Der Shareholder Value und seine Folgen

Adam_Smith

Lt. Commander
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Eins vorweg:

Ich bin durchaus der Überzeugung, dass der Kapitalismus als Grundlage für unser Wirtschaftssystem die momentan einzig funktionierende Variante sein kann. Ich möchte auch diese Diskussion unter dieser Voraussetzung führen und diesen Thread nicht wie die vielen anderen zu einer Propagandaschlacht verkommen lassen.

Zum Thema:

In letzter Zeit regen sich bei mir Zweifel daran, dass der Kapitalismus in unserer Welt wirklich richtig gelebt wird. Die Börsen locken mit schnellen Gewinnmitnahmen und fördern mehr und mehr den Willen schnell Rendite zu machen. Mittlerweile kann man mit den diversen Anlagevarianten und Produkten der großen Wirtschaftsunternehmen auf alles und jeden "Wetten". Fallende Kurse können bei der Wahl der richtigen Optionspakete zu Gewinnen führen, ...

So steigt auch die Erwartungshaltung derer, die sich an der Börse an einem Unternehmen beteiligen. Man möchte innerhalb eines Jahres gerne 10% oder mehr an Rendite bekommen.

Weiterer Auswuchs dieses Systems sind die sogenannten "Heuschrecken". Neben den Investmentunternehmen die die Finanzierung für eine Unternehmung durchaus als langfristiges Engagement betrachten gibt es eben auch jene, die binnen kurzer Zeit aus einem Investment eine maximale Rendite ziehen wollen ohne auf das Umfeld der Unternehmung zu achten. Da werden teils Kerngesunde Unternehmen aufgekauft, massenweise Geld aus den Unternehmen gezogen und dann wird das Unternehmen wieder komplett marode verscheuert. Dies ist nicht die Regel, aber es gibt durchaus Finanzinvestoren die mit genau diesem Verhalten Milliardengewinne erwirtschaften.

Eine Unternehmung an die Börse zu bringen setzt erst einmal eine Menge Kapital frei, es ist also durchaus positiv zu bewerten, wenn ein Unternehmen diesen Weg geht. Denn das freigesetzte Kapital kann ich die Weiterentwicklung der Produkte fließen und damit die Zukunft des Unternehmens nachhaltig sichern.

Doch die Kehrseite der Medaille zeigt sich dann, wenn die Unternehmung mal für kurze Zeit nicht mehr die von Aktionär gewünschte Rendite bringt. Denn auf einmal muss alles getan werden um die Bilanz wieder schön zu bekommen.

Das Resultat erlebt dann meist der Mensch an der Basis. Selbst Mitarbeiter in einem DAX Konzern muss ich erleben welche Folgen diese Denke für die Unternehmung haben kann. Das Bezieht sich nicht einmal auf Lohn oder Arbeitszeit, denn die bleiben z.B. bei uns durchaus gleich. Aber man merkt es bei der täglichen Arbeit.
-Innovationen werden dadurch behindert, dass auf einmal z.B. die Amortisationszeit für eine Investition unter 2 Jahren liegen muss.
- Technische Neuerungen die im Laufe des Produktlebens (z.B. 10 Jahre) durchaus wirtschaftlich Sinn machen, werden schlichtweg nicht finanziert und sterben somit.
- Die Mitarbeiterqualifikation wird auf einmal als Kostenfaktor und nicht mehr als sinnvolle Investition gesehen.
- Alles muss gegen Geld aufgerechnet werden (es gibt eben auch Innovationen deren "finanziellen Gegenwert" man nur sehr schwer in Zahlen fassen kann).
-...

Ist dies alles ein Übel, welches wir in Kauf nehmen müssen?
Wie kann man Börsendotierte Unternehmen dazu bringen sich eher anderen Werten als dem bloßen Shareholder Value zu verpflichten?
Wird der Markt irgendwann von selbst wieder auf längerfristige strategische Denke setzen?
 
Von meiner Seite wird es ebenfalls keine Generalkritik an der Marktwirtschaft geben, weil ich keine besseren, realistischen Alternativen dazu sehe. In seiner ursprünglichen Form ist der Shareholder-Ansatz auch gar nicht so verkehrt: Den Shareholdern (= Aktionäre = Eigentümer) gehört das Unternehmen. Ohne ihre Bereitschaft, das eigene Geld in ein Unternehmen zu investieren, gäbe es die dortigen Jobs nicht. Sie gehen ein Gewinn-bzw. Verlustrisiko ein statt ihr Geld bei der Bank zu einem festen Satz verzinsen zu lassen.

Nun sitzen die Aktionäre aber nicht selbst an den Schalthebeln im Unternehmen, sondern berufen dafür Manager in den Vorstand, die das übernehmen. Kein Wunder also, dass sich die Vorstände den Eigentümern gegenüber verpflichtet fühlen, zumal ihre eigene Abberufung droht, sofern sie die Zielvorgaben nicht erreichen können.

