Early Access: „Der frühe Zugriff hat Vor- und Nachteile“
Auf der GDC Europe in Köln blickte James Crowe, Creative Director von Arma 3, auf die Erfahrungen zurück, die das Studio im Rahmen des Early-Access-Modells sammeln konnte. Neben einigen Vorteilen birgt das relativ neue Finanzierungskonzept auch diverse Stolpersteine für alle Beteiligten.
Zu Beginn seines Vortrags erläuterte Crowe, dass es sich bei Early Access nicht um ein festgelegtes Konzept handle: Die Spannweite der unterschiedlichen Ausführungen reiche von kostenlosem Zugang hin zu vorab komplett bezahlten Spielen.
In erster Linie gäbe es für Entwickler drei Hauptgründe, wieso Early Access für das eigene Produkt in Frage kommen könnte: Feedback, Cashflow und „Exposure“, also die Möglichkeit, das eigene Spiel der Öffentlichkeit auszusetzen. Bemerkenswerte Beispiele seien seiner Meinung nach Prison Architect, Star Citizen, DayZ und Die Siedler Online.
Bei Arma 3, dessen Alpha-Version am 13. März zum Preis von 24,99 Euro startete, habe man sich bewusst für ein gestaffeltes Preismodell entschieden: Mit dem Übergang in die Beta Phase und letztendlich zum Release stieg der Preis um jeweils weitere zehn Euro. Dies sei bei Arma 3 jedoch ein besonderer Fall gewesen, da die Spielreihe schon über eine etablierte Community verfügte und es sich um eine Marke mit hohem Wiedererkennungswert handle. Dazu kommt, dass Sandbox-Spiele sich besonders für solche Verkaufsmodelle eignen. Auf eine Frage aus dem Publikum erläuterte Crowe, dass man sich speziell für dieses Modell entschied, um möglichst früh in der Entwicklung möglichst viele Spieler ins Boot zu holen. Zudem sei die erste veröffentlichte Arma 3 Alpha aus technischer Sicht eher eine Beta-Version gewesen.
Der Entwicklungsprozess selbst wurde bei Arma 3 in drei Zweige aufgeteilt: Der „internal branch“, auf den nur Entwickler Zugriff hatten, sowie zwei für Spieler zugängliche Versionen („dev-“ sowie „default branch“). Vorteile, die sich daraus ergaben, waren häufige, in vielen Fällen sogar tägliche Updates sowie eine höhere Stabilität des Spiels. Auf der Schattenseite standen diesen Vorzügen jedoch ein größerer Overhead in der Entwicklung, mehr Druck und Probleme, die Konsistenz zu wahren gegenüber.
Umso wichtiger sei es in dieser Hinsicht gewesen, das Feedback der Community über formelle sowie informelle Wege einzuholen. Formell geschah dies über den Mantis Bug Tracker, informell hingegen wurden diverse Kanäle der sozialen Kommunikation von Foreneinträgen hin zu Feedback in sozialen Netzwerken wie Twitter durchforstet. Besonders letzteres habe den Vorteil gehabt, eine weitere Perspektive über das Nutzerfeedback zu bekommen.
Zu beachten sei an dieser Stelle jedoch, dass sich nur ein bestimmter Spielertyp überhaupt am aktiven Feedback-Prozess beteiligt. Entsprechend wichtig seien also auch Möglichkeiten, passives Feedback zu erhalten: Im Fall von Arma 3 habe man sich Livestreams auf Twitch sowie Let's Play Videos auf YouTube angesehen, was Crowe als „playtesting in the wild“ beschrieb.
Um über lange Zeit hinweg eine Community aufzubauen sei es essentiell, die Probleme der Nutzer anzuerkennen und ihnen mitzuteilen, dass man sich darum kümmere. Da diese Nachrichten seitens der Entwickler jedoch auch nur von einem Teil der aktiveren Nutzerschaft wahrgenommen werden, sind regelmäßige Neuigkeiten im Spiel selbst sowie Patchnotes auf der Webseite zum Spiel unerlässlich.
Auf diese Weise könne man durch das Nutzerfeedback auch wiederum deren Vertrauen gewinnen, andererseits können diese Wege, Feedback der Nutzer einzuholen sich auch wiederum gegen die Entwickler wenden: So ist für jeden Außenstehenden sichtbar, welche Missstände das Produkt zum jeweiligen Zeitpunkt der Entwicklung noch aufweist und die Gefahr bestehe, dass kurzfristiges Bugfixing in endlose Iteration übergeht und dabei das „big picture“ aus den Augen gerät.
