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Atari 2600+: Neuauflage unterstützt Original-Cartridges

Michael Schäfer
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Atari 2600+: Neuauflage unterstützt Original-Cartridges
Bild: Atari

Atari und Plaion haben zusammen eine Neuauflage der im Jahr 1977 erschienenen und mehr als 30 Millionen Mal verkauften ikonischen 8-Bit-Spielekonsole VCS 2600 angekündigt. Das Besondere an der nun mit einem „+“ im Namen versehenen „originalgetreuen Nachbildung“ ist die Unterstützung von originalen Spielmodulen.

Äußerlich präsentiert sich die Nachbildung im Gewand der originalen Konsole mit Holzoptik, die 1979 auch auf dem deutschen Markt erschien. Es folgten 1981 eine überarbeitete Version mit lediglich vier statt der bekannten sechs Schaltern in Front und die dem Anschein nach Pate für die Neuauflage gestanden hat, sowie die komplett in schwarzen Kunststoff gehüllte und daher von Retro-Fans gerne „Darth Vader“ genannte Version von 1982. Zwei Jahre später schob Atari mit der „Junior“ noch eine günstigere Variante nach. Diese Schalter besitzen den Produktbildern nach zu urteilen mit Power, TV Type, Game Select und Game Reset zumindest die gleiche Benennung – lediglich die Darstellung fällt etwas moderner aus.

Trotz der exakten Nachbildung fällt diese mit 27 × 18 × 7 cm rund 80 Prozent kleiner als das Original aus. Aber auch an kleine Gimmicks haben die Entwickler gedacht: So soll beim Spielen das Atari-Logo leuchten.

Das Atari 2600+ mit 10-in1-Modul und CX40+-Controllern
Das Atari 2600+ mit 10-in1-Modul und CX40+-Controllern (Bild: Atari)

Neue Technik und Emulation

Wo das Original noch auf einem Mikroprozessor vom Typ MOS 6507 (eine speziell für Atari hergestellte Variante des MOS 6502) aufbaute, setzt Atari beim 2600+ auf mit dem Rockchip 3128, 256 MB DDR3-RAM und 256 MB internem Speicher auf neuere Technik. Damit werden auch die Spiele auf der neuen Konsole nicht nativ dargestellt, sondern emuliert. Darüber hinaus verfügt das 2600+ über eine USB-Stromversorgung und einem HDMI-Anschluss. Die Ausgabe soll zudem mehrere Auflösungen inklusive Widescreen unterstützen.

(Originale) Cartridges als Spielelieferant

Die Unterstützung von Original-Cartridges dürfte manchen Retro-Fan aufhorchen lassen. Diese ist jedoch nicht nur auf die des originalen 2600 beschränkt, sondern kann auch Module des direkten Nachfolgers Atari 7800 wiedergeben. Eine von Atari veröffentlichte Liste (PDF) führt bereits hunderte von Spielen des VCS 2600 auf, die auf ihre Kompatibilität überprüft wurden und mit dem 2600+ funktionieren sollen. Von den 57 für das Atari 7800 erschienenen und getesteten Titeln sollen 49 zur Retro-Konsole kompatibel sein. Wer sich also über die Jahrzehnte nicht von seinen Spielmodulen getrennt hat, ist beim 2600+ klar im Vorteil.

Atari 2600+ – 4-in-1-Paket mit Paddle-Controller
Atari 2600+ – 4-in-1-Paket mit Paddle-Controller (Bild: Atari)

Ob die Plus-Variante auch Spiele des als Antwort auf die zunehmende Konkurrenz von Intellivision und ColecoVision auf den Markt gebrachten VCS 5200 nutzen kann, ist aus den aktuellen Informationen nicht ersichtlich. Auch wenn die Konsole bereits im Herbst 1982 in die Läden kam, gilt diese nicht als direkter Nachfolger des Atari 2600. Das liegt zum einen an der auf dem Atari 400 und 800 beruhenden Technik sowie nicht zuletzt daran, dass die Konsole inkompatibel zu den Modulen des Atari 2600 war. Diese wurden erst mit dem 7800 eingeführt. Die fehlende Kompatibilität könnte darauf zurückzuführen sein, dass unter anderem die CBS ColecoVision über einen optionalen Adapter auch Spiele des VCS nutzen konnte. Möglicherweise wollte Atari dies damit unterbinden, da der Konkurrenzkonsole dadurch eine viel größere Anzahl von Spielen zur Verfügung stand.

