Also, dann lass ich die Katze halt mal aus dem Sack und versuche darzulegen, was mich schon die ganze Zeit so unsicher und zweifelnd macht. Vielleicht wird es dann verständlicher. Der Text ist jetzt zwar etwas länger geworden, aber ich habe versucht, in Kürze alles darzulegen, was für mich relevant ist und hoffe, man kann mich nun besser verstehen bzw. meine Gedankengänge und Handlungen nachvollziehen:
Richtig ist, dass ich ein risikoarmer Mensch bin, soll heißen, eine etwaige Unkündbarkeit (wie bei der Verbeamtung), regelmäßig, stetiges Gehalt (auch im Krankheitsfall) und geregelte Arbeitszeiten sind mir durchaus wichtig.
Aus diesem Grund stand ich nach dem Abitur da und dachte: OK, welche Berufe gibt es wohl, die dir solche Sicherheitsaspekte liefern können? Und es blieben eigentlich nur Berufe, welche mit einer Verbeamtung einhergehen, sprich entweder Lehramt, oder halt andere Beamtenberufe im öD.
Da mir ein FSJ nach dem Abitur im Bereich der Sozialen Arbeit (Kinder- und Jugendheim) sehr gut gefallen hat und man so zufrieden mit mir war, dass man mir ein Duales Studium in diesem Bereich anbieten wollte und ich da beinahe sogar zugesagt hätte, wusste ich, dass mir die Arbeit mit Jugendlichen wohl einigermaßen liegen muss.
Warum habe ich mich dann gegen dieses Duale Studium entschieden? Damals direkt nach dem Abi war ich noch etwas blauäugiger und ich wusste, der Soziale Arbeit-Bereich ist halt leider nicht so toll bezahlt. Ich glaube ich hätte erst nach 20 Jahren in dieser Einrichtung den Höchstsatz von ca. 2000 netto mtl. erreicht. Dazu kamen Schichtarbeit, wöchentlich wechselnde Arbeits- und Zeitpläne, sowie halt auch Feiertagsbetrieb (ähnlich wie in einem Krankenhaus). Damals empfand ich das alles dann als nicht sehr familienfreudig und auch als schlecht vorausplanbar, da es ja wöchentlich wieder neue Arbeitspläne gab - es wäre also schwer, da mal was für die nahe Zukunft vorauszuplanen.
Allerdings hat mir die Arbeit an sich, sprich das Betreuen dieser Jugendlicher, Spaß gemacht und es war auch für mich gar nicht so stressig. Vormittags waren die in der Schule, dann hat man Mittaggessen zusammen, danach begleitete man sie bei den Hausaufgaben, danach war dann Freizeit für die Kids, wo man entweder raus in den Hof ging mit ihnen, oder zum nahegelegenen Sportplatz, etc. Klingt nach einer ziemlich lockeren und entspannten Arbeit, oder? Naja gut, fairerweise muss man sagen, dass ich ja lediglich Praktikant war - ich hatte natürlich nicht mit allen Aspekten des Berufs zu tun, wie z.B. Jugendamt-Gespräche, Planungen, und was da sonst alles noch so anfällt.
Dennoch war das ein Bereich, den ich mir super vorstellen konnte, den ich aber dann halt doch nicht eingeschlagen habe, weil ich gelockt wurde, von mehr Gehalt, geregeltere Arbeitszeiten, Verbeamtung etc.
So entschloss ich mich also dann fürs Lehramt - einen Bereich, der mir so zuvor noch NIE in den Sinn gekommen war. Weder in der Schulzeit, noch während dieses FSJ-Jahrs und der eigentlich hauptsächlich wegen diesen Dingen wie Sicherheit, Verbeamtung, gutes Gehalt, etc. in meinen Fokus rückte.
Das nächste Problem war dann bereits: welche Fächer sollen es sein? Anglistik war relativ schnell klar, da war ich gut in der Schule, das könnte ich mir vorstellen. Das zwingend für Lehramt notwendige zweite Fach war dann schon das erste "böse Omen" sozusagen. Ursprünglich war mein Lieblingszweitfach Musik, da ich schon immer musikalisch war, dieses Fach ist Mangelware, also sehr gefragt und der Arbeitsaufwand mit dieser Fächerkombination wäre auch schön ausgeglichen, denn mit Musik hätte man eine schöne (praktische) und auch beruhigende Abwechslung zum Hardcore-Theorie-und Literaturfach Englisch.
