Breitbandausbau: Das Kursbuch steht im Konflikt zur Netzneutralität

Andreas Frischholz
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Breitbandausbau: Das Kursbuch steht im Konflikt zur Netzneutralität
Bild: bmvi.de

Beim zweiten Treffen der Netzallianz hat das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zusammen mit Vertretern der Internetprovider ein Kursbuch vorgestellt, in dem die „Maßnahmen und Meilensteine“ beim Breitbandausbau verzeichnet sind. Einige dieser Maßnahmen stehen allerdings im Widerspruch zur Netzneutralität.

Laut Kursbuch (PDF-Datei) fordern die Provider, unterschiedliche Qualitätsklassen anbieten zu dürfen, damit weitere Investitionen in den Netzausbau ermöglicht werden. Konkret geht es dabei um einen „zusätzlichen Beitrag für die Refinanzierbarkeit von Netzen und damit auch deren Ausbau im ländlichen Raum“, der durch die „Einführung von Qualitätsmerkmalen bei der Datenübertragung“ erwirtschaftet werden soll. Regelungen zur Netzneutralität dürften solche „Geschäftsmodelle auf Basis von Qualitätsdifferenzierung (Quality of Service)“ daher nicht gefährden.

Offiziell bekennen sich Verbände und Unternehmen aber sowohl zur Netzneutralität als auch zum Best-Effort-Internet. Internetnutzern soll weiterhin der Zugang „zu allen legalen Inhalten, Diensten und Anwendungen“ gewährleistet werden. Zudem würde durch die Pläne das „bisherige Leistungsniveau (…) nicht unterschritten, sondern soll neben qualitätsgesicherten Diensten dynamisch weiter entwickelt werden“.

Vodafones Deutschlandchef Jens Schulte-Bockum erklärte laut einem Futurezone-Bericht, dass die Provider „innovations- und investitionsfähig“ bleiben würden, wenn diese „weitergehende Qualitätsklassen, die über das allgemeine Niveau hinausgehen und dort auch entsprechend monetär honoriert werden dürfen“, bereitstellen könnten. Wie solche Angebote in der Praxis aussehen sollen, ist derzeit aber noch offen. Zumindest sagte Telekom-Chef Timotheus Höttges: „Wir brauchen Antworten dafür, wie wir diese Qualitätsklassen entsprechend im Netz etablieren wollen.

Bei Netzaktivisten stoßen solche Pläne erwartungsgemäß auf Kritik, da die Einführung unterschiedlicher Qualitätsklassen gegen das Prinzip der Netzneutralität verstoßen. Es besagt, dass der Traffic bei der Durchleitung weder bevorzugt noch benachteiligt wird. Daher bezeichnet Netzpolitik.org die Pläne der Netzallianz als „Taschenspielertrick“. Weil die Bundesregierung selbst keine Mittel für den Breitbandausbau bereitstellen wolle, würden den „großen Telekommunikationsunternehmen einfach weniger Netzneutralitätsregeln“ versprochen.

Weiterhin keine staatlichen Fördergelder

An der grundsätzlichen Strategie hat sich ansonsten wenig geändert. Nach wie vor setzt die Bundesregierung auf einen kosteneffizienten Technologie-Mix, um zum Jahr 2018 in Deutschland eine flächendeckende Breitbandversorgung von mindestens 50 Mbit/s zu erreichen. Laut Kursbuch bestand Mitte dieses Jahres für 64 Prozent der Haushalte die Möglichkeit, einen solchen NGA-Anschluss („Next Generation Acess“) zu nutzen. Bis zu einer Quote von 80 Prozent sollen die Internetprovider den Breitbandausbau unter den derzeit geltenden Rahmenbedingungen vorantreiben können.

Weiterer Ausbau der NGA-Netze in Deutschland bis 2018
Weiterer Ausbau der NGA-Netze in Deutschland bis 2018 (Bild: bmvi.de)

Für die letzten 20 Prozent werden jedoch staatliche Hilfen wie etwa zusätzliche Fördermittel benötigt, da sich die Investitionen in ländlichen und entlegenen Regionen für die Netzbetreiber ansonsten nicht mehr lohnen. Daher will der Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt (CSU) die Erlöse aus der Versteigerung des 700-MHz-Frequenzbandes wieder in den Breitbandausbau investieren. Zudem soll die Frequenzvergabe mit einer „Verpflichtung zum Erstausbau in den ländlichen Räumen“ einhergehen.

