NSA-Ausschuss: Verfassungsschutz von NSA-Enthüllungen kalt erwischt
Von den Snowden-Enthüllungen wurde der Verfassungsschutz kalt erwischt, erklärte der für die Spionageabwehr zuständige Referatsleiter im NSA-Ausschuss. Nachdem das Ausmaß der Überwachungsmaschinerie bekannt wurde, ermittelte auch der Geheimdienst, doch allzu konkrete Ergebnisse kamen dabei offenkundig nicht heraus.
Als Zeuge wurde Frank Wingerath befragt, der seit 2010 die Referatsgruppe für Spionageabwehr im Verfassungsschutz leitet. Nach den ersten Enthüllungen im Sommer 2013 führte er auch die „Sonderauswertungsgruppe“, um die Vorwürfe aufzuklären, die infolge der Snowden-Dokumente publik wurden. Vor allem in den ersten Monaten stand der Verfassungsschutz dabei unter Druck, so Wingerath. Es habe mindestens 20 große Anfragen „aus dem parlamentarischen Raum“ gegeben, der Verfassungsschutz sollte daher „zeitnah“ und „umfassend“ für Klarheit sorgen.
Verfassungsschutz erhielt Informationen aus den Medien
„Unser großes Problem war, dass uns die Dokumente selber nicht vorlagen.“ Verfassungsschutz-Mitarbeiter Wingerath
Damit war der Geheimdienst allerdings überfordert, der Informationsstand wäre nur „sehr gering“ gewesen. „Unser großes Problem war, dass uns die Dokumente selber nicht vorlagen, und wir ausschnitthaft wahrnehmen mussten, was meistens im Spiegel stand“, so Wingerath. Man habe zwar versucht, Unterstützung von außen zu erhalten. Doch die entsprechen Anfragen waren nicht erfolgreich.
Im Januar 2014 hatte Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen etwa beim Spiegel anfragt, um Einsicht in die Snowden-Dokumente zu erhalten. Dabei spielte die Redaktion aber nicht mit.
Im Frühjahr 2015 hat die Sonderauswertungsgruppe ihre Tätigkeit dann mit einem Abschlussbericht beendet. Über Ergebnisse des als geheim eingestuften Abschlussberichts wollte sich Wingerarth aber zumindest in öffentlicher Sitzung nicht äußern. Inhaltlich äußerte er sich zwar auch im NSA-Ausschuss, doch die Antworten blieben in der Regel äußerst vage.
Der globale Datenverkehr und die Zuständigkeit
So stellt sich nun etwa die Frage, inwieweit die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes überhaupt zuständig ist, wenn deutsche Kommunikationsdaten durch ausländische Geheimdienste erfasst werden. Deutlich wird das am Beispiel des Tempora-Programms, das der britische Geheimdienst GCHQ betreibt, um die transatlantischen Glasfaserkabel massenhaft zu überwachen. Denn der Knackpunkt ist: Selbst wenn deutsche Daten erfasst werden, erfolgt die Überwachung im Ausland. Dementsprechend sei Tempora auch kein Fall für die Spionageabwehr, so Wingerath laut dem Live-Ticker von Netzpolitik.org.
Die Probleme bestehen aber nicht nur im Ausland. Denn der Verfassungsschutz ist auch nicht immer zuständig, wenn etwa die NSA Datenleitungen in Deutschland anzapft. Die Aussagen von Wingerath blieben zwar vage, doch im Kern erklärte er: Erfolgt der Zugriff auf deutschem Boden, wäre es illegal. Wenn die Überwachung aber etwa innerhalb eines US-Stützpunktes in Deutschland durchgeführt werde, wäre das Anzapfen der deutschen Datenleitungen legitim, da es – rechtlich gesehen – um ein amerikanisches Gebiet handelt.
Helikopter über US-Botschaft war kein Erfolg
Ohnehin erfolgt die Spionageabwehr im Verfassungsschutz nicht flächendeckend. Stattdessen werde der Geheimdienst erst aktiv, wenn es einen bestimmten Anlass gibt – so wie es bei den Snowden-Enthüllungen der Fall war. Wie die Maßnahmen des Verfassungsschutzes dann aussehen können, zeigte sich im August 2013: Damals überflog ein Helikopter der Bundespolizei das US-Konsulat in Frankfurt a.M., um Fotos von den Antennen auf dem Dach zu machen. Auf diese Weise sollte dann potentielle Abhörtechnologie identifiziert werden.
Einen weiteren Anlauf unternahm der Verfassungsschutz, nachdem im Herbst 2013 bekannt wurde, dass die NSA auch das Handy von Kanzlerin Angela Merkel überwacht hat. Verfassungsschutz-Präsident Maaßen wandte sich damals direkt an die US-Seite: Spezialisten des Verfassungsschutzes sollten auf das Dach der amerikanischen Botschaft in Berlin, um den Verdacht auszuräumen, dass von dort aus das Kanzleramt abgehört wurde. „Das wurde abgelehnt“, so Wingerath.
Allzu erfolgreich verlief die Aufklärung des Verfassungsschutzes also nicht. Wingerath: „Es haben sich keine Beweise im eigentlichen Sinne ergeben.“ Das gelte für Behörden und andere Ziele in Deutschland, die womöglich durch westliche Geheimdienste ausspioniert wurden – konkrete Erkenntnisse liegen dem Verfassungsschutz nicht vor. Ebenso wenig konnte Wingerath sagen, ob das Handy von Kanzlerin Merkel durch eine Abhörstation überwacht wurde, die innerhalb der amerikanischen Botschaft in Berlin installiert ist. Es gebe „keinen Beweis, sondern nur einen Anhaltspunkt“, lautete sein Fazit.