Next-Gen-Tastaturen: Hall-Effekt-Switches sind mechanische Taster 2.0

Max Doll
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Next-Gen-Tastaturen: Hall-Effekt-Switches sind mechanische Taster 2.0
Bild: Razer

Als das nächste große Ding bei Tastaturen haben sich variable Hall-Effekt-Taster als „Next-Gen-Produkt“ herauskristallisiert. Im Gegensatz zu anderen Trends in dem Segment hat die Technologie wirklich handfeste Vorteile. ComputerBase erklärt die Technik und was Taster damit so gut macht.

So funktionieren die Hall-Effekt-Taster

Mechanische Taster waren vor wenigen Jahren noch kleine „Lichtschalter“, die beim Eindrücken an einer vorgegebenen Stelle lediglich zwei Metallkontakte miteinander verbunden haben. Hall-Effekt-Technik operiert anders. Beim Eindrücken wird ein Magnet dichter an das PCB der Tastatur bewegt und verändert dadurch das Magnetfeld des darauf montierten Sensors. So lässt sich genau berechnen, wie tief eine Taste eingedrückt wurde.

Dieses Prinzip hat sich für variable Taster als gängige Version herauskristallisiert. Lediglich Razer nutzt „Analog Optical Switches Gen 2“, die ebenfalls die Eindrücktiefe erfassen, aber dazu auf Lichtschranken-Technik setzen. Bei optischen Tastern sitzt unter dem Stempel eine Lichtschranke, die beim Eindrücken unterbrochen wird – ergo wird dann ein Signal übertragen. Wie das Erfassen der Eindrücktiefe mit dieser Technik funktioniert, erklärt Razer nicht. Bei SteelSeries' variabel einstellbaren OptiPoint-Tastern wurde das über zwei Sensoren gelöst, die erfasst haben, ob und wie viel Licht der Lichtschranke beim Eindrücken des Tasters blockiert wurde. Einfache Optical-Switches erfassen hingegen nur, ob Licht am Sensor ankommt oder nicht.

Herkömmliche mechanische Taster wie der Cherry MX erzeugen Signale mit Metallkontakten
Herkömmliche mechanische Taster wie der Cherry MX erzeugen Signale mit Metallkontakten (Bild: Cherry)
Bei Hall-Effekt-Modellen werden ein Magnet und ein Sensor genutzt
Bei Hall-Effekt-Modellen werden ein Magnet und ein Sensor genutzt (Bild: Wooting)
GIF Razers Opto-mechanische Taster lösen über eine Lichtschranke aus (Bild: Razer)

Das sind die wesentlichen Vorteile

Wann die Tastatur dann ein Signal an den PC überträgt, ist es lediglich eine Frage von Software in Form der Firmware – und damit variabel wählbar. Damit muss nicht mehr zwischen früh auslösenden „Gaming-Taster“ und normalen Modellen unterschieden werden, ein Modell reicht für verschiedenste Anforderungen mit Auslösepunkten zwischen 0,1 und 4 Millimetern. Davon profitiert der Hersteller durch die Verschlankung der Logistik und Produktion, aber auch der Konsument, der ein „All-in-One-Gerät“ erwirbt.

Diese softwareseitige Bestimmung einer Signalübertragung eröffnet weitere Möglichkeiten. Oftmals können zwei Auslösepunkte definiert werden, um zwei Funktionen auf eine Taste legen zu können. Ein geringes Eindrücken würde in einem Shooter etwa zum Werfen führen, tieferes Eindrücken zum Nachladen der Waffe.

Viel relevanter ist für das Genre aber eine Funktion, die sich unter der Bezeichnung „Rapid Trigger“ etabliert hat. Dabei ist die Bewegung der Taste entscheidend: Ein Signal wird immer dann erzeugt, wenn die Taste heruntergedrückt wird, die Übertragung immer dann unterbrochen, wenn die Taste sich nach oben bewegt. Dadurch sind zügige Mehrfachauslösungen an jeder Stelle der Taste möglich, schließlich muss die Taste nicht mehr zurück zum Signalpunkt und um ihn herum bewegt werden. Praktisch fühlt sich diese Konfiguration der Taster extrem reaktionsfreudig und agil an.

Diese Vorteile gibt es auch noch

Von geringerer Bedeutung ist die Möglichkeit, analoge Signale zu generieren: Theoretisch kann beim Eindrücken wie bei einem Thumbstick die genaue Position der Taste in einem Wertespektrum ausgegeben werden, um z.B. in Rennspielen die Stellung von Gaspedal oder Lenkrad genau abzubilden. Der geringe Hub von maximal vier Millimetern lässt Taster aber nicht an die Präzision und Geschwindigkeit von Joystick und Co herankommen.

Auf technischer Seite können Hersteller die Entprellzeit sparen oder herunterschrauben. Bei Metallkontakt-Tastern muss nach erstmaligen Anliegen eines Signals ein paar Millisekunden gewartet werden um zu prüfen, ob der Kontakt tatsächlich dauerhaft geschlossen wurde, um Phantom- oder Mehrfachauslösungen zu verhindern. Dies ist aufgrund der Sensortechnik nicht nötig. Mehr als fünf Millisekunden lassen sich damit aber selbst im besten Fall nicht sparen, normalerweise sind es weniger. Innerhalb der gesamten Signalkette vom Eindrücken einer Taste bis zu einer Reaktion auf dem Bildschirm fällt die Einsparung jedoch nicht ins Gewicht.

In Summe sind variable Taster deshalb tatsächlich der nächste große Schritt bei Tastaturen und heben sich durch ihren klaren Mehrwert von vorherigen „Innovationsversuchen“ ab: Eine Vielzahl von Makrotasten, Handyhalter oder Displays mit jeweils proprietärer Software haben das nie geschafft, ihr Scheitern war klar vorherzusehen.

Fazit: Richtig gut, aber nicht immer die Ablösung

Das Ende aller vorherigen Technologien und Taster sind Hall-Effekt-Modelle jedoch nicht. Ihr größter Nachteil ist, dass sie auf lineare Abstimmungen beschränkt sind. Einen Druckpunkt können sie nicht besitzen, weil dessen Position fixiert werden, aber logischerweise auch mit dem Auslösepunkt zusammenfallen muss. Letzteres ist nicht zu erfüllen, wenn sich der Auslösepunkt beliebig verschieben lässt. Wer einen Klick möchte, wird auch in Zukunft Metallkontakt- oder optische Lichtschranken-Taster mit festen Auslösepunkten kaufen.

Von Wooting kommen die derzeit rundesten Hall-Effekt-Tastaturen
Von Wooting kommen die derzeit rundesten Hall-Effekt-Tastaturen

Darüber hinaus sind Hall-Effekt-Taster zumindest aktuell noch ein kostspieliges Vergnügen. Sie haben zwar mittlerweile viele große (Gaming-)Hersteller im Programm, unter einer Grenze von aktuell circa 160 Euro in Form der Turtle Beach Vulcan II TKL Pro geht jedoch nichts. In der Regel liegen Tastaturen wie die Corsair K70 Max (Test) oder die SteelSeries Apex Pro sogar noch deutlich darüber. Hardware wird mit solchen Tastern gar nicht mehr zum entscheidenden Kriterium; es ist schlanke, schnelle Software, die immer wichtiger wird. Als gemeinhin beste Hall-Effekt-Tastatur wird deshalb die Wooting 60HE (Test) beziehungsweise deren Fullsize-Modell gehandelt.

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