Streaming-Webcams im Test: Elgato Facecam und Razer Kiyo Pro vs. Smartphone und DSLM

Fabian Vecellio del Monego (+1)
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Streaming-Webcams im Test: Elgato Facecam und Razer Kiyo Pro vs. Smartphone und DSLM

Sowohl Elgato als auch Razer wollen mit teuren Webcams die Lücke zu noch teureren Systemkameras schließen. Im Test geht das bedingt auf: So liefern beide Produkte eine gegenüber herkömmlichen Modellen gesteigerte Bildqualität auf Smartphone-Niveau und überdies eine höhere Konfigurierbarkeit, haben aber individuelle Schwächen.

Mit der Facecam stellte der für Streaming-Zubehör bekannte und vor drei Jahren von Corsair aufgekaufte Hersteller Elgato vor kurzem eine Webcam des oberen Preissegments vor. Bisher hatte das Unternehmen lediglich Capture-Cards und diverse Anschlusskarten für externe Systemkameras im Programm, nun wird das Portfolio nach unten hin abgerundet. Denn dedizierte Kameras sind oftmals teuer und aufwändig in der Einrichtung, sodass klassische Webcams für beginnende Streamer und Privatanwender nach wie vor die gängigste Option zur Aufnahme des eigenen Gesichts darstellen. Auch Smartphones können per passender App leicht zur Webcam umfunktioniert werden, doch meist ist der qualitative Unterschied zu DSLR- oder DSLM-Kameras gerade bei ungünstigen Lichtverhältnissen erheblich.

Diese Lücke versuchten in der letzten Zeit einige Hersteller durch vergleichsweise teure High-End-Webcams zu schließen, darunter auch Razer mit der Kiyo Pro, die über ähnliche Spezifikationen – und Ambitionen – wie die Facecam verfügt. Dieser Test soll herausfinden, wo genau die beiden Webcams zwischen günstiger Alternative in Form der Logitech C270 und teurer Systemkamera in Form der Sony Alpha 7 III zu verorten sind. Ein Vergleich mit der Bildqualität eines iPhone 12 (Test) soll überdies in Erfahrung bringen, ob eine dedizierte Webcam angesichts stetig besser werdender Smartphone-Kameras überhaupt noch Sinn ergibt.

Elgato Facecam Razer Kiyo Pro Logitech C270 Apple iPhone 12
(Haupt­kamera)
Sony Alpha 7 III &
Tamron 28–75 F/2.8
Videoauflösung Full-HD
(1920 × 1080)
HD
(1280 × 720)
UHD
(3840 × 2160)
Bildrate 60 FPS 30 FPS 60 FPS FHD: 120 FPS
UHD: 30 FPS
Mikrofon Nein Ja
Preis (UVP) 200 € 210 € 35 € 800 € 3.100 €

Die Elgato Facecam kostet gemäß unverbindlicher Preisempfehlung rund 200 Euro, Razers konkurrierende Kiyo Pro kostet 10 Euro mehr. Im freien Handel kommt die Facecam derzeit auf rund 190 Euro, während die Kiyo Pro hingegen bereits ab knapp 150 Euro zu haben ist. Die besagte Budget-Webcam in Form der Logitech C270 schlägt mit rund 35 Euro zu Buche, während das ein High-End-Smartphone repräsentierende iPhone 12 gemäß UVP rund 900 Euro kostet. Ein deutlich höherer Wert, jedoch gilt es zu berücksichtigen, dass jegliche am Videostreaming interessierten Anwender wahrscheinlich ohnehin über ein Smartphone verfügen – im Optimalfall entstehen also kaum bis keine weiteren Kosten.

Gänzlich aus der Reihe tanzt schließlich die erwähnte Systemkamera, die mitsamt verwendetem Objektiv auf einen kombinierten UVP von über 3.000 Euro kommt. Hinzu kämen noch die Kosten für ein Stativ und idealerweise eine Capture-Card. Sony bietet aber alternativ eine App, mit der die Alpha 7 III recht einfach als Webcam verwendet werden kann. Für diese Zwecke völlig ausreichende Systemkameras sind derweil – mitsamt Objektiv – auch schon für weit unter 1.000 Euro zu erstehen.

