Oculus Quest im Test: Die erste Konsole unter den VR-Headsets

David Pertzborn
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Oculus Quest im Test: Die erste Konsole unter den VR-Headsets

tl;dr: Die Oculus Quest ist mit Inside-Out-6DoF-Tracking und integriertem Rechner quasi die Konsole unter den VR-Systemen: Der Umgang ist einfach, die Hardware überzeugt und das Softwareangebot ist übersichtlich. Ob sie sich auf Dauer durchsetzt, hängt von den Anwendungen ab. Die Basis stimmt.

Oculus Quest, das vollständig autarke VR-System von Oculus (vormals Santa Cruz), zieht zum Start viele Parallelen zu Spielkonsolen: Es gibt Hardware, die definitiv ausreicht, aber auch eindeutig schon zu Release nicht mehr ganz aktuell ist, und ein überschaubares Softwareangebot. Das setzt sich aus Remakes populärer Software, die es schon gab, einigen neuen unterhaltsamen Minispielen, einigen wenigen exklusiven Titeln und dem Versprechen auf Mehr in der Zukunft zusammen. Und der Preis liegt mit 449 Euro zwar unter dem eines vergleichbaren Erlebnisses am PC liegt, kann aber auch nicht als günstig bezeichnet werden.

Verfügbarkeit und Preis

Die Oculus Quest ist ab heute für 449 € in der Basisversion mit 64 GB Speicher vorbestellbar und wird ab dem 21. Mai ausgeliefert sowie im freien Handel verfügbar sein. Die 128-GB-Version kostet 100 Euro mehr. Das Headset kommt zum Release mit einigen vorinstallierten Demos und einem Startangebot von rund 50 (teils kostenlosen, teils kostenpflichtigen) Titeln.

Oculus Quest
Tracking Inside Out
4 Kameras
Display OLED
Auflösung (pro Auge) 1.440 × 1.600, 72 Hz
Audio Integriert,
2 × 3,5 mm
SoC Snapdragon 835
RAM 4GB
Speicher 64GB oder
128GB
Gewicht 570g
Verfügbarkeit Vorbestellbar ab 30. April
Verfügbar ab 21. Mai
Preis 449 Euro (64GB), 549 Euro (128GB)

Technische Eckdaten

Um gut zu sein, muss die Hardware der Oculus Quest in zwei Bereichen überzeugen. Erstens, wie bei allen vom PC abhängigen VR-Headsets, bei Linsen, Displays, Komfort, Tracking und Co. Und zweitens bei der mit dem Snapdragon 835 intern verfügbaren Recheneinheit. Denn dieses System und kein angeschlossener PC befeuert die zwei OLEDs mit einer Auflösung von jeweils 1.440 x 1.600 Pixeln, was deutlich über der Auflösung der klassischen Oculus Rift und auch über der der Oculus Rift S liegt. Auch die Lageberechnung im Raum auf Basis der Sensoren stemmt das SoC.

Das Tracking ist meistens sehr gut

Im Test konnte ComputerBase das Tracking der Oculus Quest über die letzten Tage jetzt auch in den eigenen Räumlichkeiten ausführlich testen. Die Erkenntnis: Unter normalen Umständen funktioniert das Tracking ohne Probleme, es können aber Ausfälle provoziert werden, die auch in Anwendungen auftreten. Aber was kann das Tracking von Oculus Quest überhaupt?

Oculus Insight ist die technische Grundlage für 6DoF-Tracking

Autarke VR-Lösungen wie Samsungs Gear VR oder Oculus Go waren ihren an Desktop-PCs gebundenen Alternativen beim Tracking bisher deutlich unterlegen: Statt der präzisen Positionserkennung im Raum beherrschten die mobilen VR-Einsteiger-Produkte zumeist nur drei Freiheitsgrade (rollen, drehen, neigen), was ihr Anwendungsfeld deutlich einschränkte und die VR-Nutzung auf einen festen Ort während der Anwendung beschränkte.

Oculus Quest kann jetzt aber 6DoF-Tracking. Dabei werden die Bewegungen vor und zurück (1), rauf und runter (2), links und rechts (3) sowie der Roll-Nick-Gier-Winkel (4, 5, 6) der VR-Brille verfolgt. Dies geschieht mit Hilfe von vier Weitwinkelsensoren am Headset, die sowohl die Lage im Raum als auch die Position der Controller erkennen.

