Warcraft 3: Reforged im Test: Spielkritik und das Fazit

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Wolfgang Andermahr (+1)
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Wie gut ist Warcraft 3: Reforged?

Es gibt gute Überarbeitungen und dann gibt es Warcraft 3: Reforged, sagt zumindest das Internet. Die Gene trifft daran keine Schuld. Mancher Dialogzeile merkt man ihr Alter an, dem Spiel wohnt weiterhin Frische inne. Was wäre denn auch nicht zu mögen? Eine Mischung aus RPG und Strategiespiel, die sich eher in Richtung Strategiegenre orientiert und davon profitiert, das gibt es nicht allzu oft und erst recht nicht in dieser Qualität.

Schlachten, Exploration, Nebenaufträge in tollen Kampagnenmissionen mit abwechslungsreichen Zielen, Protagonisten mit Charakter und ein stimmiges, fast zeitloses Artdesign haben nichts an Faszination eingebüßt. Kämpfe, in denen Helden nie dominant, immer nur Zünglein an der Waage sind, erzeugen durch das gute Balancing der vier Völker vielfältige wie packende Partien. Kurz: Warcraft 3 hat weder umsonst den Status eines Klassikers, noch wird es grundlos immer noch oft gespielt. Änderungen an diesen Kernkompetenzen sind deshalb auch gar nicht nötig.

Zu einem guten Remaster gehört aber nicht nur ein unterhaltendes Spiel, denn das gibt es meist schon. Ebenso wichtig sind die Verbesserungen in Relation zum verlangten Preis, in diesem Fall 30 Euro. Viel mehr als die aufgebohrte Grafik gibt es hier nicht. Schickere Texturen, detailreichere Modelle für Einheiten und Gebäude sowie Icons bringen das Spiel in die Moderne, aber nicht immer eine auch trefflich zu beschauende. Türme der Menschen wirken etwa wie leicht aus dem Setting gefallen, zumal der Comic-Look aus dem Original nicht immer gut eingefangen wird und Farben etwas zu knallig und freundlich geworden sind. So oder so: Warcraft 3 sieht neu geschmiedet wieder zeitgemäß aus.

Neben diesem geschmacksabhängigen Mehr gibt es aber auch ein „Weniger“. Ein neues Interface etwa, neue Zwischensequenzen, adaptierte oder gar frische Missionen hat sich Blizzard gespart, obwohl einiges davon in Aussicht gestellt wurde. Die Rede war ursprünglich von einer „neu gedachten“ Version – Pläne, die wieder zu den Akten gelegt wurden. Fan-Kampagnen hingegen oder Ladder-Matches oder Clans fehlen derzeit und – wie im Remake von Age of Empires 2 – lässt sich nicht jede alte Fan-Karte ohne Probleme spielen. Dazu kommen Probleme mit der Schrift in Zwischenseqeuenzen, wo die Buchstaben zu dicht aneinandergerückt werden. In Foren trägt die neue Version mittlerweile auch die spöttischen Untertitel „Refund“, „Downgrade“ und „Friends and Family Alpha“. Metacritic-Wertungen von rund 2.400 Spielern liegen im Schnitt bei 1,4 Punkten und legen genau diese Kritikpunkte zu Grunde.

Man könnte Blizzard nun zugutehalten, dass Reforged mit dem alten Warcraft 3 kompatibel ist und dieses mittlerweile ebenfalls Auflösungen mit korrektem 16:9-Seitenverhältnis anzeigen kann. Das Original wurde allerdings durch Reforged ersetzt und per Patch Feature-Gleichheit hergestellt. Eigene Kampagnen kann also auch Warcraft 3 Classic aktuell nicht aufrufen; die neue wird auch gleichzeitig zur besten Version des Spiels. Aufgrund der fehlenden Features steckt das Reforged-Projekt aber eher in den Kinderschuhen eines modernen Service-Spiels. Es ist gut genug für eine Veröffentlichung, aber noch nicht ganz fertig.

