Anno 2205 im Test: Der Mond ist das Ziel und die Reise macht Spaß

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Sasan Abdi
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Alte Hasen, alte Spielmechaniken

Schon in den ersten Minuten von Anno 2205 wird deutlich, dass die deutschen Entwickler von Blue Byte zwar alte Genre-Hasen sind, sich deswegen aber nicht gleich übernehmen wollen. „Neues Setting: ja“, „neue Spielmechanik: nur bedingt“, lautet daher wenig überraschend die Devise. Dementsprechend folgt auch im bisher futuristischsten Teil der Reihe alles der alten Anno-Logik, bei der der Spieler aus dem Nichts eine blühende Zivilisation erschaffen darf.

Anno 2205 im Test
Anno 2205 im Test

Dazu braucht man auch natürlich auch dieses Mal wieder eine Bevölkerung, die Stück für Stück mit den richtigen Waren und Ressourcen vom einfachen Arbeiter zum elitären Manager entwickelt wird, wobei die Ansprüche mit dem Status der Bürger immer weiter zunehmen. Aus einem einfachen Warenkreislauf wird so ein immer komplexerer, der mit allerlei Stellschrauben zum optimieren einlädt – so weit, so bekannt.

Arktis und Äquator

Allerdings ist es bei dieser Anno-Ausgabe mehr denn je so, dass die Wahl des Settings einige Implikationen für die konkrete Ausgestaltung dieses bekannten Ansatzes mit sich bringt. Die wichtigste ist dabei das Endziel Mond, denn dieses Mal siedeln die Spieler nicht nur des Siedelns wegen, sondern auch, um schlussendlich auf dem Erdtrabanten eine Zweigstelle eröffnen zu können.

Bis dorthin ist es jedoch ein steiniger Weg. Zunächst startet man in gemäßigten Erd-Breiten, in denen wie gehabt eine Hauptbasis gegründet wird. Wir sorgen für Biokost, entsalzen das Meerwasser, erzeugen mit Bioharz den Grundbaustoff Biopolymer und errichten erste Wohneinheiten für einfache Arbeiter, die sich schon bald mit komplexeren Warenkreisläufen, aus denen etwa Vitamingetränke und Regeneratoren für ein langes Leben hervorgehen, zu gut zahlenden, aber auch fordernden „Executives“ entwickeln werden.

Bereits auf der zweiten Entwicklungsstufe ist dann auch schon der zweite große Gebietstyp, die Arktis, gefragt, da Waren, die zur weiteren Entwicklung der Bevölkerung benötigt werden, nur hier produziert werden können. Auch hier sind Ressourcen-Kreisläufe zu etablieren, um etwa Metallschaum zu produzieren, der wiederum in hochwertigen Legierungen aufgehen kann. Mit wenigen Klicks werden dann erste Handelsrouten erstellt, um beispielsweise diese Legierungen in den Süden und Vitamingetränke in den kargen Norden zu schaffen.

Kleine Änderung, große Wirkung

Bis hierhin unterscheidet sich Anno 2205 von seinen Vorgängern in erster Linie bei den futuristischen Produkten und Gebäuden. Eine echte Neuerung ist bei alledem, dass die Gebiete jetzt separiert sind. Was früher auf einer Karte stattfand, läuft nun getrennt ab: Während wir über eine schicke Übersichtskarte wieder in die gemäßigten Breiten wechseln, ruht die Entwicklung in unseren nordischen Gebieten.

Anno 2205 im Test
Anno 2205 im Test

Spielerisch entscheidender ist aber, dass das Klima Auswirkungen auf unsere Planung hat. Während wir in äquatornähe Stadt- und Wirtschaftsplanung wie gehabt betreiben können, müssen wir am Nordpol die Kälte einrechnen. Wirklich bewohnbar wird eine Behausung dort nämlich nur, wenn sie in der Nähe einer Fabrik errichtet und so einigermaßen mitgewärmt wird. Das typische Metropolenkonzept mit einer klaren Trennung nach Vierteln und Funktionen geht hier deswegen kaum auf. Stattdessen ist viel Frickelarbeit gefragt, die nicht selten wilde, ungeplant wirkende Siedlungen entstehen lässt. Kleine Neuerung, große Wirkung – so gefällt uns das.

Auf den Mond kommt es an

Während die Zivilisation durch den regen Austausch zwischen Äquator und Arktis kontinuierlich wächst, kann am großen Ziel, der Mondbesiedelung, gearbeitet werden. Dazu muss das vor der Hauptinsel gelegene Startcenter ausgebaut werden, von dem schließlich die Expedition zum Trabanten beginnen kann.