Oculus Quest – Touch-Controller
Oculus Quest – Touch-Controller (Bild: Oculus VR)

Die Beleuchtungssituation ist relevant

Da das Tracking der Oculus Quest auf optische Sensoren setzt, überrascht es nicht, dass eine falsche Beleuchtung zu Aussetzern führen kann. Insbesondere unter direkter Sonneneinstrahlung oder bei Dunkelheit scheitert die Erkennung der Umgebung und damit auch das Tracking. Beide Fehlerquellen lassen sich jedoch in geschlossenen Räumen leicht beseitigen: Sollte es zu dunkel für das Trackingsystem werden, reicht das Einschalten einer normalen Lampe und gegen zu grellen Sonnenschein helfen Vorhänge. Zu helle Lichtverhältnissen beendeten den Versuch der Outdoornutzung hingegen innerhalb weniger Minuten, da das Headset nicht mehr fähig war die Controller zu tracken. Da Oculus das Headset nur für eine Indoornutzung ausgelegt hat und darauf auch ausdrücklich hinweist, ist dies allerdings mehr eine interessante Beobachtung als ein echter Kritikpunkt.

Aus dem Auge aus dem Sinn

Einen echten Kritikpunkt an der grundsätzlichen Umsetzung des Trackings gibt es allerdings auch. Da die Sensoren zum Tracking der Controller vorne/seitlich am Headset sitzen, werden die Controller nur vor und seitlich des Headsets wahrgenommen. Damit können Aussetzer provoziert werden, wenn die Controller hinter dem Rücken verwendet werden oder wenn der Spieler in eine Richtung geguckt und mit dem Controller (den Controllern) in eine andere zeigt. Während das Szenario mit dem Controller hinter dem Rücken eher konstruiert werden muss, tritt das andere, zum Beispiel bei Space Pirate Trainer, durchaus auf.

Wenn hier von zwei Seiten Gegnerwellen ankommen, hält die eine Hand das Schild oft in die eine, die andere Hand die Waffe hingegen genau in die andere Richtung. Und dann springt die Hand, wenn sie wieder ins Sichtfeld kommt, auch bei Oculus Quest um einige Zentimeter zurück an den korrekten Ort. Das ist weniger drastisch als bei Windows-Mixed-Reality-Headsets mit nur zwei Kamera, aber immer noch wahrnehmbar.

Schnell und präzise

Ist es in der Umgebung gerade hingegen weder deutlich zu dunkel noch deutlich zu hell und beide Controller befinden sich im Sichtfeld der Sensoren, ist das Tracking latenzarm und präzise. Selbst in hohen Schwierigkeitsstufen bei Beat Saber. Das Spiel gehört zwar optisch nicht zu den anspruchsvollsten, die es für Oculus Quest geben wird, benötigt aber ein fehlerfreies Tracking, um höhere Schwierigkeitsgrade meistern zu können. Und dies gelingt auf dem Standalone-Headset so gut, dass im Test sofort das Spiel selbst im Vordergrund steht und der Redakteur ähnliche Punktzahlen erreicht wie auch mit einer Oculus Rift oder der HTC Vive Pro (der höchste Schwierigkeitsgrad (Expert+) wurde auf Grund der mangelnden Fähigkeiten des Redakteurs allerdings nicht getestet).

Damit gilt unter normalen Umständen, dass das Tracking bei Oculus Quest in der Tat nicht mehr wie bei der Oculus Rift auf externe Sensoren angewiesen ist und trotzdem so gut funktioniert.

Soundqualität und Lichteinfall stören

Deutlich weniger als das neue Tracking kann die Audiowiedergabe überzeugen. Statt der ohraufliegenden Kopfhörer der Oculus Rift kommt ein Audiosystem ähnlich dem der Oculus Go zum Einsatz, bei dem die Lautsprecher im vorderen Bereich des Headsets sitzen und der Schall über die Bügel zu den Ohren geleitet wird. Gegenüber den eingebauten Kopfhörern der Oculus Rift hat die Lösung der Oculus Quest eindeutig das Nachsehen. Diese fällt bei einem Musikrhythmus-Spiel wie Beat Saber besonders negativ auf.

