Amazon Kindle 2019 im Test: Der Einstiegs-Reader, der keiner mehr ist

 2/2
Michael Schäfer
52 Kommentare

Lesen auf dem Kindle

Amazon hat der Bibliothek des neuen Kindle einige neue Funktionen spendiert, die per Firmware-Update sukzessive auch auf anderen Kindle-Readern Einzug halten werden. So wird nun jedes beendete Buch automatisch als gelesen gekennzeichnet. Auch die Trefferquote der Buchempfehlungen aus der Bibliothek auf Grundlage der bisher gelesenen Inhalte soll noch einmal verbessert worden sein.

Gute Darstellung trotz geringer Auflösung

Ein unverändertes Bild dagegen zeigt die Schriftdarstellung, die wie von anderen Kindle-Geräten gewohnt auch auf dem neuen Sprössling gut ausfällt. Im direkten Vergleich zu einem Kindle Paperwhite oder Oasis sticht die geringere Auflösung dennoch direkt ins Auge. Dies darf jedoch nicht überbewertet werden, Texte sind wie beim Vorgänger weiterhin gut lesbar und die Rendering-Engine sucht nach wie vor ihresgleichen: Dank der eigenen Schrift Bookerly und dem wie gehabt exzellenten Schriftsatzsystem werden mittels des guten Kernings Texte mit einem ruhigen und harmonischen Abstand zwischen den einzelnen Zeichen dargestellt, was den Lesekomfort unterstützt.

Auf Wunsch gibt es Informationen zum Inhalt eines Buches
Auf Wunsch gibt es Informationen zum Inhalt eines Buches
Texteinstellungen beim Kindle 2019
Texteinstellungen beim Kindle 2019
Themen sorgen beim Kindle 2019 für das schnelle Laden von Einstellungen
Themen sorgen beim Kindle 2019 für das schnelle Laden von Einstellungen

In Sachen Geschwindigkeit des Seitenaufbaus steht der Kindle seinem großen Bruder Paperwhite ebenfalls in nichts nach. Amazon macht zwar keine genauen Angaben zur verwendeten technischen Basis, es ist aber davon auszugehen, dass der über eine Taktrate von 1 GHz verfügende Ein-Kern-Prozessor ebenfalls vom Vorgänger übernommen wurde. Der Seitenwechsel oder der Aufbau der Bibliothek erfolgt in gleicher Zeit wie beim Paperwhite, was jedoch nicht zuletzt der geringen Auflösung zuzurechnen ist.

Keine Schattenspiele

Ghosting spielt beim kleinen Kindle weiterhin keine Rolle, bei einem Seitenwechsel bleiben keine sichtbaren Fragmente der vorangegangenen Seiten übrig. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann in den Einstellungen eine Aktualisierung, also eine komplette Neuausrichtung aller Bildpunkte, für jede neue Seite einstellen. Dies zieht einen geringfügig höheren Stromverbrauch nach sich, was jedoch bei einer Akkulaufzeit von mehreren Wochen zu vernachlässigen ist. Die Geschwindigkeit des Neuaufbaus einer Seite wird nicht spürbar beeinträchtigt.

Bekannte Lese-Einstellungen

An Einstellungsmöglichkeiten erhalten Nutzer gewohnte Kost: So stehen diesen nach wie vor neun Schriftarten zur Verfügung, darunter der speziell für Menschen mit Leseschwäche konzipierte Font OpenDyslexic. Alle Schriften lassen sich in 14 verschiedenen Größen und zudem fünf Abstufungen der Textstärke anzeigen, daneben können der Abstand der Zeilen und der Ränder sowie die Ausrichtung des Textes inklusive Hoch- oder Querformat gewählt werden. Mit den beim letztjährigen Paperwhite eingeführten Themen lassen sich die vorgenommenen Einstellungen zur späteren Verwendung bequem abspeichern.