Leider Gottes gestaltete sich das Einschreiben in die Musikhochschule (die unabhängig der normalen Universität ist, sprich, man wäre quasi für diese Lehramtskombination dann an 2 verschiedenen, unabhängigen Unis eingeschrieben und müsste dann so sein Studium koordinieren) eher schwierig. Eine mindestens 1,5 jährige Vorbereitung für die Eigungsprüfung wäre notwendig gewesen und selbst mit dieser Vorbereitung sei laut eines ziemlich arroganten Musikprofessors, den ich um Einschätzung bat, eher fragwürdig, ob ich diese mit meinem nicht so "klassischen" Hintergrund in der Musik packen würde.
Da kam also schon die erste Entscheidung auf: Lehramt wegen Mangels eines Zweitfaches abbrechen und was anderes machen, oder aber auf Teufel komm raus ein zweites Fach suchen, damit es weitergehen konnte?!
So kam ich dann auf mein Zweitfach Germanistik. Das war nie ein Wunschfach, in der Schule war ich nicht schlecht, aber auch kein 1er Schüler, stand eigentlich interessensmäßig nie wirklich zur Option. Weder las ich in meiner Freizeit freiwillig gerne Goethe oder Schiller, noch befasste ich mich freiwillig mit Lyrik oder sonstigen Dingen.
Das einzige Glück war, dass Germanistik im Grunde bis auf die Auswahl der Literatur ziemlich deckungsgleich mit dem Anglistik-Studium ist: die selben Konzepte in der Sprachwissenschaft (nur eben nicht auf englisch, sondern auf deutsch) und auch die selben Konzepte in der Literaturwissenschaft. Das machte den verzögerten Deutschstart (ich war ja zu dem Zeitpunkt bereits 4 Semester in Englisch eingeschrieben, als ich Deutsch dazu nahm) natürlich einfacher, da ich die Konzepte alle schon aus der Anglistik kannte.
So aber wuchsen kontinuierlich meine Zweifel an dem eingeschlagenen Weg, der von Anfang an irgendwie schon unter einem schlechten Stern stand. Als ich dann noch von allen Seiten immer zu hören bekam (selbst von der Ausbildungslehrerin im Praxissemester), dass ich mit Englisch-Deutsch die berühmt-berüchtigte "Todeskombination" an Fächern ausgesucht habe, weil dies maximaler Arbeitsaufwand mit Korrekturen, Unterrichtsvorbereitungen etc. bedeuten würde, wurde ich in meinem eh schon unsicheren Weg nur noch weiter demotiviert.
Ich kannte die Berichte aus den
www.lehrerforen.de von Referendaren, die über unmenschlichen Stress und horrenden Vorbereitungszeiten bis teilweise 1, 2 Uhr nachts berichteten, um 5 dann schon wieder raus mussten morgens, um dann rechtzeitig um 7 in der Schule zu sein. Und die Berichte von der im Referendariat vorherrschenden Willkürlichkeit bei den Lehrproben, die leider Gottes oftmals einfach nur Glück oder Pech darstellen, je nach dem, an welchen Prüfer man gelangt. Kann der dich aus irgendeinem Grund nicht leiden, dann kann deine Prüfung noch so gut durchdacht sein, dein Unterricht noch so ausgefeilt und methodenreich, dann fällst du eben einfach durch.
2x durchgefallen bedeutet endgültig durchgefallen, sprich ein mindestens 5-jähriges Studium plus 1,5-Jahre Referendariat waren dann endgültig für die Katz. Man hat quasi nichts, außer Abitur als Abschluss.
All diese Aspekte verunsicherten und erschreckten mich ziemlich, noch dazu weil ich mich mit meiner Fächerkombi ohnehin nicht wirklich glücklich fühlte und dann mehr und mehr das Gefühl bekam, den ganzen verfluchten und zum Scheitern verurteilen Schrott einfach nur noch abzuhaken und was anderes zu machen.
