Metal Gear Solid 5 im Test: Der Segen der offenen Welt ist auch ein Fluch

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Sasan Abdi
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Offene Spielwelt, offenes Gameplay

Die größte Neuerung von an Metal Gear Solid 5 ist ohnehin nicht die Story, sondern die Konzeption der Spielwelt. Statt auf lineare Areale und Script-Action wie in den Vorgängern können die Entwickler dank der neuen technischen Möglichkeiten der Engine Fox auf eine echte offene Spielwelt setzen.

Metal Gear Solid 5 im Test
Metal Gear Solid 5 im Test

Dies ist die Grundlage für das Versprechen, dass die Reihe mit dem fünften Teil wieder vollständig auf Höhe der Zeit ankommt. Und tatsächlich: Dieses Versprechen wird eingelöst. Die Areale sind hundertmal so groß wie in den Vorgängern. Minutenlang kann der Spieler Snake auf seinem Pferd durch die Berge Afghanistans oder den Dschungel des Kongos reiten lassen, ohne an eine Barriere zu stoßen. Gut gelungen ist auch die Erzeugung von Abwechslung. Gerade die afghanischen Berge sind ein optisch latent langweiliges Setting, weswegen es umso wichtiger ist, dass die Entwickler die Landschaften mit detailliert animierten Gehöften, Dörfern und Militärposten aufwerten.

In diesem Rahmen steht es dem Spieler frei, in welcher Reihenfolge er die angebotenen Haupt- und Nebenmissionen angeht. Soll Snake sich zuerst um eine sowjetische Funkstation kümmern, oder lieber einen Verbündeten aus der Gefangenschaft befreien? Das Gameplay macht keine Vorgaben.

Dies gilt auch für die Vorgehensweise im Detail, die in Metal Gear Solid 5 maximal flexibel ist. So kann Snake defensiv und schleichend Vorgehen und auf Umwegen zum Ziel gelangen. Oder er wählt den offensiven, direkten Weg. Innerhalb dieser groben Unterteilung gibt es zahlreiche Optionen: Vermeiden wir jeden Feindkontakt? Locken wir Wachen an? Betäuben wir sie? Oder fordern wir lieber Luftunterstützung an und entern eines der mächtigen Geschütze eines Vorpostens, um es gegen unsere Gegner zu richten? Für ein Problem gibt es oft dutzende Lösungen, was unabhängig von der Story den Wiederspielwert der Missionen erhöht.

Schleichen ist Trumpf

Bei aller Variabilität ist ein Metal Gear Solid aber auch im fünften Teil darauf ausgelegt, es leise und umsichtig zu spielen. Erst dann entfaltet das Gameplay seine volle Wirkung. Dies liegt auch daran, dass die Gegner-KI mit zu dem Besten gehört, was derzeit geboten wird. Wachen sind nicht nur verdammt aufmerksam, sondern auch angenehm unberechenbar: Scheinbar fixe Laufwege werden immer wieder jäh unterbrochen, sodass das Vorankommen überhaupt nicht groß geplant werden kann. Stattdessen muss der Spieler immer wieder situativ reagieren, was für jede Menge Überraschungen und Adrenalin sorgt. Gut so!

Metal Gear Solid 5 im Test
Metal Gear Solid 5 im Test

Eine Neuerung ist in diesem Zusammenhang auch, dass auf den Radar verzichtet wird, auf dem der Spieler die Laufwege der Wachen verfolgen könnte. An dessen Stelle tritt ein selbst für die heutige Zeit futuristisch anmutendes Hologramm, das eine Übersicht der Umgebung bietet. Mit dem festen Radar entfallen auch die in früheren Titeln obligatorischen Sichtkegel der Wachen. Stattdessen wird Snake nur noch minimal darauf aufmerksam gemacht, dass ein Gegner zumindest stutzig geworden ist. Wem das zu schwer ist, der kann vorab von erhöhten Positionen alle sichtbaren Gegner per Fernglas dauerhaft markieren, was die Sache deutlich vereinfacht, aber auch den Spielspaß mindert.

Ein Begleiter nach Wahl

Bei all dem kann sich Snake stets von einem Begleiter helfen lassen. Zu Beginn steht nur das Pferd D-Horse zur Verfügung, dass sich in Zeiten, in denen der Protagonist noch nicht über abwurfbereite Fahrzeuge verfügt, als extrem nützlich erweist, um von A nach B zu gelangen. Wem das zu altmodisch ist, der kann auf den Mech D-Walker setzen, der im Prinzip über dieselben Kompetenzen verfügt.

Als Aufklärer und Kämpfer eignen sich ein Hund und die stumme Scharfschützin mit dem passenden Namen Quiet. Beide gehören zu den inhaltlich stärkeren Sidekicks, weil sie über wesentlich mehr Kompetenzen verfügen, wobei insbesondere Quiet mit entsprechenden Upgrades zu einer sehr effektiven Kämpferin entwickelt werden kann.

