Bing Snapshots ausprobiert: Microsofts On-Tap-Funktion kommt Android 6.0 zuvor
Microsoft hat die Bing-App für Android aktualisiert und dabei eine Funktion integriert, die Google in ähnlicher Form erst mit Android 6.0 Marshmallow bieten wird: Bing Snapshots on Tap sind Microsofts Variante von Googles Now on Tap. Damit können angezeigte Bildschirminhalte analysiert und um Suchinformationen ergänzt werden.
Bing Snapshots on Tap ausprobiert
Snapshots nennt Bing seine Informationen zu Personen, Orten und Dingen, die wie bei Google Now auf Karten angezeigt werden. Eine Milliarde Snapshots hat Bing laut eigener Aussage. Damit verknüpft sind 21 Milliarden Fakten, 18 Milliarden Links und 5 Milliarden Beziehungen zueinander. Diese Informationen aus dem Knowledge und Action Graph will Microsoft mit der neuen Bing-App für Android jetzt noch schneller erreichbar machen, ohne dass dafür eine andere App verlassen werden muss.
USA als Standort vorgaukeln
Bing Snapshots bietet Microsoft deutschen Nutzern aber nur an, wenn dem System vorgegaukelt wird, es befinde sich in den Vereinigten Staaten. Dies kann einfach über die Spracheinstellungen von Android realisiert werden, indem diese auf Englisch gesetzt werden. Denn eigentlich bietet Microsoft die Funktion nur Nutzern aus den USA an.
Bei englischer Systemsprache fragt Bing während der Ersteinrichtung der App, ob Bing Snapshots aktiviert werden soll. Dafür muss Bing erlaubt werden, Fensterinhalte zu analysieren. Ist das System auf Deutsch gestellt, steht die Aktivierung von Bing Snapshots erst gar nicht zur Auswahl und die App startet direkt in die reguläre Suche.
Probleme mit Googles Launcher
Bing Snapshots soll genau so wie Googles Now on Tap funktionieren. Zumindest auf einem Moto G (2014) und einem Nexus 5 stimmt die Praxis aber nicht ganz mit Microsofts Theorie überein. Laut Microsoft soll langes Drücken des Home-Buttons Bing Snapshots aufrufen können. Auf dem Nexus 5 mit Android 6.0 Marshmallow funktioniert das nicht, weil hier voreingestellt Now on Tap auf dem Home-Button liegt – auch bei deutscher Sprache, wo Now on Tap nur zu Google Now führt.
Auf dem Moto G besteht immerhin die Möglichkeit, beim Wischen nach oben vom Home-Button aus, statt Google Now die Bing-Suche zu nutzen. Nachdem die neue Bing-App installiert wurde und das erste Mal die eigentlich für Google Now reservierte Geste ausgeführt wird, fragt Android, ob ab sofort Bing oder Google aufgerufen werden soll.
Alternativ lässt sich Bing Snapshots auch über einen frei am rechten Bildschirmrand positionierbaren Halbkreis aufrufen. Diese Verknüpfung legt sich sowohl auf dem Moto G als auch dem Nexus 5 automatisch auf den Bildschirm, sobald Bing Snapshots aktiviert wurde. So lässt sich Bing Snapshots auch auf dem Nexus 5 mit der dritten Android 6.0 Developer Preview ohne Home-Button-Geste nutzen.
Teils wirre Ergebnisse
Die Qualität der Ergebnisse von Bing Snapshots lässt sich noch nicht mit Now on Tap vergleichen, weil Google die Funktion erst mit der finalen Version von Android 6.0 freischalten wird. Unbekannt ist derzeit zudem noch, ob auch Google seinen Dienst zunächst nur in den USA anbieten wird. Zumindest in der aktuellen Developer Preview kann Now on Tap in den Launcher-Einstellungen auch nur dann aktiviert werden, wenn das System auf Englisch gestellt ist, ansonsten fehlt der Eintrag.