Der Klang ähnelt dabei dem eines kleinen Bluetoothlautsprechers, der im Headset integriert ist. Nicht nur liefert dies ein deutlich schlechteres Klangerlebnis als noch bei der Oculus Rift, die Umsetzung lässt auch alle Außengeräusche in das Headset und alle Spielsounds werden unabsichtlich mit der Umwelt geteilt. Die positivste Eigenschaft der neuen Audiolösung ist damit, dass es gleich zwei Klinkenanschlüsse (einen an jeder Seite des Headsets) gibt und die Verwendung eigener Kopfhörer problemlos möglich ist.

Apropos fehlende Abschirmung: Laut Oculus wurde die Gummilippe um die Nasenpartie verändert, was für mehr Luftdurchlass und, zusammen mit einem kleinen Lüfter im Gehäuse, für weniger beschlagene Linsen sorgen soll. Und das funktioniert tatsächlich nahezu perfekt. Egal ob mit oder ohne Brille, beschlagene Linsen gab es im Test nie. Wofür die Veränderung jedoch auch sorgt, ist mehr Lichteinfall in das Headset, der gerade bei dunkleren Szenen im Spiel negativ auffällt. Auch dass durch diesen Spalt immer wieder die reale Welt sichtbar wird, stört im Spiel teilweise deutlich.

Die Ergonomie stimmt nur fast

Neben dem eher schlechten Sitz um die Nasenpartie ist auch die allgemeine Passform eher ein kleiner Schritt zurück im Vergleich zur Oculus Rift. Das Gurtsystem funktioniert zwar im Grunde genauso, scheint aber für sehr große Köpfe ausgelegt zu sein. Bei verschiedenen Testpersonen führte das System wiederholt zu Problemen und ließ das gesamte Headset nasenlastiger erscheinen. Sowohl Oculus Rift als auch HTC Vive Pro haben hier die Nase vorne, auch wenn die Vive Pro mit Wireless-Modul nahezu das doppelte Gewicht auf die Waage bringt.

Im Vergleich zur Oculus Rift ist die Oculus Quest hingegen definitiv besser für die Nutzung mit Brille geeignet. Dank eines zusätzlich nutzbaren Abstandhalters sind auch größere Modelle kein Problem und dank der beweglichen Linsen lässt sich der Linsenabstand an den Pupillenabstand anpassen.

Erneut sehr gut gelungen sind die Controller. Auch wenn der nun nach oben zeigende Trackingring etwas ungewohnt ist und Riftnutzer die Controller instinktiv vermutlich mehr als einmal falsch herum in die Hand nehmen werden, ist die Ergonomie insgesamt sehr gut. Ähnlich wie die Vorgänger liegen auch die Controller der Oculus Quest sehr natürlich in der Hand und erkennen rudimentäre Gesten mit den Finger wie etwa Zeigen, Zugreifen oder die Faust ballen. Die veränderte Position des Trackingringes stört nicht – weder im Spiel noch wenn es darum geht das Headset schnell neu zu justieren oder nach einer Tasse Kaffee zu greifen. Im Vergleich zu den Controllern der Oculus Rift wurde das Gewicht je Controller um gut 20 Prozent reduziert, was im Test allerdings nicht auffiel.

Mit den Controller den Oculus Rift teilen sich die Neuankömmlinge leider auch die Nutzung von AA-Batterien oder Akkus. Die Verwendung integrierter und austauschbarer Akkus, die wie bei den Controllern der HTC Vive (Pro) direkt im Controller geladen werden können, wäre hier vorzuziehen gewesen.

Einen weiteren Kritikpunkt gibt es in Bezug auf die Umsetzung des haptischen Feedbacks. Während dies bei der Oculus Rift relativ präzise war, liefern die Controller der Oculus Quest nur ein allgemeines schwammiges Vibrieren, das weniger immersionsfördernd ist.

Der Akku hält lange und lädt schnell

Keine Kritik gibt es am integrierten Akku des Headsets. Im Test waren regelmäßig zwei bis drei Stunden Spielzeit möglich, der Akku hielt damit meist länger aus als der Redakteur. Und sollte dies einmal nicht der Fall sein, ließ sich der integrierte Akku mit zwei getesteten Powerbanks (eine mit Qualcomm Quick Charge, die andere ohne) auch während des Spielens laden. Das mitgelieferte Netzteil lädt den Akku im Test in gut anderthalb Stunden von 20 Prozent voll auf.