Grundsätzlich begrüßen Unternehmen und Verbände die staatliche Förderung, da eine flächendeckende 50-Mbit/s-Versorgung in allen ländlichen Gebieten bis 2018 ohne entsprechende Maßnahmen nicht realisierbar sei, wie es in einer Mitteilung des Provider-Verbands VATM heißt. Doch die Pläne der Regierung wären nach wie vor zu vage, weil keine konkrete Summe genannt werde. „Wenn in den wirtschaftlich schwierig versorgbaren Gebieten der Ausbau konsequent vorangetrieben werden soll, müssen wir wissen, wie viele Fördermittel wann und wofür konkret zur Verfügung gestellt werden“, sagte VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. Eine unmittelbare Kopplung dieser Mittel an eine Frequenzvergabe würde daher keine Planungssicherheit für die gewünschten Festnetzinvestitionen bieten.

50 Mbit/s lassen sich auf dem Land auch über LTE als Ersatz für DSL realisieren. Dieses Vorgehen steht aufgrund der stark limitierten Bandbreite der von der Telekom und Vodafone angebotenen Tarife allerdings stark in der Kritik.

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    … ist Politikwissenschaftler und berichtet seit 2004 über Netzpolitik, Tech-Ökonomie und den digitalen Wandel der Gesellschaft.
Quelle: Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur

Ergänzungen aus der Community

  • comfreak 08.10.2014 16:14
    Tja, andere Länder andere Ideen. In Schweden wird bei allen Leitungsmodernisierungen einfach mal sicherheitshabler Glasfaser mit in die Rohre geworfen. Der lokale Stromanbieter, Gas- oder Wassernetzbetreiber vermietet dann die Leitung günstig (einheitlich geregelt) an die TK/Kabel-Betreiber und die können dann auf der Leitung transportieren was das Zeug hält. Die Anschlüsse heißen Stadsnät (also Stadtnetz) und bleiben soweit ich weiß im Eigentum der Gemeinden, bzw. in denen der Gemeinde-eigenen Netzbetreiber für Gas, Wasser, Strom. Ziemliche Investitionssicherheit eigentlich, denn die Glasfaser wird viel und gerne genutzt.

    Und ja, in Schweden gibt es gute und bezahlbare Flatrates. in STHLM sind ca. 90% der Wohnungen mit Glasfaser versorgt und es gibt Triple-Play-Anschlüsse mit 1GBit/s, statischer IP und vollem PayTV für ca. €100. Und falls es halt mal keine solchen Geschwindkeiten per Kabel geben (was auch in S vorkommt), dann gibt es bis hoch nach Lappland in jedem Dorf LTE (auch als Festnetzersatz) Abdeckung mit Tarifen die im Vergleich zu den Deutschen noch gut bezahlbar sind (z.B. 20GB Volumen für ca. €20 bei vollem LTE-Speed). Speed-On Optionen etc gibt es auch.

    Jetzt mögen Kritiker sagen, moment mal, die haben ja auch viel weniger Einwohner als Deutschland - klar ist das dann leichter und billiger. Ja weniger Einwohner haben Sie, aber auch ein sehr großes Land und damit eine sehr viel geringere Bevölkerungsdichte, was Infrastruktur bedeutend teurer pro Einwohner macht, als in Deutschland. Aber in Schweden gilt eben ein Gesellschaftsmodell der Teilhabe und wenigstens nicht ausschließlich des Reichwerden-Wollens... Schweden ist übrigens stellvertretend für den gesamten Norden. In Finnland ist (Mobil)Kommunikation noch bedeutend billiger als in Schweden. Da gibt es mobile Full-Flat für ca. €15. Aber selbst in Schweden gibt es eine europaweit(!) gültige Mobile Full-Flat für ca. €50. Brauchen die halt auch, weil die dauernd in die Sonne reisen (müssen) aber das ist ein anderes Thema.

    Es ginge also anders, auch in Deutschland. Nur müssten wir aufhören der Wirtschaftslobby alle politischen Entscheidungen zu überlassen. Wenn lokale Gemeinden bzw. die Grundversorger den Ausbau machen würden, wäre das bedeutend billiger und würde auch ein bisschen des Erfolgs wieder in die chronisch leeren Gemeindekassen zurück spielen. Aber in Berli streitet man ja lieber seit ca. 10 Jahren, ob in Straßenlaternen-integriertes WLAN die Stadt verschandeln würde und selbst Gegenden in deutschen Großstädten bleiben von DSL unversorgt. Nein, so geht das nicht weiter. der 50MBit Zugang gehört in die gesetzliche Grundversorgung und eine Ausbaupflicht für Glasfaser in die Ausschreibungen für die Gas/Wasser/Strom-Versorgung. Das billige am Breitbandausbau sind eh die Kabel. Die Tiefbau-Arbeiten kosten den Löwenanteil und die Kosten könnte man sich gut teilen. In meiner Berliner Straße haben sie im Jahr 2013 5 mal die Straße aufgebuddelt. Und Glasfaser lag am Ende noch immer nicht drin. Bei soviel Verschwendung wird mir nur schlecht.