Dragon Age 2 im Test: Tausche mehr Action gegen weniger Rolle

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Sasan Abdi
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Questdesign

Das aus dem ersten Teil bekannte Questdesign bleibt sich auch in „Dragon Age 2“ weitgehend treu. Und das ist dank der guten Konzeption auch gut so. Dementsprechend kann man an vielen Ecken von Kirkwall diverse Nebenquests annehmen, die zumeist neben Geld und Gegenständen neue Möglichkeiten und Wege eröffnen und zudem weitere Details und Geheimnisse aus der DA-Welt bereithalten. Hinzu kommen an die Party-Mitglieder angelehnte Missionen, über die man nähere Einzelheiten zur Hintergrundgeschichte seiner Mitstreiter erfahren kann.

Alles in allem handelt es sich hierbei weiterhin um ein gutes System, das geschickt Inhalte miteinander verwebt und und dank der soliden Ausgestaltung der Hauptquests für ein Plus in puncto Spieltiefe sorgt. Ermöglicht wird dies durch eine umfassende inhaltliche Varianz: Man fahndet beispielsweise nach dem Testament von Hawks Großeltern, hilft von der Kirche verfolgten Magiern und kümmert sich ganz nebenbei auch noch um das Große und Ganze der Haupthandlung – kein Wunder, dass nur schwerlich Langeweile aufkommt. „Dragon Age“-typisch hat man in diesem Zusammenhang auch immer wieder persönliche, moralische Entscheidungen zu treffen, die sich nicht nur auf die Durchführung der jeweiligen Quest, sondern auch auf das Verhältnis zu den Party-Mitgliedern auswirken.

Talentsystem

Es wurde bereits angedeutet, dass BioWare bei „Dragon Age 2“ von einem hohen Grad an Detailverliebtheit und Komplexität in Richtung solider Alltagskost samt nennenswerter Vereinfachungen abgerückt ist. Dies wird bei der Betrachtung der hinter den Inhalten stehenden Konzeption am deutlichsten.

Was beim Kampfsystem noch eindeutiger zum Ausdruck kommt (siehe nächster Abschnitt), deutet sich bereits beim Blick auf das Talentsystem und die Ausrüstung an, denn schon hier hat eine deutliche, zumindest diskussionswürdige Entschlackung stattgefunden.

DA-2-Talentsystem: Übersichtlicher, aber weniger frei
DA-2-Talentsystem: Übersichtlicher, aber weniger frei

Während man es mit einigem Einsatz im durchschnittlich-komplexen Talentsystem von „Dragon Age Origins“ durchaus hinbekommen konnte, seinen Charakter aufgrund von falschen Talententscheidungen zu „verskillen“, ist dies beim Nachfolger wegen einer dahingehend eindeutigen Vereinfachung nahezu unmöglich. So darf beim Charakter-Upgrade nur noch auf feste Talentgruppen zurückgegriffen werden, die einzig die für die jeweilige Klasse relevanten Fertigkeiten bereithalten. Hinzu kommt, dass die Begleiter selbst in dieser Hinsicht beschränkt sind, sodass man beispielsweise nicht jeden Krieger den Kampf mit zwei Waffen lernen lassen kann. Dies hat zwar den Vorteil, das Einsteiger ohne Probleme mit dem System umgehen können – ist man jedoch über die ersten Gehversuche hinaus, gestaltet sich die Vereinfachung eher als Einschränkung der Gestaltungsfreiheit. Abgemildert wird dieser problematische Punkt allerdings dadurch, dass die neuen Talentgruppen durchaus sinnvoll und divers ausfallen: So kann man den einen Krieger zu einem offensiven barbarischen Schlächter entwickeln, während sich der andere auf defensive Schildtaktiken spezialisiert. Das ist gut so, vermag die bereits entstandenen Bauchschmerzen aber nicht vollends zu neutralisieren, zumal sich die Frage stellt, warum eine solche Vereinfachung sein muss, wo es doch auch die Möglichkeit gibt, Upgrades automatisch durchführen zu lassen.