Das Studium abbrechen kam für mich aber nicht in Frage, denn ich hatte trotz allem gute bis sehr gute Noten und ich möchte mir möglichst viele Türen offenhalten, sodass ich dachte, den Studienabschluss nimmst du mal mit, vielleicht landest du ja doch noch irgendwann im Lehramt, auch wenn die Motivation dafür schon längst nicht mehr wirklich groß in mir brannte.
So wuchs mit der Zeit auch mein Wunsch, mich breiter aufzustellen, mehr Möglichkeiten als nur Lehramt zu haben, das Ruder möglichst noch in eine Richtung zu reißen, wo es noch nicht zu spät sein würde, ich vielleicht doch auch noch außerhalb des Lehramts einen guten, sicheren Job irgendwo ergattern könnte, der mir Spaß macht, selbst wenn es nun kein Beamtenjob mehr sein würde (wieviele sind denn tatsächlich Beamte da draußen? Und die große Mehrheit der Nicht-Beamten kommt doch auch irgendwie glücklich durchs Leben. Also was soll's...)
All diese Unsicherheiten und Selbstzweifel und die Sorgen bezüglich eines eingeschlagenen Weges, der für mich mehr und mehr unattraktiver wurde, führten letztlich auch zu einem ziemlichen psychischen Druck. Zu sehen, wie alle meine Leute aus der Schulzeit damals geradlinig ihren Weg gegangen sind, nun erfolgreich in ihren Jobs sind, finanziell längst unabhängig und selbstständig, schon die ersten Familien gründeten - zu sehen wie selbst mein 4 Jahre jüngerer Bruder einen geradlinigen Weg nach dem Abi hinlegte, zügig seinen Bachelor und Master absolvierte und nun bei einer bekannten großen Bank arbeitet und gut verdient - all das setzte mir ziemlich zu, denn ich eier(t)e seit dem Abi eigentlich nur in ungewissen und unsicheren Bahnen herum.
Irgendwann wurde mit den Jahren diese psychische Belastung dann so groß, dass es mir dann auch immer öfter körperlich nicht ganz so gut ging (psychosomatische Beschwerden) und (zwar nicht diagnostiziert, aber vermutet) ich auch hin und wieder leichtgradig depressiv wurde, mich als Versager fühlte. Und je länger dieser Weg ging und je älter ich automatisch wurde, desto mehr kam auch die Angst in mir hoch, dass links und rechts von mir immer mehr Türen zugehen würden mit steigendem Alter und ich so quasi zwangszweise eigentlich nur noch beim Lehramt bleiben MUSS, wenn überhaupt noch was halbwegs ordentliches am Ende bei raus kommen soll und ich nicht irgendwelche Niedriglohnjobs ergreifen will..
Aufgrund der psychischen Belastungen und der körperlichen Beschwerden habe ich Anfang diesen Jahres (Anfang 2020) dann nach sehr vielen Jahren des Zögerns den Schritt zu einer psychologischen Hilfe wahrgenommen. Das hätte schon viel früher passieren müssen, aber nicht zuletzt mein Vater hing mir ständig mit apokalyptischen Prophezeiungen in den Ohren, dass ich doch ja aufpassen müsste mit meiner ständigen Ärzterennerei (aufgrund meiner körperlichen Beschwerden ohne organische Ursachen), denn damit verbaue ich mir meine Verbeamtung und die Aufnahme in eine PKV und eine etwaige Berufsunfähigkeitsversichung etc pp. Und eine Psychotherapie sei natürlich ohnehin schon der Killer schlechthin für diese ganzen Dinge.
Das wusste ich und jahrelang habe ich aus Angst daher keine solche Hilfe in Anspruch genommen, weil ich mir die Sicherheiten nicht dadurch versauen wollte. Anfang 2020 gings aber nicht mehr und ich dachte "Scheiß auf diese kack Verbeamtung und die kack PKV und die kack BU. Was nützen mir diese Dinge, wenn ich nach 5 Jahren in der Klappse hocke wegen BurnOut?!"
Es waren dennoch nicht viele Therapiegespräche, eigentlich nur 3-4, die ich alle selbst aus eigener Tasche bezahlt habe, damit auch ja nichts über die KK abgewickelt und somit aktenkundig werden würde. Ich hoffte, so vielleicht doch noch die Verbeamtung und PKV etc. zu bewahren.
