Hallo DiEsA,
eines gleich vorweg: Ich habe nie selbst für die OVB gearbeitet, war jedoch ein Jahr lang mit jemandem zusammen, der seit rund 12 Jahren für die OVB tätig ist.
Ich möchte hier keine generelle Vorverurteilung betreiben. In vielen Threads im Internet findet man viele sehr pauschale Nagativstatements zur OVB und zum Bereich Strukturvertrieb allgemein.
Ich habe in den letzten Wochen intensiv zu diesem Thema im Internet recherchiert und festgestellt, dass die OVB, im Vergleich zu anderen Finanzdienstleistern besser wegkommt, als z.B. der AWD.
Allerdings sind mir jene Artikel im Gedächtnis geblieben, die die Methodik der Anzeigenschaltung, der Auswahl der Bewerber und ihre allmähliche Veränderung der Persönlichkeit beschreiben und manchmal auch ihr völliges Scheitern, bis hin zum privaten Konkurs. Ich möchte hier speziell auf die beiden letzen Punkte eingehen.
Ob man mit diesem Job erfolgreich sein kann, hängt meines Erachtens davon ab, ob man über eine stabile Persönlichkeit verfügt, sich das Positive herausfiltern kann, ansonsten aber gegen jede Form von Manipulation möglichst gefeit ist.
Als ich meinen Ex-Partner kennenlernte, erfuhr ich zunächst nur, dass er selbsständig ist und im Bereich der Finanzdienstleistung bei der OVB arbeitet. Ehrlich gesagt, ich habe das alles nicht groß hinterfragt. Stutzig machten mich allerdings schon in den ersten Gesprächen seine Wertvorstellungen und das häufige Reden über Erfolg, Geld und Porsche. Da ich jemanden kenne, der in diesem Bereich tatsächlich sehr erfolgreich ist, habe ich mir auch dabei nichts gedacht, außer, dass ich einen Menschen nicht danach bewerte, ob er Fahrrad oder Porsche fährt:-)
Ich habe das also erst mal alles hingenommen.
Schnell kristallisierte sich heraus, dass er selbst in recht bescheidenen Verhältnissen lebte (was mich keineswegs gestört hat, aber eben nicht zu seinem Reden über seinen Job passte), keine Freunde hatte, häufig gestresst und launisch war, keinerlei Freizeit übrigblieb und sich alles, aber wirklich alles nur um seinen Job drehte.
Mir gab er manchmal zu verstehen, dass meine Lebensweise "klein" erschien.
Und so versuchte er anfangs, mich für seine Branche zu begeistern und wollte gerne, dass ich ihn "unterstütze". Auch eines der Schlagwörter dieser Branche. Ich hatte allerdings an der Thematik nie Interesse, habe jedoch immer sehr aufmerksam zugehört und schnell gemerkt, dass die Methoden, die dort angewandt werden, um Mitarbeiter zu gewinnen, mich eher abstoßen. Vielleicht liegt das an meiner persönlichen Einstellung, die darauch gekennzeichnet ist, dass ich nicht glaube, das man mit angeblich nur kleinem Aufwand schnell zu viel Geld kommen kann. Auch bin ich gegen jegliche Art von vollmundigen Versprechungen irgendwie resistent. Mir klang das ganze Gerede immer zu auswendig gelernt und zu rhetorisch ausgefeilt. Ich kann einem Außenstehenden gar nicht erklären, welcher Unterschied zu spüren war, wenn mein Freund mit mir über Alltägliches oder die OVB sprach. Das war, als hätte man zwei völlig unterschiedliche Menschen vor sich. In diesem Zusammenhang kann ich sogar nachvollziehen, dass manche Kritiker Vergleiche zu Sekten herstellen.
Nachdem mein Standpunkt zur OVB klar war, vermied er es tunlichst, mich im Büro oder bei seinem Chef vorzustellen. Irgendwann sagte er mir einmal: Du würdest Dich da nicht wohlfühlen, weil Du das alles zu sehr hinterfragen würdest.
Und genau damit sind wir beim Punkt.