Das mitgelieferte Netzteil lädt das Headset in unter 2 Stunden
Das mitgelieferte Netzteil lädt das Headset in unter 2 Stunden

Mittelmäßige Grafikqualität auf guten Displays

Rein bezogen auf die Displays und die Linsen macht die Oculus Quest einen deutlichen Satz nach vorne, wenn man sie mit der ursprünglichen Oculus Rift vergleicht. Dazu tragen insbesondere drei Effekte bei: Die Auflösung ist höher, es gibt weniger sogenannte God Rays und die Bildschärfe nimmt zum Rand hin weniger stark ab.

Die Kombination aus den ersten beiden Aspekten macht sich insbesondere bemerkbar, wenn es um helle Schrift auf dunklem Untergrund geht. Hier kämpft die Oculus Rift sowohl mit der fehlenden Auflösung als auch den Linsen, die das Bild weiter verschmieren. Im Direktvergleich mit der Quest wird das so, als ob die Linsen der Oculus Rift nicht richtig sauber oder beschlagen wären, auch wenn sie es nicht sind. Die Oculus Quest ist in Sachen Lesbarkeit von Schrift eher auf einem Niveau mit der HTC Vive Pro (Test), die jedoch in einer ganz anderen Preisklasse spielt. Zurückgehalten wird Grafikqualität daher eher von der Software und dem schwachen SoC als von Linsen und Displays.

Nicht ganz aktuelle Hardware soll lange aktuell bleiben

Für die nötige Rechenleistung sorgt ein Qualcomm Snapdragon 835, der schon jetzt nicht mehr das Topmodell von Qualcomm darstellt. Neuere Modelle von Qualcomm selbst, aber insbesondere Konkurrenzprodukte von Apple oder Samsung und erst recht PC-Hardware bieten teilweise ein Vielfaches an CPU- und GPU-Leistung. Dies erinnert an die Hardware-Ausstattung der aktuellen Konsolengeneration. Selbst zum Release waren Xbox One und PlayStation 4 nicht am oberen Ende des Möglichen angesiedelt und trotzdem sind beide Konsolen auch heute, Jahre später, noch aktuell.

Ähnliches wird laut Oculus auch fürs Quest angestrebt. Wer jetzt ein Headset kauft, soll dies „für eine lange Zeit“ nicht bereuen, sagt Rubin und gibt als weitere Anhaltspunkte einen Zeitraum zwischen drei Jahren und der Dauer einer Konsolengeneration an.

Das SoC ist gerade schnell genug

Im Test wird klar, dass das SoC einer der Schwachpunkte des Headsets ist. Selbst grafisch weniger aufwendige Titel wie Space Pirate Trainer oder Beat Saber verzichten auf der Oculus Quest auf einige Grafikeffekte. Andererseits sieht beispielsweise der Multiplayershooter Dead and Burried 2 auch auf der Oculus Quest noch gut aus und die versprochene Umsetzung von Robo Recall weckt zumindest Hoffnungen. Die hier gezeigten Bilder stammen von Oculus, spiegeln den selbstgewonnen Eindruck im Spiel aber wieder.

Die von 90 auf 72 FPS reduzierte Framerate war hingegen nicht spürbar. Auch hier drängt sich der Vergleich mit einer Konsole auf: Neuere Triple-AAA-Titel laufen auf Xbox One und PlayStation 4 teilweise mit weniger als FullHD Auflösung und unter 30 FPS während auf dem PC, die entsprechende Hardware vorausgesetzt, Spielen in Ultra HD mit 60 Hz möglich ist. Ob das ausreicht? Das hängt in beiden Segmenten vom jeweiligen Spieler ab und wird auch bei Oculus Quest für hitzige Diskussionen sorgen.

Fazit in diesem Test: Die Bildqualität mit High-End-PC und HTC Vive Pro ist zwar besser, aber die der Oculus Quest noch gut genug, damit der Spielspaß nicht leidet. Dafür sorgen aktuell hingegen noch die Einschränkungen bei der Software.

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