Heison schrieb:
Nicht nachvollziehbar finde ich deine Einschätzung zu den Vorschlägen "deren Untauglichkeit bisher deutlich und unwidersprochen nachgewiesen wurde."
Nun, bis zu diesem Post von Dir gab es keinen Widerspruch.
Aber nochmals in Kurzform: Du hast ein Konzept beworben, dessen wesentlicher Inhalt eine befristete Anwerbung von wie auch immer zu definierenden Fachkräften darstellt. Ich habe darauf hingewiesen, dass das
de facto zu einer Nicht-Anwerbung eben jener Zielgruppe führt, und habe das mit einer Analogie zu der deutschen
green card von vor einigen Jahren begründet. Auch dort war die Befristung wesentlicher Regelungsinhalt, und auf die entscheidenden Gründe des Mißerfolgs habe ich deutlich hingewiesen.
Okay, einen Widerspruch haben wir nun, aber keine Gegenargumentation. Im Gegenteil, wobei ich eigentlich Dich in der Verpflichtung sehe, die Tauglichkeit des von Dir vertretenen Konzeptes nachzuweisen. Dieser Beweis wird aber nicht durch das Ausweichen auf Nebenthemen angetreten, zumindet nach meiner bescheidenen Auffassung. Auch und gerade wenn diese Nebenthemen emotional belastet sind, macht das die Sache nicht einfacher.
Zum Stichwort London hattest du eine weitergehende Antwort vermisst. Ich meine: Das ist alles andere als ein Nebenschauplatz. Der Anlass für Begrenzung und Steuerung von Migration sind gerade die negativen Effekte der Massenzuwanderung gewesen und die Kriminalitätsbelastung der Bevölkerung ist ein Aspekt davon (übrigens auch für die Amerikaner und Mexiko). Manche Debattierer verfallen bei diesem Punkt in einen Tabuisierungsreflex, den ich für falsch halte, weil ihm meist eine "ich darf jetzt nichts negatives gegen Ausländer sagen"-Angst zugrunde liegt (...).
Die Verleitung zu Schutzreflexen, die Du ansprichst, mag grundsätzlich vorhanden sein, obwohl ich nichts geschrieben zu haben glaube, was zu dieser Vermutung Anlaß gibt. Gleichfalls mag aber auch die Verleitung zu unreflektierten
Jawoll, so isses!-Reflexen, die durch die argumentativ nicht belegte Verbindung von getrennten Sachverhalten ausgelöst werden kann, ebenfalls grundsätzlich vorhanden sein. Wer sich die Mühe macht, Deine zu London herangeführte Quelle zu lesen, wird feststellen, dass London zwar tatsächlich die Krminalitätshauptstadt Europas ist, gleichzeitig aber Irland als Land die unangefochtene Nummer 1 darstellt. Allerdings ist Irland nicht gerade als Land mit einer besonderen Migrationsproblematik bekannt. Irgendwie hast Du aber versäumt, darauf hinzuweisen. Jenseits der von Dir genannten Quelle ist darüber hinaus die Schweiz bekanntermaßen das Land mit dem höchsten Immigrantenanteil in Europa, und gleichzeitig wiederum nicht als Kriminalitätsschwerpunkt bekannt.
Würde ich nun behaupten, dass ausschließlich aufgrund des Schweizer Beispiels der Beweis angetreten wird, dass eine hohe Einwanderungsquote zu einer im Vergleich zu anderen europäischen Staaten nahezu paradiesisch niedrigen Einwanderungsquote führt, würde ich mich zu einer sträflich nachlässigen, dilettantischen und nachgerade polemischen Argumentation hinreißen lassen, so einfach liegen die Dinge nunmal nicht. Bei einer gleichermaßen schwachbrüstigen Argumentation in die Gegenrichtung soll Kritik daran aber nur aus den von Dir genannten gutmenschelnden Gründen heraus überhaupt nachvollziehbar und damit natürlich inhaltlich von vorneherein disqualifiziert sein?
Somit sehe ich überhaupt keinen Grund, von meiner Beurteilung und Bewertung Deiner Aussage zu London auch nur einen Millimeter abzurücken. Wobei ich keineswegs behaupte, dass Deine Aussage per se falsch ist. Ich bemängele lediglich den nach wie vor fehlenden argumentativen Hintergrund, und bezweifele weiterhin - unabhängig vom Wahrheitsgehalt - die Nützlichkeit in diesem Thema, das ja immerhin so von Dir vorgegeben wurde.
Da hilft auch eine Definitionsdebatte imho nicht weiter:
Wikipedia schreibt zum Begriff "Fachkraft":
"Eine Fachkraft ist allgemein eine Person, die eine gewerbliche, kaufmännische oder sonstige Berufsausbildung erfolgreich absolviert hat. Personen mit akademischem Grad werden seltener als Fachkraft bezeichnet."
Das bringt mir eigentlich nur etwas, wenn ich davon ausgehen kann, dass in der von Dir genannten Quelle im Eröffnungspost genau dieser und Deiner Differenzierung Rechnung getragen wird, und gleichermaßen in der folgenden Umsetzung in den EU-Mitgliedsstaaten wie auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Und selbst wenn das der Fall wäre, dann grenzt es die Problematik des von Dir beworbenen Konzeptes lediglich auf die so definierte Zielgruppe ein, ohne sie allerdings aufzulösen.
Daher ist meine Zustimmung zu dem Vorhaben, ausgebildete Arbeiter und Angestellte auf Zeit in Bedarfsfällen anzuwerben, überhaupt kein Widerspruch dazu, die "High Potentials" und Arbeitsplatzschaffenden mit besonderen Konditionen wie dauerhaftem Verbleib anzulocken. Und dass ich eine Ergänzung des Konzepts befürworte, habe ich bereits in #5 angesprochen.
Es bleibt dann immer noch beim schönfärberisch formulierten tatsächlichen Einwanderungsverbot - aus bisher weiterhin nicht widerlegten Gründen! - für Fachkräfte ohne universitäre Ausbildung, und damit bei der von mir kritisierten politischen Spiegelfechterei, zu deren Anwalt Du Dich im Eröffnungspost gemacht hast.
Allerdings sollten wir festhalten, dass wir als gemeinsame Basis immerhin die Erfordernis "gesteuerter und kontrollierter Migration" haben, die du sogar (etwas gewagt) als Konsens einstufst.
Wenn Du den Konsens bezweifelst, dann lese doch einfach mal die entsprechenden Threads hier im Forum, oder geh einfach mal irgendwo ein Bierchen kippen.
Wobei ich mit Konsens natürlich nicht absolute Meinungsübereinstimmung meine, sondern nur deutlich mehrheitliche. Damit erübrigt sich für mich auch in dieser thematisch eher engen Diskussion, deren Eingrenzung ursprünglich von Dir stammt, überhaupt jeder Grund, über die Hintergründe der Bildung dieser Mehrheitsmeinung zu debattieren. Daher kann ich auch nichts anders, als jeden Versuch, genau dieses zu tun, als Nebenschauplatz anzusehen.
Dein Eröffnungspost gab dazu auch keinen Anlass, im Gegenteil:
So wie die einzelnen Länder ihre Interessen bei Migration definieren, sollte es auch ein europäisches Konzept für Europa tun.
Der entsprechende Grundkonsens schien für Dich absolut vorhanden zu sein. Warum willst Du ihn jetzt anzweifeln?
Viele Grüße, Tiguar