Gehäuse in rund und eckig mit unterschiedlicher Halterung

Sowohl Elgatos Facecam als auch Razers Kiyo Pro sind – verglichen mit herkömmlichen Webcams – recht groß und zumindest im Fall des Razer-Produkts auch sehr schwer: Rund 259 g bringt die Kiyo Pro mitsamt Halterung auf die Waage. Die Facecam hingegen wiegt nur rund 136 g, ebenfalls mit Halterung und Frontlinsen­abdeckung. Zumindest das Gehäuse der Kameras besteht jedoch in beiden Fallen überwiegend aus Kunststoff – die zusätzliche Masse der Kiyo Pro beruht in erster Linie auf Gewichten im unteren Teil des ohnehin ausladenderen Haltemechanismus. Eben das führt dazu, dass Razers Webcam deutlich stabiler auf einem Bildschirm sitzt.

Einerseits ist die Kamera dadurch besser gegen Erschütterungen oder versehentliche Stöße gewappnet, andererseits fällt auch das Abnehmen der Abdeckung leichter: Während bei der Facecam in der Regel zwei Hände vonnöten sind, um die kleine Abdeckung ohne Bewegung der Webcam abzunehmen oder aufzusetzen, ist das bei der Kiyo Pro grundsätzlich mit einer Hand möglich – zumindest, wenn die Kappe nicht allzu tief aufgeschoben wird.

Das absichtliche Bewegen der Kameras, um den Bildwinkel anzupassen, gestaltet sich derweil bei beiden Webcams schwierig, sofern die Halterung nicht gelockert werden soll. Hier sind stets zwei Hände von Vorteil, wobei es Unterschiede gibt. Beide Kameramodule lassen sich nach vorne respektive hinten neigen. Das Scharnier der Kiyo ist allerdings so steif, dass die Neigung nach vorne stets die Halterung nach oben zieht, sofern nicht eine zweite Hand Gegenwehr leistet. Das Scharnier der Facecam ist leichtgängiger, aber dennoch ausreichend rigide, um die Webcam nicht mit der Zeit kippen zu lassen. Beide Kameramodule lassen sich überdies auch nach rechts und links drehen, wofür – zumindest bei der Kiyo Pro – ebenfalls zur Nutzung beider Hände geraten werden kann.

Zwei USB-C-Kabel mit Unterschieden

Die beiliegenden Kabel der beiden Webcams unterscheiden sich wiederum. Zwar bieten beide Kameras eine USB-C-Buchse, Elgato stattet die Facecam allerdings mit einem 2 m langen, gummierten Kabel aus, während die Kiyo Pro über ein lediglich 1,5 m langes, mit Nylon umwickeltes Exemplar verfügt. Schon das Kabel der Facecam ist dabei alles andere als flexibel, das der Razer-Webcam jedoch wirklich arg steif und widerspenstig – teilweise so sehr, dass die Kiyo Pro durch das Kabel gedreht wird, sofern die Schraube der Halterung nicht fest angezogen ist. Die kürzere Länge macht diesen Umstand noch problematischer: Steht das Kabel unter Spannung, weil es nur knapp von Webcam zu PC reicht, ist eine feine Abstufung der Drehung der Webcam kaum noch möglich.

Beide Webcams lassen sich auf Stative schrauben

Alternativ lassen sich sowohl Facecam als auch Kiyo Pro per 1/4-Zoll-Gewinde auf einem gewöhnlichen Stativ befestigen. Im Fall der Elgato-Webcam müssen Nutzer dafür die dreh- und neigbare Halterung entfernen, sodass das Kameramodul starr auf dem Stativ sitzt. Sofern es wiederum über Gelenke verfügt, stellt das kein Problem dar. Doch gerade günstigere oder kleinere Stative kommen oftmals ohne entsprechende Beweglichkeit daher. Die Kiyo Pro ist für diesen Fall besser gewappnet: Sie kann entweder ohne ihre oder aber mitsamt ihrer Halterung angeschraubt werden. Im zweiten Fall stehen anschließend all jene Ausrichtungsmöglichkeiten zur Verfügung, die auch bei Befestigung auf einem Bildschirm bestehen.

