„Project Purple“: Wie aus dem Motorola ROKR E1 das erste iPhone wurde
Das selbst bei Apple intern als Geheimprojekt eingestufte „Project Purple“, iTunes und das Motorola ROKR E1 legten ab dem Jahr 2004 den Grundstein für das erste iPhone im Jahre 2007. Noch heute tragen Entwicklerwerkzeuge in Cupertino den Zusatz „Purple“ im Namen, doch weshalb? Ausgabe 97 von C:\B_retro\ liefert die Antworten.
Da sich die Redaktion ein Mindestalter von 15 Jahren als Grenze für Retro-Berichte gesetzt hat, wäre das erste iPhone, das am 29. Juni 2007 in den USA erschienen ist, erst im kommenden Jahr an der Reihe. Doch das Geheimprojekt „Project Purple“, welches den Überlieferungen zufolge ein von Steve Jobs selbst erdachtes Mobiltelefon mit Multi-Touch-Bildschirm zum Ziel hatte, wurde bereits 2004 ins Leben gerufen.
C:\B_retro\Ausgabe_97\
Geheimprojekt „Project Purple“
iTunes als erster Schritt
Noch bevor eine entsprechende Multi-Touch-Steuerung serienreif war, stand iTunes als fester Bestandteil für ein solches „smartes“ Mobiltelefon ganz oben im Lastenheft des Entwicklerteams rund um Steve Jobs. Apple war sich seinerzeit nicht sicher, ob das „iTunes Phone“ intern oder mit einem Handyhersteller als Partner entstehen sollte.
Das erste iPhone war ein Motorola
Apple entschied sich dafür, dass das erste Mobiltelefon mit iTunes-Integration als Joint Venture mit einem sehr namhaften Partner realisiert werden sollte und holte sich dafür Motorola, das in den 2000er-Jahren erfolgreich auf dem Handymarkt mitmischte, für dieses Vorhaben ins Boot.
Nachdem das US-Unternehmen 2003 mit dem Motorola RAZR eines der erfolgreichsten Handys der Generation präsentiert hatte, das 2019 mit der gleichnamigen Neuauflage und dem Ende 2020 erschienenen Motorola Razr 5G zwei moderne Nachfolger in Form faltbarer Smartphones erhalten hat, kooperierte Motorola ab Ende 2004 mit Apple.
Im September 2005 präsentierten Apple und Motorola auf einer Keynote von Apple mit dem Motorola ROKR E1 das erste Mobiltelefon mit iTunes. Neben dem ursprünglich aus der von Casady & Greene entwickelten Medienverwaltungssoftware SoundJam MP hervorgegangenen iTunes, das 2001 mit dem ersten iPod seine Premiere feierte, verfügte das Motorola ROKR E1 über Bluetooth, Surround Sound und ein vergleichsweise kleines 40 × 30 mm messendes Display ohne Touch.
Das iTunes Phone fiel bei Steve Jobs durch
In der dreiteiligen Serie „Apple's Phone: From 1980s' Sketches to iPhone.“ der Website Mobile-Review.com werden entsprechende Anekdoten über Apples Weg zum ersten iPhone erzählt, die zum Teil auch durch ein Interview von Steve Jobs bestätigt werden, denen zufolge der Apple-Chef mit dem Motorola ROKR E1 alias iTunes Phone nicht zufrieden war, da ein Fremdprodukt nicht in das Portfolio von Apple passe.
Beim Motorola ROKR E1 handelte es sich im Grunde um eine Eins-zu-Eins-Kopie des Motorola E398, welches lediglich um eine dedizierte Player-Taste für iTunes und den Support für iTunes selbst erweitert wurde.
Das Mobiltelefon wurde ab Ende 2005 für 249,99 US-Dollar inklusive einem sich auf 24 Monate erstreckenden Vertrag in den USA angeboten und verfügte über die folgenden technischen Spezifikationen.
Noch detailliertere Informationen liefern die 214 Seiten der archivierten Betriebsanleitung des Motorola ROKR E1. Heute ist das Mobiltelefon ein echtes Sammlerstück und erzielt hohe Preise.
Der YouTube-Kanal „Techformative“ hat sich erst vor wenigen Wochen im Rahmen eines Unboxing und Reviews dem Motorola ROKR E1 gewidmet und liefert entsprechende Impressionen zum ersten iTunes Phone.
Das Gesamtpaket konnte Steve Jobs und sein Team schlussendlich nicht überzeugen, weshalb Apple ab diesem Zeitpunkt einen internen Ansatz verfolgte.
Auch wenn das Motorola ROKR E1 auf der hauseigenen Messe Macworld Conference & Expo und anderen internationalen Großveranstaltungen gezeigt wurde, konzentrierte sich Apple fortan auf eigene Produkte und weitete das „Project Purple“ weiter aus.
SpringBoard und SwitchBoard für iOS alias iPhone OS
Auf einem ersten Prototyp des iPhones, das in dieser frühen Phase noch über ein vom iPod bekanntes Clickwheel verfügte, kam erstmals auch ein eigenes mobiles Betriebssystem für Mobiltelefone zum Einsatz.
Die Software des frühen Prototyps „P2“ – das spätere iOS – wurde ursprünglich auf einem Power Mac G5 entwickelt und später auf einen schwächeren Power Mac G3 übertragen, um die Leistungsfähigkeit eines Smartphones zu simulieren.