Metal Gear Solid 5 im Test
Metal Gear Solid 5 im Test (Bild: Konami)

Ein fader Beigeschmack ist bei der Scharfschützin das Äußere. Berühmt-berücktigt ist der Ausspruch von Chef-Entwickler Kojima, wonach der Charakter „more sexy“ sein müsse, um eine breite Käuferschicht anzusprechen. So ist zu erklären, dass das Äußere der Kämpferin einem (vermeintlichen) Männertraum entsprungen zu sein scheint: Mehr Klischee, mehr Plastik-Brust bei minimaler Taille, weniger Bekleidung ist kaum möglich. Dass Videospiele so etwas im Jahr 2015 noch nötig haben?

Zu wenig Abwechslung „on the ground“

Bei aller Freude, die wir am lautlosen Infiltrieren von allerlei gegnerischen Basen und am Einsatz unserer Begleitern haben: Abseits davon bietet das Missionsdesign „on the ground“ leider nur wenig Abwechslung. Letztlich laufen sowohl die Haupt- als auch die Nebenaufgaben immer darauf hinaus, dass Snake a) ein Objekt zerstört, b) Feinde eliminiert oder per Ballon in die eigene Basis entführt oder c) Gefangenen aus der Klemme hilft.

Unserem Geschmack nach viel zu selten werden diese Standard-Inhalte von Bosskämpfen aufgebrochen. Was in früheren MGS-Titeln die Krönung war, ist im Falle von Metal Gear Solid 5 nur solider aber nicht fesselnder Höhepunkt.

Verstärkt wird die auf Dauer aus diesem Grund drohende Monotonie kurioser Weise durch die offene Spielwelt. Denn natürlich hat eine solche Konzeption auch im Falle von Metal Gear Solid 5 nicht nur Vorteile: Die Inhalte wirken teilweise lose und nicht selten haben wir wie bei vielen anderen Open-World-Titeln auch bei Snakes Abenteuern das Gefühl, keinen inhaltlichen Boden mehr unter den Füßen zu haben. Warum sind wir jetzt noch mal hier? Wie hängt die Zielperson noch mal mit dem großen Ganzen zusammen? Dadurch, dass wir jederzeit überall hingehen können, verlieren Erzählung und Gameplay gleichermaßen an Stringenz, was sich auch darin niederschlägt, dass die sich wiederholenden Spielmechaniken stärker auffallen.

Die Open World, das zeigt Metal Gear Solid 5 exemplarisch, ist nicht per se ein Segen. Sie kann auch zu einem Problem werden.

Die „Motherbase“ als Rettung

Die Rettung aus dieser Situation ist, dass Snake immer wieder zur vor den Seychellen auf dem Meer installierten Plattform-Festung „Motherbase“ zurückkehren kann. Hier warten allerlei Aufgaben, die davon ablenken, dass das grundsätzliche Missionsdesign zumindest über einige Strecken repetitiv ausfällt: Wir planen den Ausbau der Stationen, weisen den Abteilungen Personal zu, schicken unsere Kampfeinheiten auf mehr oder weniger lukrative Missionen oder heben mit unserer Präsenz ganz einfach die Moral der Truppe.

Die Verstärkung des Hauptquartiers hat auch ganz konkrete Auswirkungen auf das Gameplay in Afghanistan und Afrika. Plötzlich sind Nebenmissionen, in denen seltene Rohstoffe oder besondere Spezialisten abgestaubt werden können, eben nicht mehr nur Beiwerk, sondern ein lukratives Ziel, um die „Motherbase“ weiter zu etablieren.

Metal Gear Solid 5 im Test
Metal Gear Solid 5 im Test

Gut gefällt auch die auf den unterschiedlichen Abteilungen basierenden Forschung. Hier gibt es kaum Grenzen. Ob bei der Ausrüstung, den Gewehren oder den Begleitern: In der „Motherbase“ kann jedes erdenkliche Gimmick mit den auf den Missionen einsammelten Credits und Ressourcen für Snakes Feldoperationen erforscht werden.

Verschobener Multiplayer

Für weitere Abwechslung könnte theoretisch der Mehrspielerpart sorgen. Der kompetitive Hauptteil ist allerdings aufgrund der turbulenten Entwicklung und des vorgezogenen Veröffentlichungsdatums verschoben worden: Metal Gear Online wird für die Konsolen erst ab dem 6. Oktober verfügbar sein. PC-Spieler müssen sogar bis 2016 warten.

Bis dahin steht nur die Ausweitung der „Motherbase“ auf den Online-Bereich zur Verfügung: Der Modus „Forward Operating Bases“, bei der die Hauptquartiere anderer Spieler angegriffen werden können, ist allerdings nicht viel mehr als eine kleine, nette Dreingabe.