Herdware
Fleet Admiral
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psYcho-edgE schrieb:Sagen wir mal so: je länger man es nicht versucht, desto schlimmer wird die Situation. Irgendwann muss ein Ansatz ja auch mal klappen.
Bei den unausgegorenen Ansätzen, mit den die allermeisten etablierten Parteien bisher gekommen sind, sage ich eher: "Lasst es besser ganz bleiben." Die machen nur alles schlimmer und schlimmer.
Was wir bräuchten, wäre eine grundlegende Reform des Urheberrechts. Das alte Urheberrecht ist in weiten Teilen noch um den Handel mit Schallplatten, Videokassetten und Einweg-Masssenmedien wie Rundfunk usw. herum aufgebaut. Es dreht sich um die Idee, dass man "Geistiges Eigentum" wie Stückgut handeln kann. (Und demensprechend z.B. auch stehlen.)
Während der eigentliche Kern des Urheberrechts, also das Urheberpersönlichkeitsrecht (die Rechte des Urhebers an seinem Werk), bestehen bleiben und sogar gestärkt werden sollte, muss das ganze Konzept der nachgeschalteten Verwertungsrechte grundsätzlich überdacht werden. So wie es ist, kollidiert es frontal mit der Realität des Informationszeitalters (Digitalisierung und globale Vernetzung) und ließe sich nur mit einer weltumspannenden Totalüberwachung jeglicher Kommunikation zwischen den Menschen aufrecht erhalten. Und das will doch hoffentlich niemand.
Leider traut sich da praktisch kein Politiker aus den etablierten Parteien daran, diese Konsequenzen zu ziehen und die Lobbyisten der Rechteverwertungsindustrie laufen sowieso Sturm, sobald jemand sowas auch nur zur Diskussion stellen will. Die krallen sich verzweifelt an die Hoffnung, dass man das bestehende System aus dem 20. Jahrhundert mit genug "Gewalt" doch noch irgendwie erhalten könne.
Den Bürgern scheint das ganze Thema bisher nicht wichtig genug, um es bei ihren Wahlentscheidungen auch nur im Geringsten zu berücksichtigen, obwohl es auch elementar wichtige Grund- und Menschenrechte betrifft, wie die Informations- und Meinungsfreiheit, das Brief-/Fernmeldegeheimnis oder das Verbot von Zensur usw. Das alles wird derzeit provisorisch hinter wirtschaftliche Interessen einer einzelnen Branche zurückgestellt, die unbedingt an ihren Geschäftsmodellen aus dem letzten Jahrhundert festhalten will.
Solange sich an der Gleichgültigkeit der Wähler nichts ändert, wird sich die Situation zwangsläufig immer mehr zuspitzen. Dabei gäbe es wirklich so viel zu tun.
Wie gesagt, wäre eine Kulturflatrate zumindest eine Sache, die man mal gründlich in Erwägung ziehen müsste.
Oder auch den einfacheren/praktischeren Ansatz, den z.B. die Piraten verfolgen. Also den sowieso schon seit vielen Jahren herrschenden freien Austausch von Informationen auch formal zu legaliseren, solange es sich um rein privaten, nicht-kommerziellen Austausch handelt. Die Verbote dagegen haben eh nie ansatzweise gewirkt und der ernsthafte Versuch sie systematisch durchzusetzen würde auch unzumutbare Kollateralschäden an den Grundrechten anrichten. Trotzdem leben die Urheber und die Rechteverwertungsindustrie noch und verdienen gutes Geld. Und sie könnte noch viel besser leben, wenn sie aufhören würden, gegen ihre eigene Kundschaft zu kämpfen und sich statt dessen darauf konzentrieren, sich den veränderten Umständen anpassen.
Informationen werden niemals wieder zu Stückgut wie Kartoffeln oder Socken, egal was in einem Gesetzbuch steht. Die Zeiten sind unwiederbringlich vorbei, seit Informationen losgelöst sind, von ihren Datenträgern.