80Plus Gold ab 60 Euro im Test: be quiet!, BoostBoxx, Corsair und NZXT im Schlagabtausch

Nico Schleippmann
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80Plus Gold ab 60 Euro im Test: be quiet!, BoostBoxx, Corsair und NZXT im Schlagabtausch

tl;dr: Schon für 60 Euro gibt es hocheffiziente 600 W Ausgangsleistung von BoostBoxx. be quiet!, Corsair und NZXT rechtfertigen höhere Preise mit hochwertigeren Komponenten, modularen Kabeln, einem leiseren Betrieb, vollständigen Schutzschaltungen und dem Anbieten einer Herstellergarantie. Im Test ist das den Aufpreis wert.

80Plus Gold für 60 bis 110 Euro

80Plus-Gold-Netzteile gibt es in jeglicher Ausstattungsvariante. Die vier getesteten Modelle sind nach eben diesem Wirkungsgrad zertifiziert, aber jeweils in ihren weiteren Eigenschaften individuell. Den günstigsten Einstieg definiert der deutsche Hersteller für Gaming-Systeme BoostBoxx mit dem Power Boost 600W, das mit einem Einzelhandelspreis von 60 Euro aber auf ein modulares Kabelmanagement verzichten muss. be quiet! wertet die Pure-Power-Serie von einem Wirkungsgrad nach 80Plus Silber auf nun 80Plus Gold auf. Corsair erneuert das knapp drei Jahre alte RM550x, das in erster Linie günstiger wird, ohne dass Performance oder Qualität beeinträchtigt werden soll. NZXT möchte sich im Netzteilmarkt profilieren, indem die Diagnose- und Steuerungssoftware CAM nun auch mit dem Netzteil kommunizieren kann.

Bekannte Technik neu aufgewärmt

Die technischen Plattformen aller vier Testmodelle sind bereits aus früheren Tests bekannt, wodurch der Entwicklungsaufwand und die Ausfallrisiken verringert werden können. Während be quiet! und Corsair mit Hilfe ihres eigenen Entwicklerteams Anpassungen auf ihre Bedürfnisse selbst koordinieren, müssen BoostBoxx und NZXT dem Wohlwollen der Auftragsfertiger vertrauen.

Die Details zu der Testmethodik, der eingesetzten Teststation, den elektrischen Messungen und den Schalldruckpegelmessungen sind auch in diesem Fall im Artikel „So testet ComputerBase Netzteile“ separat nachzulesen. Eine ständig aktualisierte Übersicht empfehlenswerter Netzteile bietet die Netzteil-Rangliste mit Bestenliste.

Technische Eckdaten im Vergleich

Die einzige Spezifikation, die für alle vier Testmodelle identisch ist, ist die Wirkungsgradzertifizierung nach 80Plus Gold. Demnach wird mindestens eine Effizienz von 90 % bei Halblast versprochen, wenn eine Eingangsspannung von 115 Volt anliegt. Bei Betrieb im heimischen 230-Volt-Netz kann ein noch besserer Wirkungsgrad erwartet werden.

Grundsätzliche Unterschiede gibt es in der Konfiguration der Kabelausstattung. Das Kabelset von Corsair und NZXT lässt sich komplett vom Netzteil abnehmen. Beim be-quiet!-Netzteil muss auf eine Modularität des 24-Pin-ATX- und 8-Pin-EPS-Anschlusses verzichtet werden, bei BoostBoxx sogar komplett auf ein modulares Kabelmanagement. Mit dem Verzicht auf abnehmbare Kabel wurde allerdings ein besonders kompaktes Gehäuse mit einer Tiefe von nur 140 mm ermöglicht. Mit 160 mm sind das Pure Power 11 500W CM und das RM550x am tiefsten. Corsair hat den zusätzlichen Platz aber dafür genutzt, einen mit 135 mm Kantenlänge größeren Lüfter zu verbauen, während die drei anderen Hersteller auf 120-mm-Ventilatoren setzen.

Hersteller be quiet! BoostBoxx Corsair NZXT
Modell Pure Power 11 500W CM Power Boost 600W RM550x (2018) E500
80Plus 80Plus Gold
Lüfter 120 mm 135 mm 120 mm
Einbautiefe 160 mm 140 mm 160 mm 150 mm
AC Eingang Spannung 100 ‑ 240 V
DC Ausgang +3,3 V 24 A 20 A 25 A 20 A
+5,0 V 15 A 20 A 25 A 20 A
+12 V1 28 A 49 A 45,8 A 41 A
+12 V2 20 A
-12,0 V 0,3 A 0,8 A 0,3 A
+5 VSB 3 A 2,5 A 3 A
+3,3 V & +5 V ges. 120 W 110 W 130 W 100 W
+12 V ges. 480 W 588 W 550 W 492 W
Gesamtleistung 500 W 600 W 550 W 500 W

Schutzschaltungen werden für alle vier Testmuster als vollständig dokumentiert. Die Angabe des Überhitzungsschutzes des Power Boost 600W stellt sich aber als fehlerhaft heraus, da selbiger fast immer einer extra Implementierung bedarf, die hier nicht vorgenommen wurde.