Anders als das finale erste iPhone, das über einen Samsung S5L verfügte, setzten die Prototypen noch auf einen Freescale MX31-SoC. Das darauf laufende Betriebssystem bestand aus den beiden Hauptbestandteilen SpringBoard, der Benutzeroberfläche und der für die Entwicklung notwendigen Diagnoseoberfläche SwitchBoard.
Viele der Entwickler, die am ersten iPhone beteiligt waren, bekamen das spätere iPhoneOS erst bei der Vorstellung zu Gesicht. Apple hielt insbesondere das Bedienkonzept streng geheim und zeigte vielen seinen Mitarbeitern die Benutzeroberfläche „SkankPhone“, die nur der Ablenkung diente.
Der YouTuber „Sam Sheffer“ stellt die Benutzeroberfläche „SkankPhone“ in einem Video im Detail vor.
Das fertige Betriebssystem wurde später gemeinsam mit dem ersten iPhone auf der MacWorld Conference and Expo vorgestellt. Damals sagte Steve Jobs „auf dem iPhone läuft OS X“, bei dem es sich anfänglich noch um ein geschlossenes System handelte. Erst iPhone OS 2.0 brachte den App Store und das erste Toolkit für Entwickler und deren externe Apps mit.
Steve Jobs stellt das erste iPhone vor
Am 9. Januar 2007 war es dann soweit und Steve Jobs stellte das erste iPhone der Weltöffentlichkeit vor. Der Rest ist bekannt und gipfelte jüngst in der Vorstellung der aktuellen Generation rund um das iPhone 13 und iPhone 13 Pro.
Die heute legendäre Keynote zur Vorstellung des ersten iPhones hat der YouTube-Kanal „p1.com“ freundlicherweise für die Nachwelt archiviert.
Mit der Vorstellung des ersten iPhones endete auch das „Project Purple“, das bis heute seine Spuren bei Apple hinterlassen hat. So heißt das interne Programm zum Flashen von iPhones und iPhone-Prototypen noch heute „Purple Restore“ und das Programm zum Einrichten des iPhone seit iOS 5 intern „Purple Buddy“.
Das Wall Street Journal hat dem „Project Purple“ eine rund zehnminütigen Kurzdokumentation gewidmet, in der unter anderem auch Zeitzeugen wie Entwickler und ehemalige Manager von Apple zu Wort kommen.
Scott Forstall, Tony Fadell und Greg Christie berichten von dieser aufregenden Konzeptphase des ersten iPhones, mit der 2004 alles begann.
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Noch mehr Inhalte dieser Art und viele weitere Berichte und Anekdoten finden sich in der Retro-Ecke im Forum von ComputerBase als auch in den Themenbereichen C:\B_retro\ und Retro.
Expertise und weiterführende aus dem Forum
Das „Project Purple“ war für einige der ComputerBase-Leser neu, andere wiederum besaßen bereits fundiertes Vorwissen über das Geheimprojekt, das schlussendlich das erste iPhone hervorbringen sollte.
Einmal mehr hat die Community die Redaktion bei einer Ausgabe von C:\B_retro\ mit wertvollen Zusatz- und Hintergrundinformationen versorgt und den Artikel damit nicht unwesentlich aufgewertet.
Insbesondere das neue Forenmitglied „dtekle“, den wir hiermit herzlich begrüßen wollen, hat sehr interessante Fakten zu iPhone OS, der Urversion von iOS, geliefert, die noch nicht jedem bekannt gewesen sein dürften.
Ich habe 2014 für die Abandonware-Seite MacintoshGarden.org einmal extra einen Eintrag erstellt mit einigen Hintergrundinformationen und Links zur Entstehung des ersten iPhoneOS und des ersten SDKs (für iPhoneOS 2).
dtekle, Community-Mitglied
- Eintrag zum iPhone SDK 2.2.1 und wie man ihn auf einen PowerPC-Mac zum Laufen bekommt (inklusive Hintergrundinformationen): iPhone OS 2.2.1 SDK for PPCW
- Wallstreet-Artikel zur Entwicklung des ersten iPhone OS: Inside a Secret Apple Room Where iPhone Software Was Born
- Engadget-Artikel zur Apple-Pressekonferenz zum ersten iPhone SDK: Engadet-Live from Apple's iPhone SDK press conference
Korrekturen aus der ComputerBase-Community
Zudem wurden einige durch die Community angestoßene Fehlerkorrekturen am Artikel vorgenommen. Das erste iPhone wurde selbstverständlich am 9. Januar von Steve Jobs vorgestellt, wie Community-Mitglied „DaysShadow“ richtig angemerkt hat.
Außerdem verfügte das Motorola ROKR E1 nicht über WLAN, wie „mkl1“ noch richtig in Erinnerung hatte.
Ein echter Klassiker aus dem Keller des Lesers
Community-Mitglied „ZeroCoolRiddler“ konnte sich daran entsinnen, dass er noch ein Motorola ROKR E1 in einem Karton im Keller hatte und hat es extra für diese Ausgabe abgelichtet.
Die Redaktion dankt den Lesern „dtekle“, „DaysShadow“, „mkl1“ und „ZeroCoolRiddler“ für ihre Hinweise, die zu diesem Update geführt haben.
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