Hören auf dem Kindle

Eine Verbindung zu einem Bluetooth-Lautsprecher oder Kopfhörer ist über die Einstellungen schnell hergestellt. Bei der eigentlichen Hörbuchfunktion besteht dagegen nach wie vor Verbesserungsbedarf, was nicht unbedingt nur dem neuen Kindle, sondern auch Audible als Inhaltslieferant vorgehalten werden muss. So liefert Audible weiterhin viele der Hörbücher in einer großen Datei aus. Lediglich bei sehr langen, ungekürzten Inhalten, die nicht selten die 24 Stunden übersteigen, werden diese auf mehrere Dateien aufgeteilt. Auch eine Wahl der Audio-Qualität und damit ein indirekter Einfluss auf die Dateigröße ist nicht möglich. Dies ist beim vorliegenden E-Book-Reader in der Hinsicht nicht unwichtig, als dass Audible vor allem aufgrund seines Angebotes von exklusiven und ungekürzten Inhalten bei Hörbuchfreunden sehr beliebt ist. Diese weisen aber nicht selten eine Länge von 20 Stunden oder mehr auf – und damit eine Speichergröße, die auch mal 1 GB übersteigen kann. Bei einem verfügbaren Speicher von nicht einmal 3 GB auf dem Reader kann dies jedoch schnell zu einem Problem werden. Ein einfaches Reinhören in ein Audiobook im Urlaub wird somit schwierig. Einfacher wäre es, wenn Audible endlich dazu übergehen würde, entsprechende Inhalte generell in kleinere Häppchen aufzuteilen.

Kindle 2019 im Test
Kindle 2019 im Test

Einfacher Player

Die Software selbst ist recht spartanisch ausgestattet: Per Schieber kann innerhalb des jeweiligen Kapitels zu einer bestimmten Stelle gesprungen und über zwei weitere Schaltflächen in Abständen von 30 Sekunden vor- oder zurückgespult oder per Inhaltsverzeichnis zu einem bestimmten Kapitel navigiert werden. Ein Einstellen der Lautstärke und der Abspielgeschwindigkeit ist ebenso möglich – mehr Funktionen bietet der Player jedoch nicht.

Unschön ist dagegen, dass auch mit der neuen Software-Version die Hörbücher in der Bibliotheksübersicht ohne Cover angezeigt werden – etwas, was bereits im Test des letzten Paperwhite vor rund fünf Monaten kritisiert wurde. Gleiches gilt für das Einbinden von Inhalten separater Audible-Konten, die keine Verbindung zu einem Amazon-Konto aufweisen. Diese können zwar über die Familienbibliothek eingefügt werden, die mit diesem Konto erworbenen Hörbücher werden jedoch nicht übernommen.

Weitere Software-Ausstattung

Auch in Sachen Software ist Amazon den Mitbewerbern weiterhin eine Nasenlänge voraus. So lassen sich via X-Ray nach wie vor bei unterstützten Büchern Informationen über Figuren, Orte oder andere für den Inhalt relevante Themen aufrufen. Mit Wispersync können zuletzt gelesene Seiten, Lesezeichen und Notizen mit allen anderen Lesegeräten synchronisiert werden. Darüber hinaus lassen sich Bücher und Audible-Inhalte auf verschiedenen Geräten nahtlos fortsetzen: Auf dem Weg zur Arbeit im Auto das neueste Hörbuch weiterhören und abends im Bett genau an der Stelle, an der zuletzt aufgehört wurde, weiterlesen – oder umgekehrt. Dies funktioniert jedoch wie gewohnt nur bei über Amazon gekauften Inhalten.

Über „Word Wise“ können zudem via Karteikartensystem Vokabeln trainiert werden. Der VoiceView-Screenreader dagegen ist ein hilfreiches Mittel für Menschen mit Sehbehinderungen, das bei jedem Tipp auf einen Menüpunkt ein Audio-Feedback darüber gibt, welcher Bereich gewählt wurde. Erst ein Doppeltipp löst eine Aktion aus. Bisher ist die Funkion jedoch nur bei Verwendung der englischen Menüsprache verfügbar.