Das Problem ist daher einmal, dass wir es an der Unternehmensspitze nicht länger mit klassischen Gründervätern (wie einem Robert Bosch) zu tun haben, deren Ziele sich nicht auf Gewinnerwirtschaftung und Existenzsicherung beschränkten, sondern die sich zugleich ihrer sozialen Verantwortung bewusst waren.

Das zweite Problem sehe ich darin, dass die Aktienunternehmen für ihre Geldgeber dauerhaft interessant bleiben müssen. Denn Geld ist sehr mobil. Und wenn die Rendite in einem Unternehmen nicht hoch genug ist, wird das Geld kurzfristig abgezogen und woanders investiert.

Marktwirtschaftliche Auswüchse auf den Finanzmärkten kommen als dritter Punkt hinzu, speziell in den Bereichen der Private-Equity-Gesellschaften und der Hedge-Fonds.

Als einen der möglichen Lösungsansätze fiel mir spontan die „vinkulierte Namensaktie“ ein, deren Übertragung an Dritte man durch die Aktiengesellschaft steuern kann. Damit lassen sich feindliche Übernahmen z. B. durch sog. Heuschrecken verhindern. Allerdings schränken sie die Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung stark ein. Das Unternehmen müsste gezielt nach Investoren suchen, die nicht allein das schnelle Geld im Auge haben, sondern an einem langfristigen Engagement im Unternehmen interessiert sind. Das dürfte umso schwieriger sein, je mehr die Investitionsalternativen mit hohen Renditen locken.

Fakt ist auch, dass wir uns in einer globalisierten Weltwirtschaft bewegen, von der besonders die deutsche Exportwirtschaft über alle Maßen profitiert. Dabei kann man das Eine nicht ohne das Andere haben. Die ausländischen Geldgeber drängen daher weiterhin auf den deutschen Markt und diktieren nicht zuletzt die Regeln mit.

Mit gesetzlichen Zwängen kommt man allerdings nicht weiter. Denn wenn das Klima zu unangenehm für Investoren wird, ziehen sie ihr Geld einfach ab und investieren woanders.

Die Lösung besteht für mich also darin, nicht irgendwelches Geld zu nehmen, sondern sich die Investoren genauer anzusehen. Auf den allgemeinen Aktienmärkten ist das aber nicht möglich, weil dort jeder kaufen kann, der Lust dazu hat.
 
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Absolute Zustimmung, und eben darin, dass jeder kaufen kann der Will liegt das Problem. Auch ich bin generell kein Feind der freien Marktwirtschaft, allerdings hätte ich gerne soetwas wie einen "Nationalkapitalismus". Ich finde eine Globalisierung wie sie momentan stattfindet, zusammen mit einem Börsenwesen das alles, Grundstücke samt Firmen, weltweit käuflich macht sehr fatal, und ich sehe auch eine gewisse Verschwörung dahinter, in dem Sinne, dass die Großkapitalisten das schamlos ausnutzen, und kaufen und schlucken wie blöd. Siehe das Discountersterben in Deutschland zur Zeit. Und wie unbeholfen diese Superreichen den "armen" dann helfen um sich einen tollen Namen zu machen sieht man ja an der Bill Gates Stiftung.

Kapitalismus heißt Ansammlung von Kapital. Kapital kauft Güter, und Güter erschaffen Kapital. Wer viel hat, vermehrt schneller als jemand der wenig hat. Manche sagen, irgendwann haben wenige alle Güter und alles Geld wird in diesem Moment wertlos, weil wenn sich diese wenigen Personen nicht entscheiden etwas zu verkaufen, ist es eben nur noch das Papier aus dem es besteht. Die Börse und das immer mehr Unternehmen an die Börse gehen steht eben im höchsten Interesse der Superreichen. Güter sind immer sicher, Kapital ist immer unsicher und der Inflation unterworfen.

In Wirklichkeit ist das weltweite Finanzsystem mittlerweile so komplex, dass es einem Angst machen kann. Wenn man sich einmal einen Börsencrash als Weltwirtschaftscrash vorstellt könnte das schlimme Folgen haben. Mir ist die heutige Welt einfach zu global. Wer vor allem leidet ist der Umweltschutz und die Löhne. Durch die Öffnung der Grenzen muss der deutsche Arbeiter auf einmal mit dem ausgebeuteten chinesischen Kinderarbeiter konkurrieren. Natürlich, die erste Zeit ist es gut, weil die deutschen Löhne nur langsam sinken, aber man in dieser Zeit billig chinesische Waren kaufen kann, dass dieser Prozess aber unter Umständen unumkehrbar sein wird und uns am Ende allen das Genick brechen könnte, ist eben die Gefahr an der Globalisierung. Da ist meine billige Winterjacke aus Fernost ein schwacher Trost. Die Staaten verlieren an Macht, das Kapital (und damit Privatpersonen und Investmentgruppen) gewinnen an Macht, und zwar auch an politischer, und das darf nicht sein und ist sehr, sehr gefährlich. Und daran ist vor allem auch die Börse schuld.
Der Staat und das Volk muss die Macht haben, nicht das Kapital, und das läuft heutzutage falsch.
Außerdem gehört diese brutale Staatsverschuldung endlich getilgt. Wie auch immer.
 
