Leistungsschutzrecht: Google weist Forderung der VG Media zurück

Michael Schäfer
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Leistungsschutzrecht: Google weist Forderung der VG Media zurück
Bild: mohamed_hassan | CC0 1.0

Auch wenn die in der letzten Woche endgültig verabschiedete EU-Urheberrechtsreform noch lange nicht in deutsches Gesetz integriert wurde, hat die Verwertungsgesellschaft VG Media bereits eine milliardenschwere Forderung Google zukommen lassen – die das Unternehmen nun zurückgewiesen hat.

Ausgleichszahlungen und andere Forderungen

Ausgangspunkt für die neue Auseinandersetzung zwischen den Rechteverwertern und Google war die Forderung der VG Media von 1,24 Milliarden Euro für vermeintliche Ausgleichszahlungen im Zeitraum vom 1. August 2013 bis zum 31. Dezember 2018. Die Berechnungsgrundlage führte die VG Media mit fünf Prozent des von Google Deutschland angeblich erwirtschafteten und von den Verwertern geschätzten Gewinns von 24,77 Milliarden Euro an. Zudem war die Forderung an einen Lizenzvertrag für die Nutzung aller von europäischen Verlegern erzeugten Inhalten mit einer Laufzeit von fünf Jahren geknüpft, welcher noch einmal einen zweistelligen Milliardenbetrag in die Kassen der Verwerter gespült hätte.

Haltlose Gedankenspiele

Dieser Forderung erteilte Google nun eine deutliche Abfuhr. Gegenüber Heise online gab der Suchmaschinenbetreiber lediglich kurz und knapp an, dass man derlei haltlose Gedankenspiele nicht kommentieren würde. Die Forderungen sahen auch eine Einstellung der noch seitens der VG Media vor dem Berliner Landgericht und dem Berliner Kammergericht geführten Rechtsstreitigkeiten vor.

Angst der VG Media vor negativem Urteil?

Inoffiziell wird die Forderung der Verwertungsgesellschaft in Google-Unternehmenskreisen so interpretiert, dass die VG Media den Fall so schnell wie möglich zu den Akten legen will – auch um einem negativen Ausgang vorzubeugen. Dieser Gedanke ist nicht unbedingt abwegig, hatte doch das Berliner Landgericht die von der VG Media angeführte Schadenersatzklage gegen Google an den Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung weitergeleitet. Der dort zuständige Generalanwalt Gerard Hogan hat jedoch bereits durchscheinen lassen, dass die deutsche Rechtsgrundlage gar nicht angewendet werden darf, da die Bundesregierung den damaligen Entwurf weder der EU-Kommission noch den Mitgliedsstaaten vorgelegt hatte. Das bisher noch ausstehende Urteil werden zwar die Richter fällen, dennoch können die Verwerter bei dem Rechtsstreit Gefahr laufen, zu unterliegen – was am Ende die eigene Verhandlungsposition in weiteren Auseinandersetzungen deutlich schwächen würde, auch wenn diese sich durch den Beschluss der neuen Richtlinie zur Neugestaltung des Urheberrechts bestärkt fühlt.

Googles Gegenschlag

Google dagegen lies verlauten, dass es Überlegungen gibt, der VG Media eine Gegenrechnung zukommen zu lassen, auch zuletzt aufgrund der Anschuldigung, sich nicht rechtskonform zu verhalten. Laut Aussagen des Konzerns sollen den Verlegern über die eigene Suchmaschine hunderte Millionen Nutzer zu den Inhalten ihrer Online-Angebote geleitet worden sein. Lege Google hier pro tausend Weiterleitungen einen geringen Cent-Preis zugrunde, käme auch hier nach eigenen Aussagen eine stattliche Summe zustande.

Kritik wurde auch vom EU-Abgeordneten Tiemo Wölken (SPD) geäußert. In einem Twitter-Post bescheinigte er der VG Media ein „interessantes Rechtsverständnis“: Obwohl die neue Richtlinie weder im Amtsblatt veröffentlicht oder in die nationale Gesetzgebung eingearbeitet wurde, solle sie schon angewendet werden.

Upload-Filter erneut in der Kritik

In den vergangenen Tagen wurden auch neue Unzulänglichkeiten im Bezug auf die mit der neuen EU-Urheberrechtsreform befürchteten Upload-Filtern bekannt, mit denen sich viele Gegner der automatischen Filtersysteme in ihrer anhaltenden Kritik bestätigt sehen: So wurde der Abschlussberichts des US-Sonderermittlers Robert Mueller zum US-Wahlkampf 2016 kurzzeitig durch das von der Plattform Scribd genutzte System gesperrt. Der Bericht, welcher zunächst nur als PDF-Version mit reinen Bilddateien zur Verfügung gestellt worden war, wurde von Nutzern der Plattform mittels Texterkennung in ein durchsuchbares Dokument gewandelt und bei Scribd hochgeladen. Da ein Verlag den Bericht bereits als Buch veröffentlicht hatte, ging das System von einer Urheberrechtsverletzung aus, obwohl das Dokument als Veröffentlichung der US-Regierung als gemeinfrei gilt. Nachdem das US-Magazin Quartz der Sperrung widersprochen hatte, wurde diese nach einer Prüfung von Seiten Scribd wieder aufgehoben. Insgesamt sollen dem Magazin zufolge 32 Uploads betroffen gewesen sein.

Zahl der Fehlalarme jetzt schon hoch

Die neuen Probleme rund um das Thema Upload-Filter sind jedoch nur die Spitze des Eisberges. So berichtet die EU-Abgeordnete Julia Reda über vielfältige Fehlalarme, die bisher aufgetreten sind: So identifizierte das Filtersystem von YouTube in einem 12-sekündigen Video einer schnurrenden Katze ein Werk von EMI Music. Gleiche Plattform sperrte ein Video der Vorlesung über das Urheberrecht an der Harvard Law School mit kurzen Musikeinspielungen zur Verdeutlichung der Sachlage, obwohl dies zu Bildungszwecken ausdrücklich erlaubt ist. Auch wurde die NASA daran gehindert, eine eigene Aufnahmen der Marslandung des Curiosity Rovers hochzuladen – weil ein TV-Sender gleiche Aufnahmen bereits zu einem früheren Zeitpunkt gesendet hatte. Die Macher der Serie „Family Guy“ nutzen für eine Folge ein seit Jahren auf der Video-Plattform erhältliches Computerspiel-Video in einer Serien-Folge – welches nach Ausstrahlung gelöscht wurde.

Diese und weiter von Reda aufgeführten Beispiele zeigen, welche Probleme von automatisierten Filtersystemen ausgehen und mit welchen Zwischenfällen in Zukunft noch zu rechnen ist.