Loongson-CPU im Test: Der Mini-PC mit dem China-Prozessor im Benchmark
Erste CPU-Eigenentwicklungen aus China werfen immer längere Schatten voraus. Nach den x86-CPUs von Zhaoxin arbeitet im Mini-PC Morefine eine Loongson-CPU auf MIPS-Basis, deren Fertigung komplett in China erfolgte. ComputerBase hat die CPU im Mini-PC von Morefine aus China getestet und zahlreiche Benchmarks erstellt.
China braucht mehr risikofreie CPUs
Die Volksrepublik China möchte und muss unabhängiger bei IT-Technologie werden. Das gilt nicht nur für GPUs, weil die Einfuhr der Produkte von Nvidia und AMD in Folge von US-Sanktionen zunehmend schwerer wird, sondern auch für CPUs. x86 und Arm beziehungsweise die Rechte an den Architekturen sind im Besitz westlicher Unternehmen und Lizenzen für chinesische Firmen schon länger keine sichere Bank mehr.
Nur ein Hersteller mit x86-Lizenz
Der einzige chinesische Hersteller, der aktuell über eine x86-Lizenz verfügt, ist Zhaoxin. Dahinter steckt ein Joint Venture aus Via Technologies und Shanghai Municipal Government, an dem der chinesische Staat den überwiegenden Teil der Anteile hält.
Die neuesten Entwicklungen sind die KX-6000- und KX-7000-Serie, letztere bereits mit DDR5-Support. Selbst gegen ältere Einsteiger-CPUs von AMD und Intel haben diese Modelle in Sachen Leistung keine Chance.
Firmen setzen auf RISC-V oder MIPS
Die CPU-Architekturen RISC-V und mittlerweile auch MIPS sind wiederum frei verfügbar, ein Lizenzierungsmodell, das unter Sanktionen fallen könnte, gibt es nicht. Der Hersteller Loongson setzt seit 2002 auf MIPS. Nach mehreren Inhaberwechseln ist die MIPS-Architektur seit 2019 Open-Source.
Die MIPS-Architektur im Überblick
MIPS bedeutet Microprocessor without interlocked pipeline stages, was soviel wie „Mikroprozessor ohne verschränkte Pipeline-Stufen“ bedeutet.
Entwickelt wurde diese Architektur Anfang der 1980er Jahre und erlangte durch ein Einsatz in den Workstations von Silicon Graphics International (SGI) eine größere Bekanntheit, denn so gut wie jeder CGI-Blockbuster-Film der 1990er Jahre wurde auf entsprechenden Computern gerendert.
Chipentwickler Loongson im Überblick
Loongson war ursprünglich eine Arbeitsgruppe an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, die 2001 gegründet wurde und deren erster Chip der X1A50-Prozessor war. Bereits im Jahr 2003 wurde von 32-Bit- auf 64-Bit-Prozessoren gewechselt, wobei der maximale Takt von 1,0 GHz weit unter den Taktraten der damaligen AMD Athlon XP und Intel Pentium IV lag, die 2,2 GHz respektive 3,0 GHz boten.
Um rechtliche Schwierigkeiten mit MIPS Technologies zu umgehen, fehlten Anfangs vier Befehle, deren Patente noch bei MIPS lagen, so dass Loongson nur von einer ähnlichen, aber nicht von einer komplett kompatiblen Architektur sprechen konnte. Erst ab 2007 erwarb Loongson über den Umweg STMicroelectronics und im Jahr 2009 dann direkt eine Lizenz von MIPS Technologies. Die aktuelle MIPS-CPU von Loongson ist der Loongson 3A6000, der für diesen Test im Mini-PC Morefine vorlag.
Morefine mit Loongson 3A6000 im Test
Morefine bietet auch Mini-PCs mit CPUs von AMD oder Intel an und verkauft in Deutschland ausschließlich diese. Wer ein Loongson-Modell sein Eigen nennen möchte, muss über Umwege importieren.
Die Loongson 3A6000 im Detail
Die Leistungsfähigkeit der 3A6000-CPU soll auf dem Niveau westlicher x86-Technik von 2020 wie dem Intel Core i3-10100F liegen, also der kleinste damals von Intel präsentierten CPU der 10. Generation Intel Core. Taktbereinigt liegt die IPC hingegen auf dem Niveau eines Core i5-14600K, so Loongson, doch diese CPUs takten eben auch viel höher.
Von der aktuellen Leistungsfähigkeit der x86- oder Arm-CPUs von AMD, Apple, Intel oder Qualcomm ist Loongson also weit entfernt, doch für Office-Rechner für Schulen oder Büros ist der Vorgänger 3A5000 letztendlich bereits ausreichend und findet nicht zu Unrecht Verwendung in einigen Bildungseinrichtungen innerhalb Chinas.
