Samsung Galaxy Z Flip im Test: Das coolste sinnlose Smartphone der Welt

Nicolas La Rocco
137 Kommentare
Samsung Galaxy Z Flip im Test: Das coolste sinnlose Smartphone der Welt

tl;dr: Das Galaxy Z Flip zeigt einmal mehr, dass Samsung nicht davor zurückscheut, neue Konzepte wie faltbare Smartphones auf den Markt zu bringen. Rein nach gesundem Menschenverstand und gemessen am Listenpreis von 1.500 Euro spricht wenig für das Smartphone. Irgendwie cool und technisch interessant ist es trotzdem.

Wer 1.500 Euro für ein neues Smartphone auf den Tisch legt, kann davon ausgehen, ein Gerät mit bester Kamera, neuestem Prozessor, größtem Akku und auch ansonsten allumfassender Ausstattung zu erhalten. Das Galaxy Z Flip, Samsungs zweites faltbares Smartphone nach dem Galaxy Fold, bietet nichts davon. Die Gegenleistung für den hohen Preis besteht aus einem ausgeklügelten Scharnier und einem faltbaren Display, die das Smartphone in der Fläche halbieren und in der Höhe verdoppeln. Und trotzdem muss man all das je nach Blickrichtung auf das Galaxy Z Flip nicht schlecht finden.

Ob ein Falt-Display den Aufpreis gegenüber einem Galaxy S10 (Test), dem das Galaxy Z Flip nüchtern betrachtet technisch am ehesten ähnelt, rechtfertigt, hat über die letzten Tage und Wochen immer wieder für nachdenkliches Philosophieren über extravagante Smartphones gesorgt – introvertiert in der Abgeschiedenheit des Corona-bedingten Home-Offices.

Braucht es ein Galaxy Z Flip?

Braucht es solch ein Smartphone überhaupt? Ist es den Preis wert? Sollte man nicht besser zu einem anderen Gerät greifen? Und was will Samsung damit erreichen? Umso länger man sich beim Galaxy Z Flip mit diesen Fragen auseinandersetzt, desto unwahrscheinlicher wird es, passende Antworten zu finden, da immer mehr Punkte mal gegen und mal für das Smartphone sprechen. Die Spirale der Argumentation will einfach nicht enden.

Das Galaxy Z Flip bietet aufgeklappt ein 6,7 Zoll großes, flexibles OLED-Display
Das Galaxy Z Flip bietet aufgeklappt ein 6,7 Zoll großes, flexibles OLED-Display

Das Galaxy Z Flip ist ein Impulskauf, fast wie bei einem Ferrari, bei dem man nicht wochenlang Vor- und Nachteile recherchiert, sondern weil man ihn technisch interessant oder salopp gesagt einfach nur geil findet, was da auf die Beine gestellt wurde. Das war beim Galaxy Fold nicht anders, denn obwohl das Galaxy Z Flip Samsungs zweites Falt-Smartphone ist, steckt die Entwicklung genau genommen weiterhin in den Kinderschuhen.

Das Scharnier sorgt für Staunen

Das Scharnier fasziniert, wirkt äußerst stabil und angesichts des gebrauchten Testgerätes sogar langlebig. Wie die einzelnen Zahnräder ineinandergreifen, die kleinen Bürsten das Innere vor Staubpartikeln schützen und der Bildschirm stufenlos aufgeklappt werden kann, all das hinterlässt einen sehr hochwertigen Eindruck und sorgt selbst beim x-ten Mal für Staunen, dass so etwas heutzutage möglich ist. Es sind die Momente, in denen man das Galaxy Z Flip im 90-Grad-Winkel aufgeklappt vor sich hält und vor technischer Begeisterung „Wow!“ denkt.

Immer wieder auf- und zuklappen

Doch so interessant das Smartphone in diesen Momenten ist, es ist auch jedes Mal aufs Neue und vor allem mit fortlaufender Nutzung nervig, für jede noch so winzige Kleinigkeit, die über das Ablesen der Uhrzeit auf dem kleinen äußeren Display hinausgeht, das Gerät aufklappen und anschließend wieder zuklappen zu müssen. Wie oft man ein normales Smartphone am Tag entsperrt, bekommen die wenigsten Nutzer mit. Mit dem Galaxy Z Flip ändert sich das, denn für jeden dieser Vorgänge muss der Proband nun aufgeklappt werden. Als positiver Nebeneffekt könnte es mehr oder weniger freiwillig zum Digital Detox kommen. Negativ hingegen: Man wird tatsächlich dazu verleitet, das Smartphone einfach offen auf dem Schreibtisch liegen zu lassen.

