Titanfall 2 im Test: Im zweiten Anlauf gelingt der Start
3/4Online weiter überzeugend
Diesen Gegenwert schafft erst der Mehrspielermodus, wenngleich der Umstieg von der Kampagne in einer Art Kulturschock resultiert, der durch das Fehlen eines separaten Tutorials verstärkt wird. Mit Ausnahme der Pilotenbewegungen, Titanen und grundsätzlichen Mechaniken haben die Online-Duelle vieles nicht mit dem Gemein, was Respawn zuvor gezeigt hat.
Das beginnt bereits bei der Progression, die bemerkenswert wenig intuitiv ist. Levelaufstiege werden nicht über Erfahrungspunkte, sondern über „Verdienste“ erworben, die wiederum durch das Abschließen von Matches sowie das Leveln von einzelnen Waffen und Titanen gesammelt werden. Auf welche Weise, ist unklar, vermutlich sind erzielte Punkte die Grundlage. Das ist auf den zweiten Blick vorteilhaft: Weil Aufstiege mit Waffen ab Stufe vier oder fünf zunehmend länger dauern, ermutigt der Shooter so, auch einmal andere Optionen zu erkunden. Neu sind außerdem eine Art Clan-System sowie die Möglichkeit, „Fraktionen“ aus dem Titanfall-Universum zu leveln. Das dient mutmaßlich wie die Rücksetzung von Fortschritt für Waffen und Spieler zum Freischalten von Skins.
Mehr Vielfalt, mehr Verpackung
In diesem Punkt war Titanfall 1 klar besser, weil die permanente Belohnungsüberflutung auf ein Minimum beschränkt blieb. Zusammen mit unnützem Füllmaterial halten immerhin neue taktische Optionen Einzug. Mehr Waffen und eine Anzahl neue Perks, darunter ein praktischer Greifhaken zum schnelleren Durchqueren der Karten, erlauben größere Variation und erlauben stärker abweichende Spielstile.
Markenzeichen von Titanfall bleibt wie gehabt der Kampf zwischen zwei Fraktionen auf einem großen Schlachtfeld, das von Piloten und computergesteuertem Kanonenfutter gefüllt wird und auf diese Weise einerseits die Rolle des übermächtigen Elitekriegers auch bei schwächeren Spielern am Leben erhält, andererseits echtes Schlachtengewusel erzeugt – hier tragen Halbgötter einen Konflikt zwischen Normalsterblichen aus. Weil das im Vorgänger aufgrund der nicht immer klaren Unterscheidung von KI-Soldat und fiesem Piloten nicht jedem Geschmack entsprochen hat, besteht aber nach wie vor die Option, auf reine Versus-Modi auszuweichen. Spaß machen die reinen Piloten- oder Titanenduelle aber wie gehabt nur bedingt.
Zwei neue Spielmodi
Neu sind zwei Spielmodi. In „Kopfgeld“-Matches erscheinen unterschiedliche Computergegner in Wellen an ein oder zwei Punkten der Karte. Ziel ist es, durch den Abschuss dieser „neutralen“ Fraktion als erstes Team genug Geld zu sammeln. Geld wird dem Konto aber erst gutgeschrieben, wenn es an „Bankpunkten“ zwischen zwei Wellen eingezahlt wird. Das gibt dem Team, das beim Kampf um Spawnpunkte unterlegen war, noch eine Chance auf ein Comeback, weil der Tod mit der Halbierung des mitgeführten Bargeldes einhergeht. So entstehen ebenso spannende Duelle wie im Kolloseum. Hier treten allerdings nur zwei Spieler auf engstem Raum gegeneinander an; Gekämpft wird – gegen eine Eintrittsgebühr – um eine Skinkiste. Auch das erzeugt naturgemäß packende Duelle und ein bisschen Drama, Baby!
Spielerisch hat sich der Shooter kaum verändert. Das Gameplay bleibt eine Art verfeinertes Call of Duty, ist also schnell und actionreich ohne jeden Anschein von Realismus, bietet aber auch eine Menge Gelegenheit, Fähigkeiten vorzuführen. Der Steuerung gelingt dabei der Spagat zwischen einer gewissen Fehlertoleranz für Einsteiger und der nötigen Übung für komplexere Manöver. Schnelle Regeneration von Lebenspunkten und schnelle Bewegungen produzieren wie im Vorbild atemlose Hektik, die erst mit dem (oft schnellen) Tod endet.
Neue Rollen für Titanen
Spaß macht das wie schon im ersten Teil. Die vielfältigen Möglichkeiten, ein Gefecht zu drehen, beispielsweise Verfolger durch eine Tür in ein Treppenhaus zu führen und dann durch Wallruns zu überraschen, zaubert auch nach Stunden noch ein zufriedenes Grinsen ins Gesicht. Zu Gute kommt der Unterhaltung, dass das Kartendesign auch online qualitativ überzeugt und sowohl Piloten als auch Titanen gleichermaßen eine Spielwiese bietet. Die mächtigen Roboter werden bisweilen aber etwas zu oft gerufen, sie treten sich in diesem Fall auf den Füßen herum.
Auch der flüssige Übergang zwischen langsamer Todesmaschine und ungeschützem Piloten bleibt nach Stunden noch immer ein weiterer Spaßfaktor. Dass die nunmehr sechs Titanen nur noch hinsichtlich ihrer Zusatzfertigkeiten ein wenig konfiguriert werden können, schafft eine gewisse Übersichtlichkeit auf dem Schlachtfeld und erleichtert die Orientierung. Im gleichen Zuge hat sich ihre Rolle an sich geändert. Mangels Energieschild sind die Mechs stärker nur ein Powerup mit begrenzter Lebensdauer. Das Gefühl von Macht geht also nicht einher mit dem von Unverwundbarkeit – im Gegenteil führt blindes Voranstürmen zum schnellen Tod.
Planbarkeit statt Burn Cards
Die taktischere Dimension des Shooters manifestiert sich auch durch den Entfall der „Burn Cards“. Statt Boni zuvor zufällig beim Levelaufstieg zu verteilen, gibt es nun feste Perks, die ähnlich wie Titanen von Zeit zu Zeit gerufen werden können. Dass darunter auch die Smart Pistol, eine Pistole mit automatischer Zielfunktion, ist, verbessert das Balancing. Grundsätzlich erleichtert das neue System die überlegte Zusammenstellung von Ausrüstung, die auf Rollen oder Stile zugeschnitten ist. Trotz dieser neuen Tiefendimension wird aus Titanfall aber kein taktischer Shooter, der Titel lebt weiterhin stark von Momententscheidungen.