Breitbandausbau: Das Kursbuch steht im Konflikt zur Netzneutralität
Beim zweiten Treffen der Netzallianz hat das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zusammen mit Vertretern der Internetprovider ein Kursbuch vorgestellt, in dem die „Maßnahmen und Meilensteine“ beim Breitbandausbau verzeichnet sind. Einige dieser Maßnahmen stehen allerdings im Widerspruch zur Netzneutralität.
Laut Kursbuch (PDF-Datei) fordern die Provider, unterschiedliche Qualitätsklassen anbieten zu dürfen, damit weitere Investitionen in den Netzausbau ermöglicht werden. Konkret geht es dabei um einen „zusätzlichen Beitrag für die Refinanzierbarkeit von Netzen und damit auch deren Ausbau im ländlichen Raum“, der durch die „Einführung von Qualitätsmerkmalen bei der Datenübertragung“ erwirtschaftet werden soll. Regelungen zur Netzneutralität dürften solche „Geschäftsmodelle auf Basis von Qualitätsdifferenzierung (Quality of Service)“ daher nicht gefährden.
Offiziell bekennen sich Verbände und Unternehmen aber sowohl zur Netzneutralität als auch zum Best-Effort-Internet. Internetnutzern soll weiterhin der Zugang „zu allen legalen Inhalten, Diensten und Anwendungen“ gewährleistet werden. Zudem würde durch die Pläne das „bisherige Leistungsniveau (…) nicht unterschritten, sondern soll neben qualitätsgesicherten Diensten dynamisch weiter entwickelt werden“.
Vodafones Deutschlandchef Jens Schulte-Bockum erklärte laut einem Futurezone-Bericht, dass die Provider „innovations- und investitionsfähig“ bleiben würden, wenn diese „weitergehende Qualitätsklassen, die über das allgemeine Niveau hinausgehen und dort auch entsprechend monetär honoriert werden dürfen“, bereitstellen könnten. Wie solche Angebote in der Praxis aussehen sollen, ist derzeit aber noch offen. Zumindest sagte Telekom-Chef Timotheus Höttges: „Wir brauchen Antworten dafür, wie wir diese Qualitätsklassen entsprechend im Netz etablieren wollen.“
Bei Netzaktivisten stoßen solche Pläne erwartungsgemäß auf Kritik, da die Einführung unterschiedlicher Qualitätsklassen gegen das Prinzip der Netzneutralität verstoßen. Es besagt, dass der Traffic bei der Durchleitung weder bevorzugt noch benachteiligt wird. Daher bezeichnet Netzpolitik.org die Pläne der Netzallianz als „Taschenspielertrick“. Weil die Bundesregierung selbst keine Mittel für den Breitbandausbau bereitstellen wolle, würden den „großen Telekommunikationsunternehmen einfach weniger Netzneutralitätsregeln“ versprochen.
Weiterhin keine staatlichen Fördergelder
An der grundsätzlichen Strategie hat sich ansonsten wenig geändert. Nach wie vor setzt die Bundesregierung auf einen kosteneffizienten Technologie-Mix, um zum Jahr 2018 in Deutschland eine flächendeckende Breitbandversorgung von mindestens 50 Mbit/s zu erreichen. Laut Kursbuch bestand Mitte dieses Jahres für 64 Prozent der Haushalte die Möglichkeit, einen solchen NGA-Anschluss („Next Generation Acess“) zu nutzen. Bis zu einer Quote von 80 Prozent sollen die Internetprovider den Breitbandausbau unter den derzeit geltenden Rahmenbedingungen vorantreiben können.
Für die letzten 20 Prozent werden jedoch staatliche Hilfen wie etwa zusätzliche Fördermittel benötigt, da sich die Investitionen in ländlichen und entlegenen Regionen für die Netzbetreiber ansonsten nicht mehr lohnen. Daher will der Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt (CSU) die Erlöse aus der Versteigerung des 700-MHz-Frequenzbandes wieder in den Breitbandausbau investieren. Zudem soll die Frequenzvergabe mit einer „Verpflichtung zum Erstausbau in den ländlichen Räumen“ einhergehen.
Grundsätzlich begrüßen Unternehmen und Verbände die staatliche Förderung, da eine flächendeckende 50-Mbit/s-Versorgung in allen ländlichen Gebieten bis 2018 ohne entsprechende Maßnahmen nicht realisierbar sei, wie es in einer Mitteilung des Provider-Verbands VATM heißt. Doch die Pläne der Regierung wären nach wie vor zu vage, weil keine konkrete Summe genannt werde. „Wenn in den wirtschaftlich schwierig versorgbaren Gebieten der Ausbau konsequent vorangetrieben werden soll, müssen wir wissen, wie viele Fördermittel wann und wofür konkret zur Verfügung gestellt werden“, sagte VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. Eine unmittelbare Kopplung dieser Mittel an eine Frequenzvergabe würde daher keine Planungssicherheit für die gewünschten Festnetzinvestitionen bieten.
50 Mbit/s lassen sich auf dem Land auch über LTE als Ersatz für DSL realisieren. Dieses Vorgehen steht aufgrund der stark limitierten Bandbreite der von der Telekom und Vodafone angebotenen Tarife allerdings stark in der Kritik.