Samsung hat zwei Zielgruppen

Wer ist also die Zielgruppe des Galaxy Z Flip? Auf der einen Seite sind es zwar diejenigen, die aufgrund der Faltmechanik an den neuesten technischen Errungenschaften interessiert sind, auf der anderen Seite fehlen dafür aber der neueste Prozessor (Snapdragon 855+), der größte RAM und Festspeicher (8 GB/256 GB), der leistungsfähigste Akku (3.300 mAh) oder die modernsten und umfangreichsten Kameras (2 × 12 MP). Das OLED-Display mit 60 Hz wird in diesem Punkt auch nicht mehr dem letzten Schrei gerecht, flexibel ist es aber immerhin. Die gänzlich fehlende IP-Zertifizierung ist vor allem in Coronazeiten ärgerlich, ließe sich bei einem Falt-Smartphone aber kaum realisieren. Und das Thema 5G spricht man beim Galaxy Z Flip besser erst gar nicht an, denn es fehlt komplett.

Das ausgeklügelte Scharnier kommt mit mehreren Zahnrädern und Bürstenschutz
Das ausgeklügelte Scharnier kommt mit mehreren Zahnrädern und Bürstenschutz

Blickt man hingegen auf Samsungs Website zum Galaxy Z Flip, sind es die coolen Lifestyler, Models und Instagramer, die wohl am besten bei diesem Smartphone aufgehoben sind. Das dürfte auch erklären, warum die klassische Techpresse erst später (und auf ComputerBase diesmal etwas anders) die Geräte testen darf – der Marktstart ist immerhin bereits zwei Monate her. Aus Samsungs Perspektive sind diese Vorgehensweise und der Fokus auf Social Media absolut nachvollziehbar.

Fazit

Auf die Frage, welches Smartphone bis 1.500 Euro empfehlenswert ist, würde ganz sicher nicht das Samsung Galaxy Z Flip als Antwort fallen. Jedes normale aktuelle Galaxy S, iPhone oder vergleichbare Top-Smartphone des aktuellen Jahrgangs ist dem Galaxy Z Flip im Alltag in allen Belangen überlegen. Das ist die nüchterne Realität. Der springende Punkt ist aber, dass das Galaxy Z Flip nicht für den nüchternen Alltag gemacht ist. Es lässt sich falten, sieht einfach cool, weil anders aus und hat deshalb auch kein Problem damit, aufgrund dieser Besonderheiten 1.500 Euro zu kosten. Und für Samsung gilt: Bravo, weiter so!

Technische Daten im Überblick

Samsung Galaxy Z Flip
Software Android 10.0
Display Zugeklappt Aufgeklappt
1,05 Zoll, 112 × 300 Pixel
Super AMOLED
6,7 Zoll, 1.080 × 2.636 Pixel
Dynamic AMOLED
Bedienung Touch, Fingerabdrucksensor, Gesichtsscanner
SoC Qualcomm Snapdragon 855+
1 × Kryo 485 Gold, 2,96 GHz
3 × Kryo 485 Gold, 2,42 GHz
4 × Kryo 485 Silver, 1,80 GHz
7 nm, 64 Bit
GPU Adreno 640, 675 MHz
RAM 8 GB LPDDR4X
Speicher 256 GB (nicht erweiterbar)
1. Kamera 12 MP, Weitwinkel, AF, OIS, f/1.8, LED-Blitz, 4K-Video
2. Kamera 12 MP, Ultraweitwinkel, AF, f/2.2
Frontkamera 10 MP, Weitwinkel, f/2.4, Display-Blitz, 4K-Video
GSM GPRS + EDGE
UMTS HSPA+
LTE Advanced Pro
5G Nein
WLAN Wi-Fi 5
Bluetooth 5.0
Ortung A-GPS, Glonass, BeiDou, Galileo
Weitere Standards USB 2.0 Typ C, NFC
SIM-Karte Dual-SIM (Nano-SIM + eSIM)
Akku 3.300 mAh, fest verbaut, kabelloses Laden
Größe (B × H × T) Zugeklappt Aufgeklappt
87,4 × 73,6 × 15,4–17,3 mm 167,3 × 73,6 × 6,9–7,2 mm
Gewicht 183 g
Preis 1.479,99 € (UVP)

ComputerBase wurde das Galaxy Z Flip leihweise von Samsung zum Testen zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.

Dieser Artikel war interessant, hilfreich oder beides? Die Redaktion freut sich über jede Unterstützung durch ComputerBase Pro und deaktivierte Werbeblocker. Mehr zum Thema Anzeigen auf ComputerBase.