Dennoch lässt sich auf Bing Snapshots alleine bezogen sagen, dass die Qualität der Informationen stark vom Bildschirminhalt abhängig ist. Teilweise können gar keine Informationen angezeigt werden, in anderen Fällen kommt es stattdessen zu Verwechslungen. Bing Snapshots befindet sich wahrscheinlich noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Dennoch sind die Ergebnisse an anderer Stelle durchaus sinnvoll und richtig.
In einem Facebook-Beitrag, in dem der Name Til Schweiger vorkommt, gibt Bing Snapshots eine Reihe von Fotos des Schauspielers sowie Verknüpfungen zu Wikipedia, IMDb und anderen Diensten aus. Wird der selbe Beitrag auf dem Display verschoben, sodass weitere Informationen im Sichtfeld von Bing Snapshots liegen, verlinkt Bing im konkreten Fall Erklärungen zu ZDFneo, Til Schweiger und YouTube.
Manchmal weiß Bing Snapshots aber nicht, welche angezeigten Begriffe es für die Suche nutzen soll. Bei jeweils zwei zur Hälfte angezeigten Facebook-Beitragen von AMD und Jan Böhmermann, in denen bei AMD das Wort „Titel“ und bei Jan Böhmermann „Til Schweiger“ und „Dieter Nuhr“ vorkommen, entscheidet sich Bing Snapshots ausgerechnet und unerwartet für das Wort „Titel“ und gibt Informationen zu der gleichnamigen serbischen Stadt aus. Passend dazu werden aber immerhin Links zu Airbnb, Expedia und Wikipedia sowie eine Karte und ein Foto ausgegeben.
In einem anderen Beispiel wird der hawaiianische Musiker Jack Johnson mit dem Ort seines Auftritts in einem Beitrag genannt und sogar mit Foto abgebildet. Bing kann mit diesen drei Informationen aber nichts anfangen und öffnet stattdessen eine Karte mit Informationen zum 1946 verstorbenen Jack Johnson, dem afroamerikanischen Boxer, der von 1908 bis 1915 Weltmeister im Schwergewicht war. Dabei handelt es sich zwar um eine bedeutende Person, Bing Snapshots hätte aus den Informationen „Jack Johnson“, „Kai Elementary School“ und dem Foto aber ein ganz anderes Ergebnis zu Tage fördern müssen. Diese Zusammenhänge erkennt das System derzeit nicht.
Auch in anderen Apps wie dem Browser funktioniert Bing Snapshots, allerdings sind vor allem auf Websites oft zu viele Informationen vorhanden, um ein detailliertes Suchergebnis anzuzeigen. Bei Nachrichtenseiten wechselt Bing dann häufig zu einer langen Liste von Begriffen, die meistens nur zur entsprechenden Wikipedia-Seite führen. Mit Fachbegriffen oder Abkürzugen kommt Bing Snapshots bei IT-Magazinen wie ComputerBase nur eingeschränkt klar. Aus dem IDF 2015 werden so beispielsweise die Israel Defense Forces, und bei Knights Landing versteht Bing nicht den Zusammenhang mit Intels Xeon Phi, sondern verlinkt den gleichnamigen Ort in den USA. In diesem Fall ist das Ergebnis trotzdem eingeschränkt richtig, weil Intel gerne US-amerikanische Orte für seine Produktnamen vergibt.
Erstes Fazit
Bing Snapshots steht demnach erst am Anfang und hat noch einiges zu lernen. Microsoft ist Google dennoch zuvorgekommen, wenn auch qualitativ noch nicht auf sonderlich hohem Niveau. Wer Bing Snapshots ausprobieren will, muss mindestens Android 4.4 auf dem Gerät installiert haben. Die aktuelle Bing-App mit Versionsnummer 5.4.25151013 ist rund 7 MByte groß und steht auf Google Play zum Download bereit.