Entscheidung in den USA: Für TikTok beginnt jetzt der Wettlauf gegen den Bann
TikTok hat sich lange gewehrt, doch das konnte den US-Kongress und US-Präsidenten nicht länger aufhalten: Sowohl Repräsentantenhaus als auch der Senat haben mit überwältigender Mehrheit für ein Ultimatum an ByteDance votiert. Präsident Biden hat das Gesetz heute unterzeichnet. Für TikTok beginnt nun ein Wettlauf gegen den Bann.
TikTok-Bann oder Ultimatum?
Wie schaut das heute verabschiedete Gesetz nun genau aus? Erst einmal: Die Rechtsnorm sorgt nicht sofort für einen „totalen TikTok-Bann“, wie ihn etwa der Guardian bezeichnet. Der Bann der sozialen Plattform aus den USA ist das schneidige Schwert des Gesetzes, allerdings will der Gesetzgeber damit erst einmal ein Ultimatum aufstellen. Die Gefahr für TikTok bleibt also real, aber noch abwendbar.
Bis zu ein Jahr hat TikTok Zeit
Denn bevor es überhaupt zum Bann kommt, sieht das Gesetz einen Zeitraum von 270 Tagen – also rund neun Monaten – vor, in denen TikTok sich von seinem chinesischen Eigentümer ByteDance zu trennen hat. Ziel ist es, dass ein möglicher chinesischer Einfluss auf die Plattform unterbunden wird. Dieser Zeitraum kann zusätzlich von dem jeweiligen amtierenden Präsidenten um 90 Tage verlängert werden, wodurch TikTok bis zu einem Jahr Zeit haben könnte, um den Forderungen nachzukommen.
Wie sieht ein Bann aus?
Schafft es ByteDance in diesem Zeitfenster nicht, TikTok an einen geeigneten Käufer zu übertragen, so wird der Bann in Kraft treten, insofern ihn Gerichte nicht vorher aufhalten. Das wäre frühestens Ende Januar 2025, der Fall und damit nach der Vereidigung des nächsten Präsidenten der USA. Denn im kommenden Herbst steht die nächste Wahl an.
Für TikTok würde es dann ernst werden: Google und Apple dürften die App in den USA nicht mehr anbieten. Auch das Hosting von Website oder App-Inhalten über eine US-Firma wird untersagt (Reuters). Das Netzwerk in den USA zu betreiben, soll damit unmöglich werden. TikTok dem „totalen Bann“ unterliegen.
Hohe überparteiliche Zustimmung
Das Vorgehen ist nicht unumstritten: Ein Eingriff in die Meinungsfreiheit nennen es Kritiker, den Schutz nationaler Interessen die Befürworter. Auch der Zeitraum wird dabei kritisiert, die Übernahme von TikTok wäre ein Milliarden-Geschäft, das kaum innerhalb der Zeit abzuwickeln sei, argumentiert etwa der Senator Ed Markey. Eine Klage durch ByteDance vor US-Gerichten ist damit vorprogrammiert. Der Rechtsweg steht TikTok in den USA nämlich offen.
Dennoch hat das Gesetz eine große überparteiliche Mehrheit hinter sich: Im Repräsentantenhaus alleine haben 360 der 435 Abgeordneten für das Ultimatum gestimmt. In der anderen Kammer haben 79 von 100 Senatoren dafür votiert – In beiden Kammern konnte also (mehr als) eine 2/3-Mehrheit mobilisiert werden. In den USA wird dies auch eine „Super Majority“ genannt.
US-Hilfen wurden mit Ultimatum zusammengelegt
Die hohe Zustimmung im Senat liegt auch an einem Kniff, den das Repräsentantenhaus angewandt hat: Das Gesetz über einen möglichen TikTok-Bann wurde zusammen mit rund 95 Milliarden US-Dollar an Ukraine-, Israel- und Taiwan-Hilfen an den Senat geschickt. Da dieser seit Monaten auf eine Zustimmung zu den US-Hilfen wartet, war eine Abstimmung zugunsten des Ultimatums bereits im Vorfeld sehr wahrscheinlich, denn Nein zu TikTok wäre auch ein Nein zu den Hilfen an die Verbündeten gewesen.
Nicht der erste Versuch in den USA
Das Gesetz hat damit einen langen Weg hinter sich. Bereits der ehemalige und mittlerweile mehrfach angeklagte US-Präsident Donald Trump hat TikTok versucht zu verbieten, scheiterte aber schlussendlich an einer vorläufigen einstweiligen Verfügung (npr). Sein Nachfolger Joe Biden hat den Bann bei Amtsübernahme daraufhin zurückgenommen.
Unterzeichnung in Kürze
Gefahr für das Vorhaben droht hier allerdings nicht: US-Präsident Biden hat bereits angekündigt, den erneuten Bann-Versuch noch diesen Mittwoch zu unterzeichnen. Seine Zustimmung ist notwendig, da der US-Präsident in den USA ein Veto-Recht hat. Ob der jüngste Versuch, die soziale Plattform zweifelsfrei von China loszulösen, heuer gelingt, bleibt aber abzuwarten. Die rechtliche Auseinandersetzung werde mit der Unterzeichnung wohl erst starten.
US-Präsident unterzeichnet das Gesetz
US-Präsident Joe Biden hat das vom Kongress beschlossene Gesetz unterzeichnet. In einer ersten Stellungnahme lag der Fokus allerdings auf den 95 Milliarden US-Dollar an Hilfen für das Ausland. Der mögliche Bann der in den USA sehr beliebten Plattform fand keine Erwähnung.
Doch auch wenn die Aufmerksamkeit im politischen Washington nun zuerst auf der lang erkämpften Unterstützung für die Verbündeten liegt, so ist mit der Unterzeichnung der H.R. 815 auch das Ultimatum an TikTok in Kraft getreten: Die Zeit für das soziale Netzwerk hat – zumindest in den USA – damit angefangen zu schlagen.