Kurzer Video-Einblick in „Dragon Age 2“

Beinahe genauso diskussionswürdig fällt der Eingriff in die Ausrüstung aus. Hier kann man nur noch den Hauptcharakter nach Belieben mit Rüstungsgegenständen versorgen. Die Party-Mitglieder verfügen dagegen über feste Rüstungen, die zwar über die persönlichen Quests aufgewertet werden, ansonsten aber nicht modifiziert werden können. Dies führt dazu, dass eben diese Gegenstände, sofern sie nicht zu Garrett Hawke passen, regelmäßig nur zum Verkauf verwendet werden können. Immerhin: Kleinere Gegenstände wie Gürtel, Ringe und Amulette können nach wie vor frei zugewiesen werden.

Kampfsystem

Sieht man von der Handlung ab, so findet sich die größte Veränderung, die „Dragon Age 2“ vom Vorgänger unterscheidet, beim Kampfsystem. Auf den Punkt gebracht kann man sagen: DA 2 ist – zumindest in dieser Hinsicht – im Vergleich zum Vorgänger mehr Action- und weniger Rollenspiel.

Dies äußert sich zunächst in einem entschlackten Menü. Die DA-2-Oberfläche ist gerade im Kampf übersichtlicher, bietet aber dabei dementsprechend auch weniger Einflussmöglichkeiten. Verstärkt wird die Action-Perspektive durch die Kampfgeschwindigkeit: Während es bei DAO noch vergleichsweise gemächlich zu Werke ging, entfalten die DA-2-Charaktere ein ziemliches Tempo bei Schwerthieben und dem Abschuss von Pfeilen und Feuerbällen – coole Moves inklusive. Bezeichnend ist aber, dass das meiste ohne Zutun des Spielers von statten geht: Ist ein Ziel einmal angewiesen, hackt bzw. schießt die Party automatisch auf den Gegner, bis dieser das Zeitliche segnet.

DA-2-Kampf: Mehr Action, weniger Taktik
DA-2-Kampf: Mehr Action, weniger Taktik

Auf den Faktor „Taktik“ kommt es dabei dementsprechend weniger an, als noch im Vorgänger, weswegen auch die aus der Perspektive eines Action-Freundes aufwändige „Wenn-Dann“-Scripterei, mit der man seinen Charakteren bestimmte Auto-Funktionen à la „wenn Gesundheit bei X, nutze Heiltrank“ zuweisen konnte, kaum noch benötigt wird, da man – zumindest auf der Stufe „normal“ – auch so ohne Probleme durchkommt.

Auch bezüglich der Qualität dieser Änderungen kann man geteilter Meinung sein. Während Action-Spieler die beschriebene Verschiebung sicher gutheißen werden, dürften echte Rollenspieler hier eine Verschlechterung identifizieren. Wir würden an dieser Stelle der letzteren Sichtweise folgen: Das Kampfsystem von „Dragon Age 2“ fällt zu automatisch aus und unterfordert den Spieler systematisch, was die Frage aufwirft, ob man ein Mehr an Dynamik tatsächlich zwingend mit einem Weniger an Spieltiefe und Komplexität erkaufen muss.

Hinzu kommt, dass der Erhöhung des Action-Anteils auch die Übersicht geopfert wird. Da es für ein sogenanntes „Action-Rollenspiel“ offenbar nicht angemessen ist, eine klassische Kamera-Draufsicht zu integrieren, fällt diese aus DAO bekannte Funktion weg, sodass man nur noch minimal per Mausrad aus der Schulterperspektive heraus zoomen kann, was zur Folge hat, dass man aus Gründen der Übersicht häufiger die Pause-Taste betätigen muss, um den eigenen Charakter ein mal zu „umfliegen“.