Huawei P20 Pro Hands-On: Leica-Triple-Kamera mit 40 Megapixel und Notch

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Nicolas La Rocco
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Leica-Triple-Kamera

So sehr das neue Design und die abgerundeten Displays auch Hingucker sind, das wahre Highlight soll sich laut Huawei auf der Rückseite finden: bei den Kameras. Das bezieht sich insbesondere auf das P20 Pro, das als neues Kamera-Flaggschiff von Huawei an den Start geht. Erneut ist Leica der Entwicklungspartner und steuert abgesegnete Linsen und Algorithmen für die Bildverarbeitung bei. Das Glas wird aber nicht in Wetzlar am Firmensitz von Leica hergestellt. Leicas Anforderungen an die Optiken sollen hoch sein, der Produktionsausschuss entsprechend ebenso, wie Huawei die Redaktion in Bezug auf ältere Smartphone-Modelle wie das Mate 10 Pro oder P10 wissen ließ.

Das Huawei P20 Pro ist das erste Smartphone auf dem Markt mit drei statt üblicherweise maximal zwei Linsen für die Hauptkamera. Huawei hat aber nicht einfach nur eine weitere Kamera neben die zwei vorherigen gepackt, sondern gemeinsam mit Leica ein neues Kamerasystem geschaffen, das bis zu drei Sensoren für die Aufnahme nur eines Fotos nutzt.

Monochrom, RGB und Tele

Von unten nach oben (im Bild links nach rechts) aufgezählt sitzen auf der Rückseite ein 20-Megapixel-Sensor ohne Bayer-Matrix mit f/1.6-Optik für Monochrom-Aufnahmen, ein 40-Megapixel-Sensor mit f/1.8-Optik für Farbaufnahmen und ein 8-Megapixel-Sensor mit 3x-Teleobjektiv und f/2.4-Optik sowie optischem Bildstabilisator. Außerdem gibt es einen Laser-Transmitter und Receiver für den Laser-Autofokus im Nahbereich, einen Farbtemperatursensor für den korrekten Weißabgleich und einen LED-Blitz.

Pixel Binning von 40 auf 10 MP

Was Huawei mit der Sensorenarmada anstellt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich, sieht im Regelfall aber folgendermaßen aus: Den 40-Megapixel-Sensor nutzt Huawei als Hauptsensor, macht damit in der Standardeinstellung aber nur Bilder mit 10 Megapixel. Pixel Binning ist der Fachbegriff für das Zusammenlegen von mehreren Pixeln zu einem, in diesem Fall von vier zu einem. Das ergibt laut Huawei Pixel mit einer Kantenlänge von 2 Mikrometer respektive einer Fläche von 4 Quadratmikrometer und damit mehr Sensorfläche pro Pixel als die Konkurrenz zu bieten hat. Größere Pixel sind dazu in der Lage, mehr Licht einzufangen, was bei Low-Light-Aufnahmen hilfreich sein kann und außerdem die Belichtungszeit verkürzt, was wiederum der Schärfe zugutekommt. Der Sensor selbst hat eine Größe von 1/1,7 Zoll. Bei Low-Light-Aufnahmen im Automatikmodus geht die Kamera bis hoch auf ISO 51.200. Im Pro-Modus wird zusätzlich ISO 102.400 unterstützt.

Für mehr Schärfe und einen besseren Dynamikumfang soll wie schon beim P9 und P10 der Schwarz-Weiß-Sensor sorgen. Grundsätzlich lassen sich auch Aufnahmen anfertigen, wenn dieser Sensor per Finger abgedeckt ist, dann erscheint das Motiv im Sucher aber leicht verfälscht. Vorgesehen ist für den Regelfall, dass die 40-Megapixel-Kamera immer in Kombination mit der Monochrom-Kamera arbeitet. Der Verzicht auf die Bayer-Matrix soll die Schärfe erhöhen. Eine Aufnahme im Automatikmodus ist somit stets eine Kombination der Bildinformationen, die mit dem 40-Megapixel-Sensor und dem 20-Megapixel-Sensor der Monochrom-Kamera aufgenommen wurden.

Tele mit 5x-Hybrid-Zoom

Das dritte Objektiv ganz oben auf der Smartphone-Rückseite ist ein 3x-Tele mit f/2.4-Blende und optischer Bildstabilisierung. Huawei spricht allerdings von einem fünffachen Hybrid-Zoom, was daran liegt, dass bei den höheren Zoomstufen eine Kombination aus Teleobjektiv, Image-Cropping auf dem 40-Megapixel-Sensor, Monochrom-Sensor und AI-Berechnungen auf dem Kirin 970 zum Einsatz kommt. In diesem Fall kommen also alle drei Kameras gleichzeitig zum Einsatz.

