Quo Vadis 2015: Über die Kunst, ein spannendes Spiel zu entwickeln

Sasan Abdi
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Quo Vadis 2015: Über die Kunst, ein spannendes Spiel zu entwickeln
Bild: Quo Vadis/Aruba Events

Unter Spielejournalisten herrscht die Meinung vor, dass ein gutes Spiel immer auch eine gute, tiefe Story bieten muss. Und das mit guten Gründen, denn wo das Gameplay aufgrund von wenigen neuen Ideen zunehmend austauschbar wirkt, ist es letztlich meistens die Erzählung, die einen Titel besonders macht und von der Konkurrenz absetzt.

Diese Aussage würde wahrscheinlich auch Kacper Kwiatkowski unterschreiben. Kwiatkowski ist Entwickler, war maßgeblich am unkonventionellen Survival-Spiel This War of Mine beteiligt – und sprach auf der Entwicklerkonferenz Quo Vadis 2015 darüber, weshalb so wenig Titel wirklich etwas zu erzählen haben.

Hier Gameplay, dort Story

Den Hauptgrund dafür sieht Kwiatkowski in der künstlichen Trennung von Gameplay und Story. „In großen Unternehmen werden diese beiden Teile bis zum Schluss separat voneinander erarbeitet“, so der Entwickler. Erst am Schluss würden sie, häufig unter dem Zeitdruck des nahenden Erscheinungstages, mehr schlecht als recht zusammengefügt.

Das Resultat, so Kwiatkowski, seien Inhalte, die nicht zueinander passen oder sich im schlimmsten Fall sogar widersprächen. So glichen viele Spiele einem normalen Buch, dessen Fließtext immer wieder von einem Sudoku-Rätsel unterbrochen würde: Die Erzählung der Story werde kurzfristig für Gameplay-Elemente pausiert, danach ginge es wie gehabt weiter. Eine Mechanik, die laut Kwiatkowski völlig unnatürlich ist.

Als Beispiel nennt er Uncharted. Zwar möge er das Spiel persönlich gerne, so Kwiatkowski. Allerdings habe es ein gravierendes Problem: Während die Story vermittle, dass der Protagonist ein herzensguter Typ sei, zeichne das Gameplay einen ohne Skrupel mordenden Helden – also das exakte Gegenteil. „Das ist die größte Sünde“, sagt Kwiatkowski. In diesem Sinne sieht er „storydriven“ Spiele als problematisch an, auch dann, wenn sie etwa durch große, individuelle Entscheidungen des Spielers versuchten, die trotzdem eklatanten Mauern zwischen Gameplay und Handlung zu verwischen.

Als Beispiel dafür, wie es anders geht, führt der polnische Entwickler sein letztes großes Projekt, This War of Mine an. In This War of Mine blickt der Spieler aus einiger Distanz auf eine Gruppe von Zivilisten, die in einem Krieg versuchen zu überleben. „Wir hatten kein fertiges Storykonzept, dass wir stur angewendet hätten“, sagt Kwiatkowski. Stattdessen entwickle sich die Story aus dem Gameplay heraus. Durch Entscheidungen, die der Spieler fällt, nimmt die Handlungen die eine oder die andere Wendung. „Die vielen kleinen Entscheidungen sind wichtig“, so Kwiatkowski. Eine solche Spielerfahrung sei viel besser als eine filmähnliche Spielerfahrung, weil sie den Spieler in die Interaktion hineinziehe.

Entscheidend sind die Emotionen

Als Beispiel für diesen Effekt führt Kwiatkowski den Tod eines Protagonisten an. In einem Film oder Buch sei dieser meist hochdramatisch, bezeichne nicht selten das Ende, mindestens aber einen Höhepunkt in der Handlung. In Videospielen aber sei der Tod meistens trivial. Statt entscheidender Bestandteil der Spielerfahrung zu sein, werde dem Spieler nur deutlich gemacht, dass er einen Fehler gemacht hat. „Du bist gestorben? Schlecht gemacht, zurück zum letzten Speicherpunkt!“, so laute die Aussage. Durch diese gameplaybedingte Bagatellisierung von tiefgreifenden Geschehnissen verlören viele Spiele die wichtige Eigenschaft, Emotionen bei den Spielern auszulösen, sagt Kwiatkowski.

Anders bei This War of Mine, das dem Spieler zum Ziel setzt, möglichst viele Zivilisten durch die Gefahren des Krieges zu bringen. Macht der Spieler hier Fehler, wird er nicht zum letzten Ladepunkt geschickt: Die betroffenen Charaktere sterben unwiederbringlich. Auf diesem Wege, so Kwiatkowski, könnten Spiele sogar Emotionen auslösen, die Filme oder Bücher nicht erreichen würden, nämlich negative Gefühle wie Schuld.

Ein gutes Spiel spricht den Spieler nicht direkt an

Als weiteren Punkt für ein gelungenes Spiel führt Kwiatkowski schließlich die Aufbereitung der Benutzeroberfläche an. „Spiele sollten nicht zum Spieler sprechen“, findet der Entwickler. Statt ihm oder ihr direkt zu sagen, „drücke hier, um dein Level zu erhöhen“, sollten die Erklärungen vielmehr ins Spiel integriert werden. „Keine echte Person verfügt über ein Inventar. Wir haben Taschen oder dergleichen“, so Kwiatkowski.

Man kann Kwiatkowski hoch anrechnen, dass er am Ende seiner Präsentation eingesteht, dass er selbst nicht durchgängig derartige Spiele würde spielen wollen. Natürlich hätten auch gängige Konzeptionen ihren Charme. Unterm Strich kann man ihm aber nur zustimmen, als er zum Abschluss ins Publikum ruft: „Überrascht mich! Wagt etwas!

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