CPU Modell | Architektur | Fertigung | Kerne/ Threads | Takt | L1 | L2 | L3 Cache | RAM (Typ+Takt) | GPU | TDP | Veröffentlichung |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
3A5000 | LA464 | 14 nm | 4/8 | 2,3 – 2,5 GHz | 64 KB + 64 KB | 256 KB | 16 MB | Dual-Channel DDR4-3200 (ECC) | unbekannt | 35 W | 2021 |
Core i3-10100 | Comet Lake | 14 nm | 4/8 | 3,6 – 4,3 GHz | 64 KB | 256 KB | 6 MB | Dual-Channel DDR4-2666 | UHD 630 | 65 W | 2020 |
Snapdragon 850 | Kryo 385 | 10 nm | 4+4/8 | 1,8 + 2,95 GHz | insg. 768 KB | 1,5 MB | 2 MB | – | Adreno 630 | ca. 4,7 W | 2018 |
3A6000 | LA664 | 12 nm | 4/8 | 2,0 – 2,5 GHz | 64 KB + 64 KB | 256 KB | 16 MB | Dual-Channel DDR4-3200 (ECC) | extern | 38 W | 2023 |
3B6600 | LA864 | 7 nm | 8/16 | 3,0 – 3,5 GHz | – | – | 16 MB | – | LG200 (?) | – | 2025 |
Der Morefine Mini-PC im Überblick
Der kompakte Mini-PC von Morefine bietet an der Front zwei USB-A- und einen USB-C-Anschluss, wobei letzterer auch Power Delivery unterstützt. Am Heck finden sich vier weitere USB-A-, zwei HDMI- und zwei LAN-Anschlüsse. Auch 3,5 mm Klinke sowie der Anschluss für die Stromversorgung finden sich hier.
Zumindest beim Autor dieser Zeilen verweigerten die HDMI-Anschlüsse aber regelmäßig den Dienst. Am heimischen KVM-Switch mit HDMI-auf-DVI-Adapter gab der Mini-PC nur ein Bild aus, solange Linux noch nicht gestartet war. Am TV mit nativem HDMI funktionierte nur der untere in Linux und Co, der obere wiederum nur auf dem Startbildschirm und im BIOS.
Im Inneren findet sich der Kühler mit 80-mm-Lüfter, unter dem sich die CPU und ein Chipsatz mit GPU sowie zwei DDR4-Chips verbergen.
Daneben ist der Steckplatz für die NVMe-SSD nach PCIe 3.0 x4 zu sehen. Die SSD selbst ist von ZhiTai, eine Marke des chinesischen NAND-Entwicklers YMTC, und nutzt die Xtacking technology der Konzernmutter, während der DDR4-DRAM-Cache von Nanya kommt. Nanya gehört wie VIA Technologies zur Formosa Plastics Group aus Taiwan.
Die Kühlung des PCs meldet sich nur beim Start mit einem lauten Lüfter, bleibt im Leerlauf aber relativ ruhig. Sobald allerdings Last anliegt, dreht der Lüfter hörbar und mit einem Brummen störend auf, berichtet ComputerBase-Community-Mitglied konkretor, der den auch im Artikel abgelichteten Mini-PC erworben hat.
Longsoon läuft nicht unter Windows
Nicht nur der CPU-Hersteller und der CPU-Befehlssatz, auch das auf dem Mini-PC eingesetzte Betriebssystem entspricht nicht dem gewohnten Bild.
Im Gegensatz zu den Zhaoxin-x86-CPUs sind die Loongson-CPUs nicht mit einem aktuellen Windows kompatibel, weil Windows CE das letzte Betriebssystem aus Redmond war, das die alte MIPS-Architektur offiziell unterstützt.
Es heißt zwar, dass die CPUs x86-Code verarbeiten können, doch Community-Mitglied konkretor hatte bereits Probleme, eine andere als die vorinstallierte Linux-Variante zu installieren – ab Werk kommt ein Linux mit einer Mischung aus Chinesisch und Englisch zum Einsatz, die hierzulande kaum nutzbar ist.
Derzeit werden NetBSD, OpenBSD und in diesem Fall ein angepasstes Linux, LoongNix genannt, unterstützt. Letzteres bietet erst einmal alles um einfache Office-Aufgaben zu erledigen. Dazu zählen ein eigener Browser sowie Word-, Excel- und Paint-Derivate und auch das altbekannte Solitaire sowie Minesweeper sind vorinstalliert.
Auch wennn Windows auf diesem Gerät nicht nutzbar ist, so laufen doch x86-Programme wie der Firefox Browser auf diesem System – emuliert und damit mit abermals niedrigerer Geschwindigkeit.