In der Kamera-App wird der Wechsel vom optischen in den hybriden Bereich auf dem Zoomregler angezeigt. Das Thema AI/KI (Artificial Intelligence/Künstliche Intelligenz) spielt bei der Kamera ohnehin eine noch größere Rolle als im letzten Jahr beim Mate 10 Pro – Huaweis erstem Smartphone mit dem neuen Kirin-970-SoC mit Neural Processing Unit (NPU).

KI soll für bessere Aufnahmen sorgen

Huawei hat die Szenenerkennung der Kamera gegenüber dem Mate 10 Pro deutlich erweitert. Mit 30 FPS wird das im Sucher sichtbare Motiv verarbeitet, um die optimalen Einstellungen für den Automatikmodus zu finden. Mit AI will das Unternehmen eine Brücke zwischen der Technologie und dem Nutzer schlagen. Das professionellste Smartphone-Kamerasystem soll gleichzeitig das am einfachsten zu bedienende sein. Huaweis Szenererkennung erkennt zum Beispiel automatisch Menschen, Tiere, Lebensmittel, Gebäude, Natur und vieles mehr, um nur ein paar Voreinstellungen zu nennen. Dafür muss das Smartphone für etwa eine bis zwei Sekunden auf das Motiv gerichtet werden. Darüber hinaus werden etwa bei Lebensmitteln nicht für jede erkannte Mahlzeit die gleichen Parameter angewandt, sondern pro Hauptkategorie werden weitere feine Unterscheidungen vorgenommen, je nachdem, was genau fotografiert wird.

Beispiele für die Szenenerkennung
Beispiele für die Szenenerkennung

Die Szenenerkennung ist zudem dazu in der Lage, automatisch den Porträtmodus zu aktivieren, wenn das P20 eine Situation erkennt, in der offensichtlich die fotografierte Person per Unschärfeeffekt (Bokeh) vom Hintergrund abgesetzt werden soll.

Langzeitbelichtung ohne Stativ

AI bringt aber auch neue Foto- und Videomodi auf das P20 Pro. Einer davon sind Langzeitaufnahmen von bis zu acht Sekunden ohne Stativ. Vor Ort demonstrierte Huawei diesen Modus im Vergleich zu einem Samsung Galaxy S8 anhand einer Aufnahme im Restaurant bei schummriger Beleuchtung. Nur mit der Hand gehalten sorgte die KI des Chips dennoch für eine Aufnahme, die auf den ersten Blick nicht von einer Stativaufnahme zu unterscheiden ist. Hier muss im Test allerdings noch einmal eine Betrachtung im Detail durchgeführt werden. AI nutzt Huawei auch für die Stabilisierung von Videoaufnahmen, die dadurch zwar nicht wackelfrei werden, aber deutlich ruhiger als zwei für den Vergleich herangezogene Konkurrenzgeräte wirkten.

Zeitlupe mit 960 FPS

Und natürlich hat auch Huawei mit der neuen Smartphone-Generation eine 960-FPS-Zeitlupe, die aber im Gegensatz zu Sony (Xperia XZ Premium und XZ2) und Samsung (Galaxy S9 und S9+) ohne DRAM-Cache direkt am Sensor auskommt. Wie Huawei die große Datenmenge ohne Zwischenspeicher verarbeitet, wollte der Hersteller auf Nachfrage nicht verraten. Die Erklärung könnte aber einfach ausfallen: Huaweis Zeitlupe mit 32-facher Reduzierung der Geschwindigkeit ist nur maximal eine Sekunde lang, bei der Konkurrenz sind es bis zu 6 Sekunden in 720p oder 3 Sekunden in 1080p. Den richtigen Moment abzupassen wird also bei Huawei noch schwerer: Es steht deutlich weniger als eine Zehntelsekunde Aufnahmezeit bereit.

Platz eins im DxOMark

In Summe führen die Features der neuen Triple-Kamera im P20 Pro sowie der Dual-Kamera im P20 zu neuen Bestwerten im DxOMark. Mit einem Abstand von drei und zehn Punkten zum nächst besten Smartphone der Konkurrenz, dem Samsung Galaxy S9+, führen die neuen Huawei-Geräte die Rangliste an. Das Kamera-Flaggschiff P20 Pro kommt in der Foto-Wertung auf 114 und in der Video-Wertung auf 98 Punkte.

DxO Mark Werte im Vergleich zur Konkurrenz
DxO Mark Werte im Vergleich zur Konkurrenz