Auch dort warten wieder neue Rohstoffe, aus denen ein neuer Warenkreislauf entwickelt werden kann. Und auch hier kann wiederum eine eigene Bevölkerungsstruktur aufgebaut werden, die für ihre Entwicklung Waren von der Erde benötigt und dafür exotische Mond-Erzeugnisse wie Fusionsenergiezellen zurückschickt.

Genauso wie in der Arktis wird man auch hier spielerisch mit den Eigenheiten der Umgebung konfrontiert. Der Raum ist auf dem Mond noch begrenzter als im Eis. Hinzu kommt, dass alle Gebäude über Schildgeneratoren vor den ständigen Einschlägen von Gesteinsmassen geschützt werden müssen. Ähnlich wie durch den Wärmebedarf in der Arktis wird dadurch auch hier die Planung erschwert, weil die Platzierung von Generatoren und Sauerstofftrennern Vorrang vor Wohngebäuden und der Rohstofferzeugung hat.

Insgesamt ist der Mond auf dieser Grundlage tatsächlich wie versprochen das i-Tüpfelchen: Im Zusammenspiel mit Äquator und Arktis lässt sich ewig am ideal austarierten Gütersystem feilen.

Maue Story, starke Vereinfachungen

Eine weitere Neuerung ist, dass Anno in dieser Ausgabe so etwas wie eine Rahmenhandlung bietet. Diese wird mit dem wie gehabt zugrunde liegenden Endlosspiel verquickt, was wohl zum Ziel hat, die Inhalte nicht ganz lose nebeneinander stehen zu lassen.

Dieses Vorgehen ist im Prinzip nicht schlecht, schließlich soll der Mond so nicht einfach aus Spaß, sondern zur Lösung der Energieprobleme auf der Erde besiedelt werden. Diesen großen Schritt will eine terroristische Organisation verhindern, was allerdings nicht nur langweilig klingt, sondern auch langweilig präsentiert und erzählt wird.

Trotzdem: Für den ersten Durchlauf ist die Lösung besser, als alternativ gar keine erzählerischen Inhalte zu präsentieren. Wer eine neue Welt starten will, findet als Anreize die Möglichkeit vor, neue Umgebungen auszuwählen. In diesem Fall aber wird die schwache Geschichte von Langweiler zum potentiellen Nervtöter. Immerhin können die Zwischensequenzen und Einblendungen bei Bedarf abgebrochen werden, sodass man sich die lahmen Dialoge nicht erneut zu Gemüte führen muss.

Anno 2205 im Test
Anno 2205 im Test

Darüber hinaus ist erwähnenswert, dass Anno 2205 im Vergleich zu seinen Vorgängern drastisch vereinfacht wurde. Dies gilt im positiven Sinne zunächst für die Benutzeroberfläche: Nie war es einfacher und klarer, die Waren zu verwalten und Handelsrouten einzurichten.

Auf der anderen Seite ist der Titel überraschend einfach zu meistern, weswegen wir zumindest Kennern der Reihe empfehlen würden, mindestens den mittleren der drei Schwierigkeitsgrade zu wählen. Dass sich Anno 2205 so einfach angeht, hat viele kleine Ursachen. So wurde etwa der Warenkreislauf merklich vereinfacht, sodass sich selbst komplexe Güter mit wenigen Grundzutaten herstellen lassen. Auch in anderer Hinsicht ist Anno 2205 sehr großzügig: Auf Minenplätzen können beliebige Rohstoffe gefördert werden. Welche Ressource an welcher Stelle vorhanden ist, spielt also für die große Planung also keine Rolle mehr.

Mit Abstand am weitreichendsten ist aber, dass Gebäude bei Fehlplanung jetzt nicht mehr abgerissen werden müssen, sondern auch versetzt werden können. Das ist einerseits sehr praktisch, weil sich Siedlungen auch wegen der vielen Module, mit denen die großen Gebäude erweitert und verbessert werden können, so noch im Nachhinein sinnvoll ordnen lassen. Auf der anderen Seite ist aber genau das – die umsichtige, vorausschauende Planung – ein wichtiges Element von Anno gewesen. Dieses kommt nun zu kurz, weil man ungestraft ohne Konzept vorgehen kann: Man kann ja hinterher noch gegen einen kleinen Obulus hin- und herverschieben.