Leider Gottes muss man aber beim Amtsarzt und auch bei der PKV wie BU wahrheitsgemäße Angaben darüber machen, ob schonmal solche Behandlungen (selbst wenn es nur 3 oder 4 waren) stattgefunden haben, wenn ich da bewusst verschweige und es irgendwann doch rauskommt, dann bin ich wirklich am Arsch.
Sogesehen habe ich mir vermutlich durch diese 3 Gespräche, die ich nur aus Angst vor weiterem Schaden bezüglich Verbeamtung, PKV und BU wieder abgebrochen habe, wahrscheinlich eh schon den Weg in diese Sicherheiten verbaut und vor diesem Hintergrund ist das ganze Konzept mit Lehramt dann nochmal ein ganzes weiteres Stück unattraktiver für mich geworden - denn ursprünglich hab ich den Bereich doch gewählt, weil dieser mir meine erhofften Sicherheiten geben würde. Wenn ich aber nun auf angestellter Basis Lehrer wäre, würde ich nicht nur ca. 500-700 Euro weniger verdienen als die verbemteten Kollegen, ich müsste auch meine GKV-Bezüge zu 100% selbst zahlen, wäre zu den Sommerferien jedes Jahres regelmäßig 6 Wochen lang arbeitslos und müsste mich für die Zeit dann beim Jobcenter melden (wegen lächerlichen 6 Wochen)... Und oben drauf käme dann ohnehin ein verhältnismäßig hoher Arbeitsaufwand mit meinen nicht sonderlich gefragten "Todeskombination"-Fächern, wo ich zumindest für eines der beiden Fächer von Anfang an gar nicht wirklich "gebrannt" habe.
Zu meinen körperlichen Beschwerden ist seit September nun auch noch ein leichter Tinnitus im rechten Ohr dazugekommen: ein Zeichen für hohen Stress bzw. hohe Belastung - und ich habe noch nicht einmal das Ref oder den eigentlichen Beruf angefangen. Das sind für mich alles Warnzeichen, die mir sagen, irgendwas läuft schon sehr lange nicht mehr in die richtige Richtung...
Deswegen kam letztlich nun der Gedanke in mir hoch, nach Abschluss dieses eh schon verteufelten Studiums kommt nun erstmal ein Cut und eine Art "Reset", wo ich mir möglichst noch ein zweites Standbein aufbauen kann, auf welches ich zurückgreifen kann. Das mit dem Lehramt habe ich noch nicht 100% abgeschrieben, aber wie ich es hier nun beschrieben habe, ist es mit der Zeit immer mehr in den Hintergrund gerückt und ohne handfeste Alternative, die mir die Sicherheit gibt, dass ich im Notfall immer noch was in der Hinterhand hätte, würde ich das Lehramt eigentlich nicht angehen wollen. Ich würde mir sonst viel zu hohen Druck machen, so nach dem Motto "Du MUSST das bestehen, du hast sonst nichts außer Abitur!" und mit dieser Einstellung würde ich in dem momentan eh schon etwas labileren und angespannten Zustand nicht durchs Ref kommen.
Und nun stehe ich also da, sehne mich eigentlich mittlerweile nur noch nach einem stinknormalen, halbwegs gut verdienenden Job, irgendwas, wo ich abends heimkomme und dann auch tatsächlich Feierabend habe und nicht noch bis 1 Uhr nachts an irgendwelchen Vorbereitungen, Korrekturen oder sonstigem Käs sitzen muss. Mittlerweile würde ich auch gerne wieder in diesen FSJ-Job zurückgehen, egal ob das nun Schichtarbeit, Wochenendarbeit und nicht so gutes Gehalt wie beim Lehramt darstellt. Ich will jetzt einfach nur noch einen großen Strich unter dieses ganze Chaos machen und fertig.
Lehramt ist zwar immer noch nicht ganz abgehakt für mich, aber ich habe große Zweifel, ob ichs mir nicht eh schon versaut habe durch diese psychologischen Gespräche, die ich zwar aus eigener Tasche bezahlt habe und somit bislang nirgends offiziell aktenkundig sind, aber ich müsste sie halt dann verschweigen. Und keine Ahnung, ob einen das nicht irgendwann wieder einholt...