Mit der Entscheidung für ein Early Access Verkaufsmodell ist zudem ein erhöhter Kommunikationsaufwand verbunden. Besonders wichtig sei in diesem Sinne bei offiziellem Spielmaterial in Form von Trailern deutlich darauf hinzuweisen, um welchen Entwicklungsstand es sich handle. Der Ersteindruck eines Projekts könne in die völlig falsche Richtung laufen, wenn Spieler als erstes den Trailer von Tag eins des Projekts zu Gesicht bekämen, obwohl man beispielsweise schon sieben Monate daran gearbeitet habe und das Spiel schon deutlich weiter fortgeschritten sei – aber der neueste Trailer schlichtweg für Nutzer nur schwer sicht- oder auffindbar ist.
Das Beste, das Entwicklern in diesem Kontext passieren kann, sind Eindrücke, die aus der Community selbst stammen. Diese bezeichnete Crowe als eine „sich selbst erhaltende Interessenblase“ („self sustaining bubble of interest“), da es sich um ehrliche Eindrücke handle, worauf die Spieler sehr gut reagieren – jedoch könne auch dies gehörig schiefgehen, wie es am Beispiel von „The War Z“ zu sehen war. Für so manchen Entwickler sei die direkte Interaktion mit dem Feedback der Community zudem auch ein „Kulturschock“, der erst überwunden werden müsse. Im Kommunikationsaspekt sei die Balance daher essentiell: Laut Crowe ist Funkstille schlecht, aber gebrochene Versprechen noch schlimmer.
Early Access erfordere zudem, die Erwartungen, die an das Projekt von verschiedenen Seiten herangetragen werden, entsprechend zu bewältigen: Entwickler sollten sich im Klaren sein, dass die „anfängliche Blase“, in der das eigene Produkt das „hot new thing“ ist, schon bald abflaut. Was die erste Alpha-Version „großartig“ macht, wird schon bald als normal angesehen. Mit dem Schritt zu Early Access habe man dieses Privileg jedoch gegen andere eingetauscht: So sollten Entwickler die „Kronjuwelen“, also Teile der Spielinhalte, zurückhalten und Content phasenweise an Spieler ausliefern. Aber auch hier können sich Probleme ergeben: Aus eigener Erfahrung berichtete Crowe, dass „das Ding, das du zurückhältst ebenfalls deine größte Schwachstelle sein kann“. In Arma 3 hätte man bei einem großen Map-Update schlichtweg vergessen, die neuen Inhalte auch auf 32-Bit Rechnern zu testen und demnach viele Nutzer aufgrund von Inkompatibilitäten verärgert.
Das Early Access Modell bringe in diesem Hinblick Entwicklern mehr Spielraum und die Möglichkeit dem eigenen Konzept mehr Tiefe zu verleihen, andererseits hängen damit auch andere Bereiche zusammen, die sich gerade noch im Wandel befinden. So habe gerade die Fachpresse noch ein Problem mit der Bewertung dieser Titel. Das Konzept „alpha / 10“ („alpha out of ten“) sei für viele Entwickler ein Problem: Die numerische Bewertung, die ein Spiel im Laufe seines Early-Access-Zeitraums von einem Magazin erhält, ändert sich nach der Veröffentlichung nicht mehr. So habe zwar Polygon vor kurzem die Bewertung von 6.5 auf 8.0 geupdated, die ursprüngliche Wertung bei Metacritic bleibt jedoch auf dem alten Stand bestehen und liegt ausschließlich in der Hand des Wertungsaggregators.
Im Gegensatz zu dem Problem mit Metacritic ziehen Entwickler jedoch weitere Medienvorteile aus der Situation: Bedingt dadurch, dass das Spiel während der Entwicklung theoretisch für jeden zugänglich ist, erhalten solche Spiele generell mehr Berichterstattung und Medienaufmerksamkeit, da viel mehr „Hands-On“-Möglichkeiten als in klassischen Vertriebsmodellen bestehen.
Unterm Strich betrachtet hält Crowe fest, dass Early Access für die Entwicklung von Arma 3 von großem Wert war. Entwickler sollten sich jedoch des zusätzlichen Overheads bewusst sein und „mindestens 20 Prozent“ mehr Zeit dafür einplanen. Aus eigener Erfahrung kann das Entwicklerstudio auf ein paar Meilensteine in der Entwicklung zurückblicken, die sie um zwei oder mehr Wochen verpasst haben – unerwartetes Feedback sollte also bei jedem Entwicklungsvorhaben mit mehreren zusätzlichen Arbeitswochen einberechnet werden. Zudem sollten sich Entwickler davor hüten, zu große Versprechen zu geben: „Große Versprechen sind niemals gut“, so Crowe, „ihnen [den Spielern] ein Spielzeug wegzunehmen, an das sie sich gewöhnt haben, werden sie niemals vergessen“.