Die dem Original nachempfundenen CX30+ Paddle-Controller
Die dem Original nachempfundenen CX30+ Paddle-Controller (Bild: Atari)

Reichhaltiges (optionales) Zubehör

Zur Neuauflage gehört auch ein Controller, der unter der Bezeichnung CX40+ ebenfalls dem Original nachempfunden wurde und laut Hersteller das Nostalgiegefühl verstärken soll. Das Paket soll ab dem 17. November weltweit erhältlich sein, auch wenn auf der Produktseite die Verfügbarkeit noch ausschließlich für die USA angegeben wird. Hierzulande gibt der Hersteller eine unverbindliche Preisempfehlung von 119,99 Euro an. Im Paket enthalten ist auch eine 10-in-1-Cartridge, welche Spieleklassikern wie Adventure, Combat, Dodge 'Em, Haunted House, Maze Craze, Missile Command, Realsports Volleyball, Surround, Video Pinball und Yars' Revenge beinhaltet. Darüber hinaus kündigte der Hersteller eine Spiele-Box mit den Titeln Break Out, Canyon Bomber, Night Driver und Video Olympics inklusive einer Nachbildung des CX-30 Paddle Controllers an, welche für 34,99 Euro zu haben sein wird. Ein zusätzlicher CX40+-Joystick ist mit 22,90 Euro aufgeführt. Darüber hinaus sollen auch einzelne Spiele auf Cartridge erscheinen. Angekündigt wurden bereits die Titel „Berzerk (Enhanced Editioin)“ und „Mr. Run And Jump“, für die bisher lediglich der US-Preis von jeweils 29,99 Dollar genannt wurde.

Die dem Original nachempfundenen CX30+ Paddle-Controller
Die dem Original nachempfundenen CX30+ Paddle-Controller (Bild: Atari)

Weitere Spiele dürften folgen

Dass Atari in der Folgezeit weitere einzelne Cartridges oder Modulepakete veröffentlichen wird, scheint nicht unwahrscheinlich – zumindest können so die Aussagen von Wade Rosen, Chairman und CEO von Atari, gedeutet werden: „Die Bewahrung klassischer Spiele ist eine Priorität für Atari, und die Veröffentlichung des Atari 2600+ wird die Hunderten von Atari 2600- und 7800-Spielen, die in den letzten 50 Jahren veröffentlicht wurden, für jedermann zugänglich machen“. Ob sich darunter dann auch die VCS-Variante von „Pac Man“ befinden wird, die mit 7,7 Millionen Einheiten trotz teilweise massiver Kritik nach wie vor der am meisten verkaufte Titel für die 8-Bit-Konsole darstellt, ist nicht bekannt. Ebenso lassen die bisher veröffentlichten Informationen keine Rückschlüsse darauf zu, ob die Konsole die Möglichkeit zur Verwendung eigener Spiele-Images bieten wird. Eine entsprechende Anfrage wurde gestellt und wird bei Beantwortung nachgereicht. Sollte dies nicht direkt über die Konsole möglich sein, würde sich eine entsprechende gestaltete Cartridge anbieten – sofern sich dafür findige Entwickler finden lassen würden.

Nicht der erste Versuch einer 2600-Auferstehung

Der Atari 2600+ ist nicht die erste Retro-Konsole, welche das Spielgefühl des Originals zu emulieren versucht. So brachte die Atari SA, welche die Namensrechte von Atari erworben hatte, eine schlicht als VCS benannte Retro-Konsole auf den Markt, deren kurzes Leben von zahlreichen Querelen geprägt war: So erschien die per Crowdfunding finanzierte Konsole, deren Verkaufsstart seinerzeit mit März 2020 angegeben wurde, nach rund vierjähriger Entwicklung mit fast 15 Monaten Verspätung doch noch – aber nur in den USA. Zudem hatten bereits ein Jahr zuvor Entwickler das Unternehmen aufgrund ausbleibender Zahlungen verklagt, darunter auch der Chef-Entwickler Rob Wyatt. Mit dem Rückzug der Entwickler verschärfte sich die ohnehin prekäre Lage rund um die Retro-Konsole noch einmal. Da das Projekt zu diesem Zeitpunkt ohne Entwickler dastand, war bereits klar, dass der angekündigte Veröffentlichungstermin nicht eingehalten werden konnte. Sogar ein Aus des VCS stand im Raum.

Bereits Ende 2022 wurde die Produktion des VCS mangels Erfolg wieder eingestellt. Der angestrebte Verkaufspreis von 300 US-Dollar dürfte daran nicht ganz unschuldig sein.