Einrichtung und alternative Software

Nun stellt sich die Frage, was Nutzer nach dem Kauf der gewählten Kamera alles tun müssen, um in Anwendungen ihrer Wahl ein Bild zu erhalten. Und im Idealfall lautet die Antwort: Die Webcam aufstellen und einstecken. Allerdings gilt es zu beachten, dass sowohl Facecam als auch Kiyo Pro einen USB-3.0-Steckplatz benötigen. Viele USB-Hubs scheiden allein deswegen aus, wobei die Elgato-Webcam selbst an USB-3.0-Hubs nicht immer ordnungsgemäß funktionieren wollte. Sogar am USB-3.0-Anschluss am Front-Panel des PC-Gehäuses kam es vereinzelt zur Fehlermeldung, die Facecam solle doch bitte in einen USB-3.0-Port gesteckt werden, da sie sonst nicht funktioniere.

Kabelprobleme bei der Facecam

Hintergrund des Problems ist einerseits, dass die Facecam aufgenommene Videodaten unkomprimiert im UYVY-Format überträgt. Dabei handelt es sich um um eine YUV-Kodierung mit 4:2:2-Farbunterabtastung, wobei kanpp 2 Gbit/s respektive rund 250 MB/s an Bandbreite benötigt werden. Andererseits lag die Fehlerursache auch beim mitgelieferten Kabel der Facecam, wie Elgato auf Rückfrage seitens ComputerBase bestätigte und ein Ersatzkabel bereitstellte. Mit diesem wiederum reduzierten sich die vorab beschriebenen Probleme drastisch.

Auf eine weitere Rückfrage, inwiefern Elgato Käufer der Facecam über das fehlerhafte Kabel unterrichten beziehungsweise Ersatz anbieten wolle, antwortete der Hersteller schließlich einige Wochen später: Inzwischen liege der Facecam ab Werk das neue Kabel bei. Nutzer können es optisch an der Anschlussseite der Webcam erkennen: Das alte, potentiell fehlerhafte Kabel verfügt über einen USB-A-Anschluss mit abgerundeter Fassung, während das neue eine rechteckige Fassung aufweist. Auf Käufer mit altem Kabel geht Corsair indes nicht initiativ zu; bei Problemen werde aber über den Support der Versand eines Ersatzkabels veranlasst, teilt der Hersteller auf Nachfrage mit.

Auch andernorts kann das Kabel ein Problem darstellen

Razers Webcam gibt sich diesbezüglich ein wenig gelassener und funktionierte auch an USB-3.0-Hubs. Ebensolche – oder aber ein USB-3.0-Verlängerungskabel – sind aber oftmals dringend nötig, denn zumindest schön verlegen lässt sich ein 1,5 m langes Kabel vom oberen Bildschirmrand bis hinter den PC oftmals nicht. Deutlich einfacher gestaltete sich der Vorgang mit der C270, die auch mit einem USB-2.0-Anschluss arbeiten kann. Bei Verwendung eines Smartphones als Webcam hängt es schließlich von der gewählten App und dem vorhandenen Modell ab, ob USB 3.0 benötigt wird – zumeist darf aber davon ausgegangen werden. Einige Apps begnügen sich in diesem Fall jedoch auch mit einer drahtlosen Verbindung.

Die Einrichtung einer Systemkamera als Webcam gestaltet sich wenig verwunderlich am kompliziertesten. Einerseits ist jene zu schwer, als dass sie einfach auf dem oberen Rand eines Bildschirms platziert werden könnte, sodass zwingend ein Stativ erforderlich wird. Andererseits muss auch ein passendes Objektiv vorhanden und angeschraubt sein. Danach stellt sich die Frage, ob Nutzer die bestmögliche Qualität anstreben und eine Capture-Card erwerben und im PC verbauen, woraufhin zumeist ein HDMI-Kabel zwischen Kamera und PC verlegt werden muss. Bei der alternativen Anbindung über App – in diesem Fall Sonys Imaging Edge – ist ein USB-3.0-Kabel erforderlich. In jedem Fall muss derweil auch die Kamera selbst entsprechend eingestellt werden.