Man muss Activision Blizzard fast schon dankbar sein, dass keine Mikrotransaktionen den Weg ins Spiel gefunden haben. Sie wurden aber auch bei Modern Warfare Remastered erst nachträglich eingefügt. Eine Basis für zumindest kosmetische DLCs haben die Entwickler geschaffen. Schon jetzt lassen sich in Mehrspielerpartien Helden mit einzigartigen Skins in die Schlacht führen, die Teil einer 10 Euro teureren, mit kosmetischem Tinnef beladenen Luxus-Edition sind. Weitere Skins werden sicherlich folgen. Dazu kommt die neue Custom-Map-Politik, die Blizzard Urheberrechte an Fan-Erzeugnissen sichert.

Ist Warcraft 3 in seiner neuen Version den Kauf wert? Im Prinzip trotz aller Kritik schon. Es unterhält, sieht zeitgemäß aus und spielt sich weiterhin so, den vielen Fiesheiten drumherum zum Trotz. Neueinsteigern garantieren diese Eigenschaften viele unterhaltsame Stunden. Für diese ist aber ein Premium-Preis zu entrichten, denn dass an und für sich ein Gegenwert für das Geld geboten wird, darf nicht darüber hinwegtrösten, dass der Preis für ein reines, noch teureres Grafik-Update als bei StarCraft, das neben klingenden Münzen auch Features kostet, ein hoher bleibt, erst recht für Bestandskunden. Es wäre mehr zu holen gewesen als eine reine HD-Version des Originals.

Fazit

Die Sanierungsarbeiten hinter Warcraft 3: Reforged kommen zweifelsohne nicht an die Qualität der Umsetzung bei Age of Empires II: Definitive Edition heran. Die optischen Verbesserungen sind aber auch nicht gering und heben die Grafikqualität auf ein gänzlich anderes Niveau als beim Original. Damit sieht das Spiel zwar nicht topaktuell, aber immer noch ganz ordentlich aus. Die massiven Beschwerden bezüglich der Grafikqualität kann die Redaktion nicht nachvollziehen. Ja, Blizzard hat zweifelsohne mehr versprochen, als schlussendlich geliefert wurde – und das überarbeitete AoE II bietet für weniger Geld ohne Frage mehr als Warcraft 3. Aber es wurde viel mehr als einfach nur ein paar Modelle ausgetauscht.

Reforged hat deutlich höhere Anforderungen als das Original

Für die bessere Grafik benötigt Warcraft 3: Reforged aber auch einen viel schnelleren PC. Der Prozessor spielt dabei keine allzu große Rolle, die Grafikkarte wird dagegen mehr gefordert. Die Framerate schrumpft in der Reforged-Fassung auf einen Bruchteil. Im Vergleich zu aktuellen AAA-Titeln bleibt das Niveau aber niedrig. Schlussendlich reicht auch ein aktuelles Einsteigermodell dafür aus, in Full HD bei maximalen Details mit einer hohen Framerate zu spielen. Zehn Jahre alte Grafikkarten, die die Originalfassung spielend gemeistert haben, werden in Reforged aber ihre Schwierigkeiten bekommen.

Warcraft 3: Reforged im Test

Warcraft 3: Reforged ist nicht das geworden, was Blizzard versprochen hat. Lässt man das außer Acht, erhalten aber gerade diejenigen, die die tolle Kampagne noch einmal oder zum ersten Mal spielen möchten, mit Reforged die deutlich hübschere Version, die man sich auch im Jahr 2020 noch gut ansehen kann und die gut auf halbwegs aktuellen Rechnern läuft. Als bessere und günstigere Alternative schwebt aber Age of Empires II in der Definitive Edition als Damoklesschwert über Warcraft 3: Reforged. Allerdings hat auch Warcraft 3 seine Vorzüge: Age of Empires II kommt an dessen Kampagne zum Beispiel nicht heran.

Hinweis vom 4. Februar 2020: Blizzard hat sich mittlerweile zu den Vorwürfen geäußert, sich entschuldig und gewährt Kaufpreisrückerstattungen.

ComputerBase hat Warcraft 3: Reforged von Blizzard zum Testen erhalten. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.

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