben
Der aktuelle Kenntnisstand lautet: Der Verdächtige – ein 31-jähriger BND-Mitarbeiter – soll in einem Geständnis nach der Festnahme eingeräumt haben, dass er der amerikanischen Botschaft seine Dienste Ende 2012 per E-Mail angeboten hat. Nach Informationen von Reuters war die CIA für den Doppelagenten zuständig. Dem US-Auslandsgeheimdienst soll er 218 Dokumente übermittelt haben, deren Klassifikation von „vertraulich“ bis „streng geheim“ reicht. Demnach hat der Verdächtige insgesamt 25.000 Euro für die Doppelagenten-Tätigkeit kassiert. Zuletzt soll er den Auftrag erhalten haben, BND-Dokumente für den NSA-Untersuchungsausschuss zu übermitteln.
„Von den 218 Dokumenten, die er mutmaßlich weitergegeben hat, hatten drei mit dem Ausschuss zu tun, aber es war nichts Relevantes darunter“, sagte Roderich Kiesewetter, CDU-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, im Interview mit Zeit Online. Generell soll sich der Schaden durch die Spionage-Aktivitäten laut BND in Grenzen halten. Dennoch verschärft der Vorfall das ohnehin durch die NSA-Enthüllungen angespannte Verhältnis. Vor allem die Spionage gegen den NSA-Untersuchungsausschuss wird als Affront aufgefasst. Es gebe keine Rechtfertigung für das Anwerben von Geheimdienstmitarbeitern, „um Parlamente auszuspionieren“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Wochenende.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete den Fall am Montag als „sehr ernsthafter Vorgang“. Denn: „Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, so steht das für mich in einem klaren Widerspruch zu dem, was ich unter einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Diensten und auch von Partnern verstehe.“ Zunächst will die Kanzlerin aber die Ermittlungen der Bundesgeneralanwaltschaft abwarten. Vertreter der US-Administration zeigen sich derweil wenig beeindruckt, der Vorfall an sich wird nicht kommentiert. Und angesprochen auf das Statement von Kanzlerin Merkel verwies Obama-Sprecher Josh Earnest auf ihre Einschränkung, die Vorwürfe müssten zunächst bestätigt werden. „Das ist ein ziemlich großes Wenn“, so Earnest.