Studie: Klarnamen helfen nicht gegen Hasskommentare im Netz
Als einer der Gründe für eskalierenden Diskussionen und Aggressionen in sozialen Medien wird gerne die Anonymität der Nutzer genannt: Wer nicht mit seiner wahren Identität auftritt, kennt keine Grenzen. Dass sich dieser Vorwurf im Alltag nicht nachweisen lässt, zeigt nun aber eine Studie der Universität Zürich.
Die Grundlage für die Untersuchung der Sozialwissenschaftler Katja Rost, Lea Stahel und Bruno S. Frey ist die deutsche Online-Plattform OpenPetition. Insgesamt wurden rund 530.000 Kommentare analysiert, die Nutzer bei 1.612 Petitionen zwischen den Jahren 2010 und 2013 abgaben. Um die Aggressivität in den Kommentaren zu messen, verwendeten die Forscher eine Liste mit rund 1.400 Schimpfwörtern und entsprechenden Synonymen.
Nach der Auswertung lautet nun das Resultat: In etwa 20 Prozent der Kommentare befinden sich aggressive Wörter. Dass anonyme Nutzer aggressiver kommentieren, lässt sich dabei nicht beobachten. Stattdessen ist das Gegenteil der Fall. Wer mit Klarnamen kommentiert, nutzt häufiger Schimpfwörter.
Entscheidend ist die Haltung der Nutzer
Angesichts der Datenlage ist nach Ansicht der Forscher die Haltung entscheidend: Wer für ein höheres moralisches Prinzip eintritt – indem er etwa Gerechtigkeit einfordert –, braucht keine Anonymität, um aggressiv zu kommentieren. Solche Nutzer würden stattdessen bewusst mit dem echten Namen in den sozialen Netzwerken auftreten, um authentischer zu wirken. Das verschaffe dann mehr Überzeugungskraft, sodass sich andere Nutzer leichter mobilisieren lassen.
Klarnamen-Pflicht wird Online-Aggressionen nicht verhindern
Das Fazit der Forscher ist daher: „Die regelmäßig geforderte Abschaffung der Online-Anonymität und die Einführung einer Klarnamen-Regel wird Online-Aggressionen nicht zwangsweise verhindern.“ Bestätigt würden damit auch bisherige Erfahrungen. Südkorea hat etwa im Jahr 2007 ein Klarnamen-Gesetz eingeführt. In der Praxis führte das aber nur dazu, dass lediglich bestimmte Nutzergruppen weniger aggressiv vorgingen.
Die Studie ist allerdings in erster Linie geeignet, um einen allgemeinen Trend zu erkennen. Indem etwa nur nach bestimmten Wörtern gesucht wurde, lassen sich Nuancen in den Kommentaren nicht analysieren. Ebenso wenig sind präzise Aussagen über einzelne Kommentare und Nutzer möglich, weil dafür die Informationen fehlen.
Neben zahlreichen Politikern fordern mittlerweile auch einige soziale Netzwerke, dass die Nutzer sich stets mit dem echten Namen anmelden sollen. Allen voran ist dabei Facebook, der Branchenprimus sperrt sogar Konten, wenn Nutzer sich weigern, den echten Namen anzugeben. Das Vorgehen ist äußerst umstritten: Zu den Kritikern zählen neben Daten- und Verbraucherschützern auch zahlreiche Nutzer.