Elgato und Razer bieten funktionale Software

Doch auch Facecam und Kiyo Pro bieten einiges an Konfigurierbarkeit, sofern Nutzer die entsprechenden Programme herunterladen. Sowohl Elgato Camera Hub als auch Razer Synapse 3 taten sich derweil im Rahmen des Tests oftmals sehr schwer damit, die mit dem PC verbundenen Webcams korrekt zu erkennen. Insbesondere bei Razers Synapse glich es oftmals einem Glücksspiel, ob die Kiyo Pro nach einem Neustart von der Software entdeckt wurde oder nicht.

Sind die Programme aber installiert und haben sie die Webcams erst einmal erkannt, so erweisen sie sich durchaus als sehr hilfreich. Beide Apps erlauben es beispielsweise, den ISO-Wert – also die Lichtempfindlichkeit des Sensors –, das Sichtfeld, die Kontraste, die Sättigung, den Weißabgleich und eine Flimmerreduzierung (50 oder 60 Hz) einzustellen. Selbstredend geschieht die Anpassung des Sichtfeldes dabei nicht über einen tatsächlichen optischen Zoom, da beide Kameras über ein Festbrennweitenobjektiv verfügen. Stattdessen wird das vorhandene Bild lediglich digital – und stets zentriert – beschnitten, wobei das im Fall der Facecam stufenlos und im Fall der Kiyo Pro in drei vordefinierten Stufen möglich ist.

Letzere bietet überdies eine Einstellung des Fokus. Ab Werk ist der Autofokus aktiviert, alternativ kann aber auch auf manuellen Fokus umgeschaltet werden. Ebendieser ist dann nach Belieben einstellbar. Solche Optionen fehlen der Facecam völlig – aus offensichtlichem Grund: Das Objektiv der Elgato-Webcam verfügt gar nicht über Fokuslinsen, stattdessen gibt es einen fixen Fokusbereich – doch dazu später mehr.

Eine weitere Option, die lediglich die Kiyo Pro bietet, ist der HDR-Modus. Ist er aktiviert, sinkt die maximale Bildrate jedoch auf 30 FPS. Die Facecam wiederum gewährt im Gegensatz zur Razer-Webcam die Möglichkeit, den Messmodus zu ändern. Das bedeutet konkret, dass Nutzer selbst entscheiden können, ob die Kamera ihre Belichtungseinstellungen anhand des gesamten Bildes oder aber mit höherer Gewichtung der Bildmitte bestimmen soll. Da sich in ebenjener idealerweise das Gesicht befindet, sollte es der Facecam anhand dieser Option theoretisch möglich sein, das eigentliche Motiv ordentlich zu belichten, falls der Hintergrund zu dunkel oder aber zu hell ist. Die Kiyo Pro wiederum verfolgt das gleiche Ziel, indem sie per Autofokus versucht, das Gesicht zu finden und entsprechend zu belichten.

Beide Webcams eint ein interner Speicher

Besonders erfreulich ist derweil die Tatsache, dass beide Programme im Grunde genommen nur einmal genutzt werden müssen, um die Kameras an gegebene Umgebungsbedingungen anzupassen. Sobald alle Einstellungen gesetzt und gesichert sind, können sowohl Facecam als auch Kiyo Pro auf ihren integrierten Speicher zugreifen und benötigen keine aktive Software-Begleitung. Allerdings kann es nichtsdestoweniger hilfreich sein, die Softwares beim Streamen dauerhaft laufen zu lassen, falls sich die Lichtverhältnise im Laufe des Streams (drastisch) verändern – dann nämlich kann ein manuelles Eingreifen oft Wunder wirken.