Dokumentierte Schutzschaltungen
Pure Power 11 500W CM Power Boost 600W RM550x (2018) E500
Unterspannungsschutz (UVP) ja
Überspannungsschutz (OVP) ja
Kurzschlusssicherung (SCP) ja
Überlastschutz (OPP) ja
Überstromschutz (OCP) ja
Überhitzungsschutz (OTP) ja ja* ja
* Fehlerhafte Angabe

Garantiebedingungen

Die Garantieleistungen sind von den beiden Marktführern be quiet! und Corsair am großzügigsten. Da es einen Service-Standort in Deutschland gibt, kann von einem schnellen Austausch profitiert werden. Für das Power Boost 600W kann keine Angabe zu einer Herstellergarantie gefunden werden, für Kunden in Deutschland bleibt also nur die Inanspruchnahme der zweijährigen Gewährleistung, mit der der Händler gegenüber dem Kunden verpflichtet ist. Da BoostBoxx das Netzteil in Deutschland direkt vertreibt, kann aber auf einen schnellen Umtausch gehofft werden. Der US-amerikanische Hersteller NZXT bietet eine Garantie auf freiwilliger Basis an, verweist jedoch für einen Umtausch auf den Händler beziehungsweise den Distributor Caseking. Erst wenn dieser Weg keinen Erfolg zeigt, schreitet der Hersteller zur Hilfestellung direkt ein. Bei Corsair gibt's einen besonders schnellen Vor-Ort-Austausch, sofern als Sicherheit Kreditkartendaten hinterlegt werden. Innerhalb des Garantiezeitraums besteht auch die Möglichkeit der Rücksendung über den Händler, allerdings kann dies eine deutlich längere Bearbeitungszeit nach sich ziehen.

Garantiedauer von fünf bis zehn Jahren

Quantitativ ist die Herstellergarantie von Corsair und NZXT mit zehn Jahren der fünfjährigen Garantie von be quiet! überlegen. Da die meisten Ausfälle von Elektronikprodukten innerhalb der ersten Wochen und Monate auftreten, ist eine zweistellige Garantielänge aber weniger bedeutsam.

Lieferumfang und Äußeres

Im Lieferumfang beschränken sich die vier Testprobanden auf die wesentlichen Beigaben. BoostBoxx und NZXT geben lediglich ein Kaltgerätekabel, Schrauben und eine Kurzanleitung bei, be quiet! und Corsair spendieren immerhin zusätzlich Kabelbinder. Einsparungen werden auch an der Pulverlackierung deutlich, die bei be quiet!, Corsair und NZXT hochwertiger wirken. Die Gehäusestärke von be quiet! und Corsair ist außerdem dicker, was mit einer robusteren Haptik einhergeht.

Nach wie vor setzt be quiet! farbliche Akzente mit dem orangefarbenen Ring des Lufteinlasses. Das gelbe Emblem auf dem BoostBoxx-Luftgitter ist in dieser Hinsicht dezenter. Corsair und NZXT vertrauen hingegen auf vollständige Farbneutralität, die in Zeiten von RGB-Beleuchtung ein stimmigeres Gesamtbild ergeben kann.

NZXT CAM – Software mit Steuer- und Auslesefunktionen

NZXT möchte mit der eigenen Software CAM eine Schaltzentrale anbieten, mit der sämtliche Hardware-Komponenten überwacht und benutzerdefinierte Anpassungen vorgenommen werden können. Sofern ein E-Serie-Netzteil über USB mit dem System verbunden ist, wird in der Software ein extra Reiter für das Netzteil angezeigt, in dem Messdaten der Ausgangsschienen enthalten sind. Indem Ströme und Spannungen des EPS- und PCIe-Anschlusses separat gemessen werden, kann der zeitliche Verlauf der darüber aufgenommenen Leistung abgelesen werden. Der Vergleich der Auslesewerte mit denen einer Multimeter-Spannungs- und Strommessung per Stromzange legt eine hohe Genauigkeit offen, weil sich Differenzen auf nur 1 W beschränken. Des Weiteren kann ausgelesen werden, wie lange das Netzteil aktiv ist und wie heiß seine Komponenten werden. Es wird nicht genau spezifiziert, welche Temperatur erfasst wird, aber es ist davon auszugehen, dass damit die Temperatur an den Synchrongleichrichtern gemeint ist, wonach auch der Lüfter gesteuert wird.

Die Steuerung des Netzteillüfters wurde in einen Tab ausgelagert, in dem alle anderen Systemlüfter gesteuert werden können. Neben dem voreingestellten Semipassiv-Profil „Silent“ erlaubt die Anwendung außerdem einen Wechsel auf ein Profil im Aktiv-, Performance- und benutzerdefinierten Modus. Bei Volllast kann die Drehzahl nicht weiter gesenkt werden – als unterer Grenzwert gilt somit immer das voreingestellte Semipassiv-Profil.

