Anti-Terror-Richtlinie: EU-Parlament beschließt Netzsperren-Klausel
Als Reaktion auf die Terroranschläge von Paris im Dezember 2015 hat der Innenausschuss des EU-Parlaments (LIEBE) gestern Abend einen Entwurf für eine neue Anti-Terror-Richtlinie beschlossen. Mit dabei ist die umstrittene Netzsperren-Klausel.
Das grundsätzliche Ziel der Richtlinie ist, die Planung von Terror-Anschlägen bereits im Vorfeld zu erschweren. Bei dem Punkt, der die Netzsperren betrifft, heißt es nun in dem Entwurf des EU-Parlaments: Die EU-Staaten sollen Maßnahmen ergreifen, um die in dem jeweiligen Land gehosteten Inhalte zu entfernen, die zu einer terroristischen Straftat aufstacheln. Falls das Löschen nicht möglich ist, können die EU-Staaten auch geeignete Maßnahmen einleiten, um den Zugang zu solchen Inhalten zu blockieren – de facto also Netzsperren.
Konkret ist dabei von „können“ („member states may take the necessary measures to block access to such content“) die Rede. Im Vorfeld der Abstimmung sorgte dieser Punkt für Aufsehen, weil zunächst noch eine schärfere Version der Anti-Terror-Richtlinie kursierte. In dieser hieß es, die EU-Staaten sollen („Member States shall take the necessary measures“) die notwenigen Maßnahmen ergreifen, um terroristische Inhalte zu blockieren. Mit dieser Lösung hätte dann die Pflicht bestanden, eine Infrastruktur für Netzsperren aufzubauen.
Kritik verhallt
Angesichts der Kritik von Netzaktivisten und Bürgerrechtlern verteidigt nun die EU-Abgeordnete Monika Hohlmeier (CSU) das Vorgehen. Als Berichterstatterin des EU-Parlaments ist sie federführend verantwortlich für die Anti-Terror-Richtlinie. In der Süddeutschen Zeitung erklärte Hohlmeier: „Es gibt keine Netzsperren.“ Webseiten sollten nur blockiert werden, wenn es auf die Schnelle keine andere Lösung gebe. Ansonsten gelte der Grundsatz, Löschen habe Vorrang vor Blockade. Den Kritikern wirft sie vor: „Die halten das Internet für einen Raum mit totaler Rechtsfreiheit, ohne jegliche Eingriffe, auch wenn es dort noch so kriminell zugeht.“
Allerdings ist die Netzsperren-Klausel auch im EU-Parlament umstritten: „Netzsperren werden das Problem nicht angehen, und insofern nur eine falsche Illusion von Sicherheit schaffen“, erklärt etwa die EU-Abgeordnete Cornelia Ernst von der Linken.
Deutlich kritischer fällt das Urteil derweil in den Reihen der Bürgerrechtler und Netzaktivisten aus. Der zentrale Vorwurf lautet: Statt sinnvolle Maßnahmen zu entwickeln, versuche es die EU mit überholten Konzepten. Es wäre „schlicht verantwortungslos, massive Grundrechtseingriffe im Namen der Terrorbekämpfung durchzuwinken, ohne dass es irgendeinen Nachweis für die Wirksamkeit der Maßnahmen gibt“, erklärt Alexander Sander, Geschäftsführer vom Bürgerrechtsverein Digitale Gesellschaft. Dass es mittlerweile „genug Beweise“ gebe, „dass ‚Löschen statt Sperren‘ funktioniert“, erklärte Alvar Freude vom Arbeitskreis Zensur bereits letzte Woche gegenüber Netzpolitik.org.
Nötig sei vielmehr ein neues Konzept: „Statt Europa mit immer neuen Sicherheitsplacebos in einen Kontinent der Überwachung zu verwandeln, brauchen wir endlich evidenzbasierte Strategien gegen Gewalt und Extremismus“, so Sander.
Finale Entscheidung über Anti-Terror-Richtlinie im Herbst
Noch ist die Anti-Terror-Richtlinie aber nicht in trocknen Tüchern. Denn das EU-Parlament hat zunächst nur über einen Entwurf abgestimmt. Der dient nun als Grundlage für die Berichterstatterin Hohlmeier, um in den sogenannten Trilog-Verhandlungen mit der EU-Kommission und dem EU-Rat einen Kompromiss auszuhandeln. Wenn dieser steht, muss das EU-Parlament noch zustimmen. Laut der Süddeutschen Zeitung ist damit nach der parlamentarischen Sommerpause im Herbst zu rechnen.