Brexit: Vodafone droht mit Abgang aus Großbritannien
Dass der britische Austritt aus der EU auch Konsequenzen für die Tech-Branche hat, wurde bereits im Vorfeld prognostiziert. Nun spielt Vodafone infolge der Brexit-Entscheidung mit dem Gedanken, den Hauptsitz des Konzerns zu verlegen.
In einer E-Mail an die Mitarbeiter, die der BBC vorliegt, verweigert die Firmenspitze demnach ein klares Bekenntnis zum Standort in London. Es wäre zu früh, um „eine eindeutige Schlussfolgerung zu ziehen, die den Standort der Zentrale betrifft“. Wichtig sei vielmehr, dass der Konzern auch weiterhin von der EU profitiere, indem ein freier Zugang von „Menschen, Kapital und Waren“ gewährleistet werde.
Denn das wäre die Voraussetzung, um europaweite Geschäfte zu betreiben. Nach der Brexit-Entscheidung vom vergangenen Donnerstag stelle sich aber die Frage, inwieweit das von Großbritannien aus künftig noch möglich sei.
Einen ersten Schritt hat Vodafone aber schon angekündigt: Man will den Standort in Brüssel ausbauen, um die regulatorischen und öffentlichen Interessen stärker zu vertreten. Ebenso will der Konzern die Geschäftszahlen künftig nicht mehr in Pfund, sondern in Euro ausweisen.
Einheitliche Regeln für digitale Wirtschaft
Vor den Konsequenzen des Brexit warnten nicht nur Politiker, sondern auch Branchenverbände wie der Bitkom. „Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die Auswirkungen auf die deutsche und europäische Digitalwirtschaft möglichst gering bleiben“, erklärte der Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder nach der Abstimmung. Entscheidend sei nun, dass der digitale Binnenmarkt in Europa erhalten bleibe.
Denn es wären vor allem die mittelständischen Unternehmen und Start-ups, die benachteiligt werden, wenn Großbritannien sich abspaltet. Eigenständige Gesetze bedeuten für gewöhnlich mehr Bürokratie und damit höhere Kosten.
Hinzu kommt die Rolle von Europa im globalen Wettbewerb. „International einheitliche Regeln sind die Grundvoraussetzung für eine funktionierende und leistungsfähige digitale Wirtschaft“, so Rohleder. Scheidet Großbritannien nun aus der EU aus, erschwere das den Versuch der EU-Kommission, einen großen einheitlichen digitalen Binnenmarkt zu schaffen, um den Unternehmen einen Wettbewerb auf Augenhöhe mit Ländern wie den USA oder China zu ermöglichen.
Großbritannien und der Datenschutz
Besondere Nachteile erwartet Bitkom für Privatpersonen in Großbritannien. Europäische Vorgaben zum Daten-, Verbraucher- und Umweltschutz wurden in der Regel gegen den Widerstand der britischen Regierung durchgesetzt. So stehe etwa die Frage im Raum, ob Großbritannien noch die europäische Datenschutzreform umsetze, die im letzten Jahr nach jahrelangen und mühsamen Verhandlungen beschlossen wurde. Offiziell soll diese erst ab 2018 in Kraft treten, der Zeitrahmen kollidiert also mit den erwarteten Brexit-Verhandlungen.
Auf diesen Punkt verweist auch der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar in einem Blog-Beitrag. Demnach habe die britische Regierung dafür gesorgt, die sogenannte „NSA-Klausel“ – also der Schutz von europäischen Nutzerdaten vor dem Zugriff von ausländischen Geheimdiensten – nur als „Opt-out“-Lösung in das Regelwerk aufzunehmen. Einzelne EU-Mitgliedsstaaten müssen diese also nicht umsetzen.
Insbesondere nach dem Safe-Harbor-Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist das ein heikler Punkt. Es wäre also durchaus denkbar, dass Probleme beim Privacy-Shield-Abkommen – das europäische Nutzerdaten vor Massenüberwachung schützen soll – künftig nicht nur die amerikanischen Regierung betreffen, sondern auch die britische.