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Naja die Globalisierung als solche ist eben auch Chance (die Rede unseres Bundespräsidenten) sagte es treffender als ich es formulieren könnte. Ich denke, und dieses Bild zeichnet sich ab, dass wir Deutschen zwar etwas zurückstecken müssen was unser Wirtschaftswachstum angeht, aber dieser Prozess langfristig gesehen allen nutzt. Denn wir sehen an Polen und den anderen Ländern östlich von uns, dass dieses "Abwandern ins billige Ausland" eben nur kurzzeitig niedrige Produktionskosten garantiert. Denn steigendes Wirtschaftswachstum bedeutet eben auch immer steigenden Lebensstandart für den Bevölkerungsdurchschnitt.

So werden auch in China früher oder später Löhne üblich sein, die es dann nicht mehr sinnvoll erscheinen lassen Produkte für den deutschen Markt dort produzieren zu lassen. Und schauen wir uns die Welt in 100 oder 200 Jahren an, so werden sich die verschiedenen Nationen weitestgehend aneinander angepasst haben. Davon gehe ich aus, was natürlich mehr oder weniger Spekulation ist.

Daher möchte ich auch die Frage nach der Globalisierung weitestgehend heraushalten aus diesem Thema, da diese beiden Problematiken sich zwar gegenseitig beeinflussen, aber man der Globalisierung als solches eh nicht aus dem Weg gehen kann.

Der Ansatz seine Investoren genau zu prüfen, erscheint mir durchaus sinnvoll. Dies geschieht ja auch oft genug, aber leider ist dies bei richtigen Aktiengesellschaften nicht möglich.
Den Schutz deutscher Schlüsselunternehmen vor den Heuschrecken, hat ja jetzt die Bundesregierung bei ihrer Klausurtagung diskutiert. Ein lobenswerter Ansatz, der übrigens lange überfällig war. Allerdings sollte man genau prüfen, wie man einen derartigen "Schutzschild" denn gestaltet, denn eine "Verstaatlichung" gefährdeter Unternehmen kann auch nicht des Rätsels Lösung sein.

Mir wäre es noch wichtig, dass meine Arbeitnehmervertreter sich dafür einsetzen die Unternehmenskultur zu beeinflussen. Dies geschieht leider viel zu selten, denn lieber kämpft man für 6% mehr Lohn. Und hier liegt für mich das Problem, denn der Lohn ist bei Leibe hoch genug, nur nutzt einem das nichts, wenn man Tag für Tag vor eine Wand läuft da alle kreativen und innovativen Ideen aus Kostengründen abgeschmettert werden.

Sicher wird man aus einem Unternehmen welches den Aktionären verpflichtet ist den Shareholder Ansatz nicht völlig heraus bekommen, aber ich denke es ließe sich durchaus etwas bewegen.

Schade an der Ganzen Sache ist dann, dass diese komplexen Konzerne für den Aktionär gar nicht überschaubar sind. Er sieht gar nicht wie viel unnütze Kosten durch die falsche Denkweise des Top Managements entstehen. Nimmt man als Beispiel die Mitarbeiterqualifikation und -motivation in Verbindung mit den Tools zum Wissenstransfer.

Bei meinem Arbeitgeber wird nahezu alles angesammelte Wissen in irgendwelchen Powerpoint Präsentationen und Excell Tabellen gepflegt. Jeder bastelt an seinem eigenen System herum und früher oder später hat keiner mehr die Chance nachzuvollziehen was derjenige denn gemacht hat. Wenn dieser Mitarbeiter dann irgendwann in Rente geht, dann ist das alles weniger schlimm, da ja die Zeit da ist das Wissen zu transferieren.

Aber durch die fehlende Motivation der Mitarbeiter geschieht etwas viel schlimmeres. Denn fast jeder der einigermaßen flexibel ist (also keine Kinder, kein Haus, etc.) schaut sich in ganz Deutschland nach Jobs um und wäre bereit binnen kürzester Zeit den Arbeitgeber zu wechseln. Geht der Mitarbeiter dann innerhalb von 1 oder 2 Monaten, dann existiert fast keine Möglichkeit mehr neues Personal einzuweisen. Also ist das Wissen, welches über Jahre hinweg gesammelt wurde verschwunden und das Unternehmen verliert ein ungeheuer wichtiges Kapital, welches ein Wirtschaftsmensch niemals in Geld aufrechnen könnte.

Ich denke, dass zumindest mein AG deswegen irgendwann Schiffbruch erleiden wird und vielleicht dies dann dazu führt, dass sich die Firmenphilosophie ändert.
 
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