Vorratsdatenspeicherung: Merkel fordert neue EU-Richtlinie
Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert infolge der Anschläge von Paris die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Doch innerhalb der großen Koalition sind diese Pläne umstritten. Während die Union auf die anlasslose Datensammlung beharrt, wird das Vorhaben von Vertretern der SPD skeptisch bewertet.
Die Vorratsdatenspeicherung ist eine von mehreren Sicherheitsgesetzen, die laut Merkel verschärft werden sollen. So erklärte die Kanzlerin während einer Regierungserklärung: „Der Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht haben den Rahmen beschrieben, in dem eine Regelung der Mindestspeicherfristen für Kommunikationsdaten erfolgen kann.“ Dass die Vorratsdatenspeicherung benötigt werde, sei Konsens unter allen Innenministern von Bund und Ländern. Daher wolle die Bundesregierung nun „darauf drängen, dass die von der EU-Kommission hierzu angekündigte überarbeitete EU-Richtlinie zügig vorgelegt wird, um sie anschließend auch in deutsches Recht umzusetzen“.
Dass die neue EU-Kommission an einer neuen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung arbeitet, wurde bereits Ende letzten Jahres bekannt. Mit einer kurzfristigen Umsetzung wird derzeit aber nicht gerechnet. Denn eine neue Regelung muss strikte Auflagen einhalten, nachdem die alte Richtlinie im April 2014 vom europäischen Gerichtshof gekippt wurde.
Dementsprechend äußern sich nun auch führende SPD-Politiker. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) lehnt etwa Fraktionschef Thomas Oppermann eine rasche Neuregelung ab. Er sei „gegen hektischen Aktionismus“ – und das gelte auch für die Vorratsdatenspeicherung. Im Koalitionsvertrag wurde lediglich vereinbart, die entsprechende EU-Richtlinie umzusetzen. „Deshalb ist es jetzt an der Kommission, eine neue Richtlinie zu erarbeiten“, so Oppermann. Zur Zurückhaltung mahnt auch Vizekanzler Sigmar Gabriel. Demnach bringe es nichts, „Hals über Kopf in Deutschland alleine einen neuen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, der dann wieder vom Europäischen Gerichtshof kassiert wird“.
Die deutlichste Kritik aus den Reihen der Bundesregierung stammt jedoch von Justizminister Heiko Maas (SPD). Dieser lehnt die Vorratsdatenspeicherung ab und bezeichnet es als „fahrlässig“, wenn behauptet werde, dass „Anschläge damit zu verhindern seien“.
Zu den Befürwortern der Vorratsdatenspeicherung zählen vor allem Sicherheitspolitiker und Vertreter von Sicherheitsbehörden. So erklärte der neue BKA-Präsident Holger Münch im ZDF-Interview, mit der Vorratsdatenspeicherung könnten weitere Anschläge verhindert werden, denn diese würden häufig nicht isoliert kommen. „Solche Instrumente ermöglichen Ihnen, möglichst schnell Strukturen zu erkennen, Mittäter zu erkennen“, so Münch.
Bürgerrechtler und Netzaktivisten bezweifeln allerdings, ob das tatsächlich der Fall ist. So verweist etwa Sascha Lobo darauf, dass die Vorratsdatenspeicherung in Frankreich bereits seit 2006 existiert. Ohnehin sei es fragwürdig, ob der Überwachungsapparat überhaupt funktioniere. Denn „die Terroristen standen längst auf den Beobachtungslisten, den amerikanischen No-Fly-Listen“. Verhindert werden konnte der Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo trotzdem nicht. Darüber hinaus werden die Pläne für eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung auch von Journalistenverbänden kritisiert. So heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Journalisten- und Medienorganisationen, zu denen etwa der deutsche Journalistenverband (DJV) und Reporter ohne Grenzen zählen: „Der Anschlag von Paris darf nicht als Vorwand dienen, mit Maßnahmen wie der Vorratsdatenspeicherung den Informantenschutz und damit eine Säule der Presse- und Rundfunkfreiheit auszuhöhlen.“