Gerichtsurteil: Facebook muss Hassbeiträge nicht vorab löschen
Facebook muss Hasskommentare und Fake News nicht vorab löschen, hat heute das Landgericht Würzburg entschieden. Strittig ist aber noch, wie das soziale Netzwerk reagieren muss, wenn es bereits Hinweis auf rechtswidrige Beiträge erhalten hat.
Einstweilige Verfügung abgelehnt
Bei dem Verfahren ging es um eine einstweilige Verfügung, die der Anwalt des syrischen Flüchtlings Anas Modamani beantragt hatte. 2015 war Modamani auf einem Selfie mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu sehen, später kursierten dann vor allem auf rechten Seiten Fotomontagen, auf denen er als Terrorist verunglimpft und mit diversen Terroranschlägen in Verbindung gebraucht wurde – was frei erfunden war. Gegen solche verleumderischen Falschmeldungen will er sich nun auch juristisch wehren.
Das Ziel der Klage ist: Facebook soll nicht nur den ursprünglichen Beitrag löschen, sondern auch die hundertfach geteilten Inhalte aus dem sozialen Netzwerk entfernen.
Kernfrage: Wie weit muss Facebook gehen, wenn illegale Inhalte gemeldet werden?
Die einstweilige Verfügung hat das Landgericht Würzburg nun aber zurückgewiesen (Az.: 11 O 2338/16). Facebook sei „weder Täter noch Teilnehmer der hier unstreitigen Verleumdungen“, die Inhalte stammen von Nutzern. Als Host-Provider sei Facebook erst nach Hinweisen für die Inhalte verantwortlich. Die Kernfrage ist nun aber: Was muss ein Plattformbetreiber wie Facebook machen, wenn illegale Inhalte gemeldet werden?
Dafür hat auch das Landgericht Würzburg noch keine Antwort, wie aus der offiziellen Mitteilung (PDF) hervorgeht. Laut der E-Commerce-Richtlinie der EU ist ein Host-Provider zunächst nicht verpflichtet, „proaktiv“ nach Inhalten zu suchen, die möglicherweise rechtswidrig sind. Ausnahmen kann es nach Ansicht des Richters allerdings bei schweren Persönlichkeitsverletzungen wie im aktuellen Fall geben. Sofern das zutrifft, könnte Facebook sich dann nicht mehr darauf berufen, dass der Kläger jeden geteilten Beitrag selbst melden muss.
An dieser Stelle regiert allerdings der Konjunktiv. Denn eine solche Ausnahme hat der Bundesgerichtshof (BGH) nur bejaht, wenn es „technisch ohne zu großen Aufwand realisierbar und damit zumutbar sei“. Das ist auch der Punkt, an dem Facebook ansetzt. Während der Verhandlung hatten die Vertreter des Konzerns erklärt, eine „proaktive“-Suche ließe sich nur mit einer „Wundermaschine“ umsetzen. Technisch wäre das also nicht ohne Weiteres machbar. Modamanis Anwalt Chan-jo Jun bezweifelt aber, ob das tatsächlich der Fall ist.
Abschließendes Urteil folgt später
Selbst wenn die einstweilige Verfügung zurückgewiesen wurde, dauert es aber noch, bis ein abschließendes Urteil kommt. So erklärt das Landgericht Würzburg: „Diese Frage sei zwischen den Parteien streitig und letztlich in einem Eilverfahren nicht aufklärbar.“ Das wäre dann die Aufgabe für das Hauptsacheverfahren.
Nicht völlig unzufrieden bewerte (PDF) daher auch der Anwalt Chan-jo Jun das Urteil: „Wir sehen daher die heutige Entscheidung nicht nur als Niederlage, sondern auch als Chance in diesem bisher zu wenig von der Rechtsprechung beleuchteten Bereich.“ Noch liegt die Urteilsbegründung nicht im Volltext vor. Zudem ist das Urteil nicht rechtskräftig. Es ist daher damit zu rechnen, dass Berufung eingelegt wird.
Urteil als Vorlage für die Politik
Jun selbst bezeichnet das Urteil zudem noch als Vorlage für die Politik, da der Rechtsstreit einige bislang ungeklärte Punkte offengelegt habe. Für Betroffene sei es immer noch äußert schwierig, verleumderische Beiträge löschen zu lassen. Unter anderem fordert er daher, die sozialen Netzwerke müssten Beiträge, die das Persönlichkeitsrecht verletzen, binnen 24 Stunden löschen oder sperren. Wird die Frist nicht eingehalten, sollte es Bußgelder geben.
Über entsprechende Maßnahmen diskutiert die Bundesregierung bereits, noch existiert aber keine klare Linie. Ein konkreter Gesetzentwurf liegt ebenfalls noch nicht vor.