Anpassung der Überstromsicherung als Spielerei

Werkseitig ist der Überstromschutz der 12-Volt-Schiene als Single-Rail weitestgehend ausgehebelt. Möchte der Nutzer niedrigere Auslöseschwellen für eine höhere Sicherheit, muss die Multi-Rail-OCP zunächst angeschaltet werden. Erst dann können Auslösewerte zwischen 30 bis 40 und 20 bis 40 A für die EPS- beziehungsweise PCIe-Leitung eingestellt werden. Für maximale Sicherheit sollte die Einstellung auf einen Wert knapp oberhalb des maximalen Stromes bei Vollauslastung der entsprechenden Komponente gesetzt werden. Eine Auslösung des Überstromschutzes erfolgt mit dem eingestellten Grenzwert; mit einem Neustart des Systems wird die Einstellung aber verworfen, wodurch der zusätzliche Schutz ausgehebelt wird und ein weiterhin existierender Kurzschluss im schlimmsten Fall durchbrennen kann. Dieses nicht zufriedenstellende Verhalten wird auch softwareseitig schlecht behandelt, weil nach Bild 28 in der Bildergalerie nach einem Neustart die Multi-Rail-Einstellung weiterhin gesetzt ist, eine Auslösung aber nicht stattfindet – die Multi-Rail-Konfiguration muss also manuell neu angewandt werden, damit sie mit dem Netzteil synchronisiert wird. Aus diesem Grund kann die Multi-Rail-Absicherung als eine Spielerei erachtet werden. Hätte die Sicherheit ernsthaft verbessert werden sollen, wäre eine scharfe Absicherung der anderen Leitungen zu priorisieren, weil Kurzschlüsse abseits des Extrem-Übertaktens eher auf den empfindlicheren Peripherie-Anschlüssen auftreten, die bei Single-Rail-Netzteilen schlechter geschützt sind.

Kabelausstattung

Mit der höheren Ausgangsleistung von 600 Watt des Power Boost 600W werden für Multi-GPU-Systeme vier PCIe-Stecker angeboten. Unter den vier Testmustern gibt es aber Unterschiede, wie die PCIe-Stecker bereitgestellt werden. Nur be quiet! bindet einen einzelnen Anschluss an einen Kabelstrang an, während BoostBoxx, Corsair und NZXT Y-Kabel verwenden, die bei Grafikkarten mit hoher Leistungsaufnahme höhere Verluste bedingen und eine geringere Spannung an die Grafikkarte abgeben. Corsair kompensiert diesen Nachteil, indem die Aderquerschnitte für diesen Kabelstrang auf 16 AWG erhöht werden. Die zahlreichsten SATA-Anschlüsse stellt das NZXT E500 bereit. Die höchste Flexibilität in der Kabelverlegung bietet aber das Pure Power 11 500W CM, weil die SATA-Stecker auf drei Kabelstränge verteilt sind. Die geringste Flexibilität erlaubt das Power Boost 600W, weil SATA- und 4-Pin-Molex-Stecker auf nur zwei Kabelstränge verteilt sind.

Kabelausstattung (Länge in cm) Pure Power 11 500W CM Power Boost 600W RM550x (2018) E500
nicht abnehmbar
24-Pin ATX 1 (54) 1 (59)
4+4-Pin EPS 1 (59) 1 (64)
6+2-Pin PCIe 4 (70 + 14)
SATA 6 (37 ‑ 81)
Molex 2 (73 ‑ 93)
abnehmbar
24-Pin ATX 1 (60)
4+4-Pin EPS 1 (64) 1 (65)
6+2-Pin PCIe 2 (50) 2 (60 + 15) 2 (68 + 8)
SATA 6 (51 ‑ 81) 6 (52 ‑ 75) 8 (50 ‑ 80)
Molex 3 (56 ‑ 81) 4 (45 ‑ 74) 3 (50 ‑ 70)
FDD 1 (96)
4-Pin-Molex-auf-Floppy-Adapter 1 (10)

In den Kabellängen machen Corsair, BoostBoxx und NZXT eine bessere Figur, weil die 4+4-Pin-EPS-Leitung mindestens 64 cm misst. Dies erlaubt in den meisten Gehäusen die Kabelverlegung hinter dem Mainboardtray, auch wenn das Netzteil im Gehäuseboden montiert wird.

Eine vollständige Kabelummantelung ist lediglich beim Power Boost 600W vorzufinden. Die drei anderen Hersteller setzen auf eine Kombination von Sleeve-Ummantelungen und Flachbandkabeln. In den Enden der gesleevten Kabelstränge des RM550x versteckt Corsair Elkos, die für eine zusätzliche Filterung der Restwelligkeit sorgen. Das macht die ansonsten flexiblen Kabel an dieser Stelle steifer.