Titanfall 2 im Test: Im zweiten Anlauf gelingt der Start
2/4Schon alleine ein Highlight
Einzelespieler-Modi großer, überwiegend online gespielter Shooterserien sind oftmals lediglich ein nettes Anhängsel. In Titanfall 2 ist das nicht der Fall. Stattdessen wartet der Shooter mit einem kurzen, aber hochgradig unterhaltsamen Highlight auf.
Ein Grund dafür ist ein vernünftig umgesetztes Konzept, dessen Schwerpunkte im Blick behalten werden. Die Story spielt deshalb nur eine Nebenrolle und wird schlicht gehalten. Der Kampf des Jack Cooper mit seinem Mech auf einem Planeten braucht nicht viel Erzählzeit, er ist größtenteils selbsterklärend. Dabei hilft, dass der Konflikt zwischen brutalem Megakonzern und Freiheitskämpfern im Weltall ein bekanntes (Sci-Fi-)Szenario ist, das keine ausführlichen Zusatzinformationen nötig macht. So wird die Handlung zwar vorhersehbar, aber nur dezent präsentiert und nicht übermäßig wichtig genommen. Sie fällt nicht negativ auf, stört nicht beim Spielen und hat Anfang, Mitte sowie ein Ende – keine Selbstverständlichkeit.
Das Gameplay im Rampenlicht
Im Rampenlicht steht vielmehr das Spielgeschehen, was die Kampagne zu hervorragender Werbung für das Alleinstellungsmerkmal der Marke macht, also das, was Piloten von gewöhnlichen Fußsoldaten unterscheidet: Die Bewegungsmöglichkeiten mit Doppelsprung, Wallruns und die großen Roboter-Kumpane. Das wird schon vor dem eigentlichen Spielstart in einem Tutorial deutlich, das die Bewegungsoptionen im Kleinen demonstriert und in einer endlosen Schleife gegen die Zeit inklusive einer fordernden Rangliste üben lässt. Wer hier ein paar Minuten investiert, kann das Folgende umso mehr genießen, weil für die gezeigten Mechaniken atemberaubende Spielwiesen geschaffen wurden. Und ein Wallrun ohnehin die schnellste Möglichkeit zum Durchqueren einer Karte ist.
Die Steuerung der Akrobatikmanöver geht noch immer so flüssig von der Hand wie im ersten Teil, ergänzt lediglich um die Option auf Knien zu rutschen. Von Wand zu Wand zu springen, Gegner aus untypischen Richtungen heraus über scheinbar weit entfernte Plattformen heraus anzugreifen oder mitten in der Luft präzise aufs Korn zu nehmen, schafft noch immer ein enorm befriedigendes Gefühl der Macht und des Könnens, das der Shooter permanent zu produzieren weiß. Die Steuerung verzeiht nun eher mehr Fehler, das Leveldesign ebenso. Matrix-artige Bewegung geht auch Einsteigern mit etwas Übung gut von der Hand. Große Explosionen gibt es daher aus gutem Grund nicht: Das Gameplay ersetzt solche Stilmittel viel unterhaltsamer.
Titanen als Kontrast
Der Wechsel zum Titanen schafft dabei exzellente Kontraste: Statt agil, aber fragil mit Soldaten zu spielen, vermittelt der Blick aus dem Cockpit eines behäbigen Riesenroboters eine ganz andere Perspektive. Aufgrund ihrer Feuerkraft sind nur andere Titanen eine echte Bedrohung.; das behäbige Stapfen erweist sich als wunderbarer Ruhepunkt. Schön ist auch, dass Spieler nicht immer in das Cockpit gezwungen werden; C3PO tritt bei Abwesenheit seines Herren treu in dessen Fußstapfen und nimmt selbstständig Gegner aufs Korn. Die groß angekündigte Beziehung zwischen Herr und Hund hat allerdings nur eine Randrolle, weil das Spiel selbst im Vordergrund steht. Die auswahlbewerten Dialoge überzeugen dank einer Prise Robo-Humor und kalter Maschinenlogik situativ allerdings und untermalen das Geschehen treffend – für alles andere fehlt es an Zeit auf der Bühne.
Überdeutlich wird an vielen Stellen zudem, dass Respawn genau weiß, welches Spielelement wie lange trägt. Die Sensation der neue Bewegungsmöglichkeiten wird abgelöst durch offene Level, die verschiedene Kampfstile und Vorgehensweisen ermöglichen, die wiederum abgelöst werden durch Passagen, die in normalen Spielen – und durch Soldaten des Megakonzerns – nie zu durchqueren wären. Dass viele Einfälle keiner dauerhaft tragenden Charakter haben, wird an keiner Stelle zu einem Verlust, weil nie die Probe aufs Exempel gemacht wird. Bevor ein Einfall durch ausufernde Wiederholung zur Norm und damit langweilig werden kann, wird er abgelöst und mit einer weiteren Idee modifiziert oder ersetzt. Bis zum großen Finale verliert Titanfall 2 dank eines reichhaltig sprudelnden Ideenschatzes zu keinem Zeitpunkt an Faszination.
Ein Schnurrbart für den Boss
Ein guter Teil dieser Faszination entspringt auch dem Leveldesign. Offene Areale sind zwar mittlerweile eine Art Standard, aber nur selten gekonnt umgesetzt. In Titanfall 2 erlauben sie Nah- und Fernkampf und können oft auf mehrere Arten durchquert werden, die normalerweise unmöglich wären. Das Gefühl, tatsächlich ein besonderer Soldat zu sein, führt zu nahtloser Freude über erfolgreiche Manöver aus der Luft heraus oder einem Erfolg nach überraschender Flankierung, die sich kaum abnutzen will.
Die KI spielt hier brav mit, weil sie sich ein wenig zu sehr auf die letzte Position des Spielers versteift und Deckungsfeuer legt. Nur grundsätzlich zahnlos sind die Schergen des Megakonzerns nicht. Empfehlenswert ist jedoch mindestens der Schwierigkeitsgrad „schwer“, weil der Shooter durch die größere Gegenwehr stärker zum Ausnutzen seiner Besonderheiten motiviert, die gerade das spaßtreibende Element sind.
Nach fünf Stunden ist der Spaß vorbei
Das einzige echte Manko der Kampagne sind die einfallslosen Bosskämpfe mit stereotypen Schurken in ihren Titanen, denen lediglich ein Schnurrbart zum zwirbeln (nicht aber der deutsche Akzent) fehlt – sie sind schnell lästige Pflicht, um wieder zur spaßigen Teil des Shooters übergehen zu können. So betrachtet hat Titanfall 2 eigentlich alles, was einen klassischen Shooter ausmacht: Schnelles Gameplay, Highlights im Leveldesign, reichhaltige Ideen und eine rahmende, unaufdringliche Erzählung. Was Titanfall 2 für reine Solisten eine Empfehlung verwehrt, ist in Relation zum Kaufpreis lediglich die kurze Spieldauer von rund fünf Stunden.