Kindle 2019 im Test
Kindle 2019 im Test

Fazit

Welches Ziel Amazon mit dem neuen Kindle verfolgt, erschließt sich im Test nicht. Der günstige Einstieg in die Welt des digitalen Lesens ist der Kindle nicht mehr, dazu ist der Preis in den letzten Jahren zu sehr gestiegen. Auch funktional gleicht er immer mehr dem Kindle Paperwhite, womit sich Amazon Konkurrenz im eigenen Hause schafft. Was die beiden Geräte aktuell noch voneinander unterscheidet, sind lediglich Speichergröße, höhere Auflösung sowie der Wasserschutz und das moderne Design. Es hat den Anschein, dass der neue Kindle technisch den Platz des alten Paperwhite einnehmen soll.

Amazon läuft mit der Neuvorstellung sogar Gefahr, dass zukünftig weniger Käufer zum kleineren Kindle greifen werden, auch weil der Paperwhite immer wieder in Aktionen vergünstigt angeboten wird und der preisliche Aspekt dadurch noch weiter in den Hintergrund rückt.

Dass der Online-Händler an weiteren Stellen falsch ansetzt, ist auch an der technischen Ausstattung zu erkennen: Statt der Audible-Unterstützung hätte dem E-Book-Reader neben der neuen Display-Technologie eine Erhöhung der Auflösung gut zu Gesicht gestanden. So hätte sich der Paperwhite weiter gegenüber dem kleineren Bruder abgrenzen können. Die jetzige Form zeigt aber, wie sehr es Amazon anscheinend darauf anlegt, Nutzern die eigenen Inhalte zu verkaufen. Und selbst dabei geht das Unternehmen nur halbherzig vor: So ist es nach wie vor nicht möglich, reine Audible-Konten mit einzubinden. Es kann nur auf Inhalte zugegriffen werden, die mit einem normalen Amazon-Konto erstanden wurden.

Darüber hinaus scheint Amazon zu vergessen, dass es genügend Nutzer gibt, die einen E-Book-Reader eben nur zum Lesen von digitalen Büchern benötigen und dass für diese eine Audible-Unterstützung keinen Mehrwert bietet. Warum sollen sie nun dazu bereit sein, für einen Einsteiger-Reader noch tiefer in die Tasche zu greifen?

Amazon Kindle 2019 im Test

Wenn Amazon den Preis für den Kindle auf 80 Euro schraubt, hätte zudem die Verarbeitungsqualität im gleichen Maße steigen müssen: Gerade beim verwendeten Kunststoff ist noch viel Verbesserungspotenzial vorhanden. Der neuen Gestaltung des Paperwhites hätte es dabei nicht einmal bedurft. Hätte der Online-Händler dem neuen Reader lediglich bei gleichem Preis eine Beleuchtung spendiert und darüber hinaus vielleicht die Auflösung auf ein normales Niveau erhöht, wäre der Kindle bei altem Preis sicherlich weiterhin ein interessantes Lesegerät für Einsteiger geblieben.

Wäre der Preis dazu noch mal um 10 Euro gesenkt worden, wäre der Erfolg ihm sicher gewesen. So besteht beim neuen Modell die berechtigte Frage, warum Käufer für Funktionen zahlen sollen, die sie nicht nutzen werden. Oder warum sie nicht direkt zum großen Bruder Paperwhite greifen sollten. Amazon hat die Verbesserungen teilweise an den falschen Stellen vorgenommen hat.

Amazon Kindle 2019
10.04.2019
  • gute Textdarstellung
  • gute Beleuchtung
  • Bluetooth-Funktion
  • niedrige Auflösung
  • geringe Formatunterstützung
  • nur Audible-Unterstützung als Audio-Format

(*) Bei den mit Sternchen markierten Links handelt es sich um Affiliate-Links. Im Fall einer Bestellung über einen solchen Link wird ComputerBase am Verkaufserlös beteiligt, ohne dass der Preis für den Kunden steigt.

Dieser Artikel war interessant, hilfreich oder beides? Die Redaktion freut sich über jede Unterstützung durch ComputerBase Pro und deaktivierte Werbeblocker. Mehr zum Thema Anzeigen auf ComputerBase.