Reporter ohne Grenzen: Verfassungsbeschwerde wegen BND-Überwachung
Dass der Bundesnachrichtendienst (BND) den globalen E-Mail-Verkehr massenhaft überwacht und dabei auch nicht rechtmäßige Ziele erfasst, ist seit geraumer Zeit ein Vorwurf von Reporter ohne Grenzen. Nun folgt die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, weil die Organisation davon ausgeht, auch selbst betroffen zu sein.
Nun hat die Klage noch nichts mit dem neuen BND-Gesetz zu tun, sondern bezieht sich auf die strategische Fernmeldeaufklärung des BND im Jahr 2013. Den verfügbaren Informationen nach geht Reporter ohne Grenzen davon aus, dass der BND bei der Überwachung des E-Mail-Verkehrs mit bestimmten Suchkriterien auch die Organisation erfasst hat. Und das wäre weder verhältnismäßig, noch vom G10-Gesetz gedeckt.
Reporter ohne Grenzen scheiterte mit erster Klage
„Die Massenüberwachung durch den BND stellt den journalistischen Quellenschutz und damit einen Grundpfeiler der Pressefreiheit in Frage“, erklärt Matthias Spielkamp, Vorstandsmitglied bei Reporter ohne Grenzen. Und das gelte nicht nur für Deutschland, sondern auch für Journalisten aus autoritären Staaten wie Usbekistan, Aserbaidschan oder China, für die Reporter ohne Grenzen ein wichtiger Ansprechpartner sei.
Das Problem ist nun laut Spielkamp: „Die bisherige Rechtsprechung verweigert den Betroffenen einen wirksamen Rechtsschutz gegen diese weitreichende Überwachungspraxis.“ Gemeint ist damit ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig vom Dezember, das dieselbe Klage bereits abgewiesen hat (AZ: 6 A 2.15). Der Grund: Reporter ohne Grenzen konnte nicht nachweisen, dass man tatsächlich von den Überwachungsprogrammen des BND erfasst wurde.
Das ist allerdings nicht ohne Weiteres möglich. Denn die Klage bezieht sich auf das Jahr 2013, weil die Details zu den Überwachungsaktivitäten in diesem Jahr erst im Januar 2015 veröffentlicht wurden. Da hatte das für die BND-Aufsicht zuständige Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags den Jahresbericht vorgelegt.
Mögliche Rechtsverstöße lassen sich derzeit nicht ermitteln
Nicht in diesem Bericht steht aber, ob der BND auch E-Mails von Reporter ohne Grenzen erfasst hat. Denn der Bericht enthält keine personenbezogenen Informationen, die der BND bei der Überwachung erhoben und später wieder aussortiert hat. Solche Daten werden zwar dokumentiert, die Protokolle muss der BND laut G10-Gesetz aber schon am Ende des Folgejahres löschen – also bevor der Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums veröffentlicht wurde. Eventuelle Rechtsverstöße würden sich damit dann nicht mehr nachweisen lassen.
Deswegen richtet sich die Klage von Reporter ohne Grenzen auch mittelbar gegen diese Passage im G10-Gesetz. Denn das Bundesverwaltungsgericht hatte zuvor argumentiert, selbst wenn es einen Verstoß gegen die Grundrechte gegeben habe, sei er durch die Löschung „folgenlos beseitigt“. Für Reporter ohne Grenzen ist das nicht plausibel: „Gemäß dieser Argumentation gäbe es jedoch faktisch keinen Rechtsschutz gegen die meisten Überwachungsmaßnahmen nach dem G-10-Gesetz.“
Weitere Verfahren gegen BND-Überwachung
Von der aktuellen Klage abgesehen hat Reporter ohne Grenzen zusammen mit anderen Gruppen noch eine Verfassungsbeschwerde gegen das neue BND-Gesetz eingereicht. Außerdem läuft vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig noch ein Verfahren, das sich mit der BND-Datenbank „VerAS“ (Verkehrsanalysesystem) befasst. Dort speichert der Geheimdienst die bei der ausländischen Überwachung anfallenden Metadaten und wertet diese aus, es ist also eine Art Vorratsdatenspeicherung.
Für Reporter ohne Grenzen ist das Vorgehen rechtswidrig, weil die Datenbank unter anderem den journalistischen Quellenschutz untergräbt. Im Vergleich zur E-Mail-Überwachung wurde diese Klage vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig auch nicht abgewiesen. Bei der Verhandlung im Dezember hatten die Richter einige Nachfragen zu VerAS, wobei die Vertreter des BND bei den Antworten keine gute Figur abgaben, wie es etwa in einem Prozessbericht von Heise Online heißt.
Zuletzt meldete zudem noch der Spiegel, dass der BND weltweit Journalisten überwacht hat. Betroffen waren demnach mindestens 50 Telefon- und Faxnummern sowie die E-Mail-Adressen von Journalisten und Redaktionen, darunter die britische BBC, die Nachrichtenagentur Reuters und die New York Times. Mit den Vorfällen befasst sich die aktuelle Verfassungsbeschwerde von Reporter Ohne Grenzen aber nicht.