Man sollte diese Aktion auch und vor Allem vor dem Hintergrund des aktuellen politischen Geschehens in China, dem in den westlichen Massenmedien, wenn überhaupt, dann nur mit den üblichen Floskeln und vergifteten Darstellungen kaum Beachtung geschenkt wird, betrachten.
Zu den jüngsten Ereignissen und einige Grundlagen:
"Wenn es einem Chinesen schlecht geht ist er Daoist (also für ein egalitäres System)
Wenn es einem Chinesen gut geht ist er Konfuzianist (also für den offenen Handel)
Wenn es mit ihm zu Ende geht Buddhist." (die ersten beiden Denkschulen sind auf's Diesseits, letztere auf's Jenseits gerichtet)
Die derzeitige Regierung in China steht in der Nachfolge Deng Xiaopings der mit seiner ‚Reise in den Süden‘ (die Freihandelszonen an der Küste) und dem grundlegenden Kurswechsel ‚Mir ist es egal ob die Katze schwarz oder weiß ist – Hauptsache sie fängt Mäuse‘ den ‚Konfuzianisten‘, unseren ‚Heuschrecken‘ oder "Zehntausend-Yuan-Bauern" wie sie in China genannt werden, Tür und Tor geöffnet und die Grundlage für die sich immer weiter öffnende Schere zwischen verarmter Landbevölkerung die immer noch die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung darstellt und einer kleinen Oberschicht auf tut.
Dagegen hat es in schon immer Widerstand gegeben und noch Anfang des Jahres sah es so aus, als ob die Daoisten in der Partei, die sich für die verarmte Landbevölkerung einsetzen, ganz in Analogie zu Thailand wo es Yingluck gelungen ist die als ‚Gelbhemden‘ bekannten lokalen Heuschrecken von der Regierung abzulösen, in der anstehenden Neubesetzung des Politbüros im Herbst dieses Jahres eine Mehrheit erringen und so auch in China die Mißstände vermehrt bekämpft werden könnten.
An der Spitze der Daoisten steht u.a. Bo Xilai der Parteichef von Chongqing:
Bo Xilai hat in jüngster Vergangenheit in Chongqing mit seiner politischen Kampagne gegen die lokalen Heuschrecken, die reichen Unternehmer, Geschäftsleute und die lokalen Triaden (die chinesische Mafia) Stimmung gegen die Konfuzianistische Fraktion unter Wen Jiabao gemacht.
Ganz in alter chinesischer Tradition des ‚Schattenschießens' bediente sich Bo des Strategems Nr. 26 :“ Die Akazie schelten, [dabei aber] auf den Maulbeerbaum zeigen.“
Jedem in China war klar, daß es hier nicht alleine um die lokalen Heuschrecken ging sondern eigentlich der Konfuzianistische Flügel unter Wen Jiabao an der Regierungsspitze und ihre Unterstützung der Ellbogengesellschaft in China gemeint war.
Nur leider hat Bo es nicht bei diesem Erfolg belassen, sondern seine neu gewonnene Machtposition dafür eingesetzt und alte Weggefährten, die nun hinderlich waren, zu beseitigen:
Dabei scheiterte sein Versuch den lokalen Polizeichef Wang Lijun mit der örtlichen Polizei wegen Korruption zu verhaften. Wang konnte sich in die Schutzhaft der Staatspolizei retten, was Bo viel Gesicht gekostet hat.
Die Abrechnung kam postwendend dieser Tage auf dem Abschluß der 5. Tagung des XI. Nationalen Volkskongresses als die Konfuzianisten am letzten Tag des Plenums den Daoisten Bo Xilai von seinem Posten als Parteichef der Metropole Chongqing enthoben hatten.(1)
Die Entsendung von Vizepremier Zhang Dejiang aus dem Lager der Konfuzianisten, der in der Vergangenheit durch seine nicht gerade zimperliche Vorgehensweise sich einen zweifelhaften Namen gemacht hatte, zeigt, daß nun in Chongqing erneut aufgeräumt wird, nur diesmal nicht gegen die Heuschrecken und Triaden sondern unter den Daoisten und deren Seilschaften.
So könnte der plötzliche Tod eines britischen Freundes Bo Xilais im Zusammenhang mit der Entsendung Zhang Dejiangs im Machtkampf der zur Zeit in China stattfindet stehen. (2)
Sicher ist, daß nachdem Anfang dieser Woche im Internet das Gerücht aufkam, daß unter Führung des Sicherheitschefs Zhou Yongkang ein Putschversuch bevorstehe u.a. die in China beliebten Kurznachrichtendienste wie z.B. Tencent QQ und Sina Weibo verstärkt unter Kontrolle gestellt wurden. (3)
Vor diesem Hintergrund erhält die jüngste Aktion einen weiteren Aussagewert:
Anonymous ist Jedermann - auch die Anhänger der Daoistischen Fraktion.
Die Chancen, daß sich in China, in Analogie zu Thailand, die Politik dem eigentlichen Hauptproblem, nämlich der Sorge um die verarmte Landbevölkerung, vermehrt zuwendet und dieses wieder in den Mittelpunkt aller Anstrengungen stellt, stehen wohl unter keinem guten Stern.
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(1)
http://www.xinhuanet.com/english/china/index.htm
(2)
http://www.tagesanzeiger.ch/ausland...-der-SuperBulle/story/31055227?dossier_id=564
http://www.tagesanzeiger.ch/ausland...ein-Machtkampf-entbrannt/story/20926165?track
http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/asien-und-ozeanien/Tod-eines-Gentleman/story/25522006
(3)
http://www.tagesanzeiger.ch/digital...ren-lassen-die-Muskeln-spielen/story/20362026
http://www.tagesanzeiger.ch/ausland...aenge-hinter-der-Grossen-Mauer/story/19293977