Mein Ex wurde mit knapp 21 Jahren von der OBV geworben. Nach wenigen Monaten hatte er Schulden, weil es nicht so einfach lief, wie man ihm scheinbar zu Beginn versprochen hatte. Interessant ist, dass er die Schuld dafür überwiegend bei sich selbst gesucht hat und weniger in der fehlenden Unterstützung durch seinen Regionaldirektor. Dieser war allerdings wenigstens menschlich genug, ihm eine Assistentenstelle anzubieten, die mit einem Fixum bezahlt wird (was eine absolute Ausnahme darstellt) und damit genaugenommen seinem selbstständigen Status wiederspricht. Von diesem Geld lebt er nun schon all die Jahre, da der Strukturvertrieb an sich nur ganz selten Mal eine zusätzliche Provision abwirft. Im Grunde reicht es nicht mal, um den Kühlschrank zu füllen.
Was mich daran stört und verzweifeln lässt, ist, dass man es im Falle meines Ex-Freundes keineswegs mit einem dummen Menschen zu tun hat. Jedoch mit einem, den man in jungen Jahren derart verblendet und manipuliert hat, dass er heute mit Mitte dreißig noch immer an einem kompletten Realitätsverlust leidet und vom Porsche träumt, obwohl er seit Jahren am Existenzminimum lebt. Was nach so langer Zeit scheinbar fehlt, ist die Fähigkeit objektiv zu reflektieren, dass man in einer Sackgasse steckt. In den wenigen lichten Momenten, die ich bei ihm diesbezüglich erlebt habe, war ihm seine Notlage allerdings mehr als klar und tiefe Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung war das Reslutat. Fehlender Mut und Perspektivenlosigkeit haben jedoch stets einen Absprung verhindert.
Was hinzukommt, ist, dass sich ein Selbstständiger eben nicht einfach arbeitslos melden kann. Wer den Absprung wagt, steht also vor dem nichts. Denn man hat im Laufe der Jahre eben nicht, wie ursprünglich mal versprochen, Reichtümer angehäuft.
Zusammenfassend kann ich somit nur folgendes sagen:
Die Arbeit bei einem Finanzdienstleister (egal ob OVB oder andere) ist nur was für Realisten, die nicht daran glauben, mit wenig Aufwand viel Geld machen können
Sicher gibt es Menschen, denen das Thema liegt, die Biss oder einfach nur Charisma besitzen und Erfolg damit haben
Leider machen diejenigen, die vor allem gerne junge Menschen für die OVB rekrutieren da häufig keinen Unterschied, so dass die Gefahr groß ist, dass leichtgläubigen, naiven Menschen ein Floh ins Ohr gesetzt wird
Man sollte entsprechend psychisch gefestigt sein, um für sich das an Knowhow rauszufiltern, was einen weiterbringen kann, und das auszublenden, was in meinen Augen an recht heftige Manipulation grenzt
Gerade in der Anfangszeit sollte eine solide Grundversorgung (Hauptjob) vorhanden sein, um einer Schuldenfalle zu entgehen
Trotz der häufig extrem schneller Beförderungen sollte man sich rund zwei Jahre Zeit lassen, bevor man das Ganze hauptberuflich macht
Und man sollte in der Lage sein, zu sehen, dass man für die Beförderungen eigentlich noch nichts weltbewegendes vollbracht hat. Sie dienen lediglich dazu, schnell ein gutes Selbstbewußtsein aufzubauen und schnellen Erfolg zu suggerieren. Die wirklich harte Zeit fängt danach an.
Man sollte entweder gar keinen Partner haben, einen mit viel Geduld oder mit viel Geld, ansonsten könnte es eng werden;-)
Wenn man seine Freunde behalten will, sollte man sie aus der ganzen Geschichte raushalten
Die OVB und auch andere Unternehmen dieser Art erzeugen gerne ein Pseudo-Familien-Gefühl. Wer dafür empfänglich ist läuft zumindest Gefahr, seine wirklichen Freundschaften zu vernachlässigen. Das Resultat ist im schlimmsten Fall der Verlust des gesamten Freundeskreises
Als Partner oder Freund zu versuchen, jemanden dort "rauszuholen" gestaltet sich als ausgesprochen schwierig, weil die wenigsten erkennen, in welcher Misere sie sich befinden. Sie reagieren also abwehrend, aggressiv oder mit völligem Rückzug, weil ein Ausstieg einem Scheitern gleichkommen und damit dem gloriosen Selbstbild widersprechen würde, das einem im Laufe der Jahre regelrecht eingeredet wurde. So siegte bei meinem Ex-Freund der Gedanke, es doch noch irgendwann zu schaffen und mit seinem Job viel Geld zu verdienen, immer über den Gedanken, das es da nichts mehr zu schaffen gibt.
Man sollte zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass man nicht schnell reich wird, keinen Porsche fährt, kein Partner bei einem bleibt, man keine Freunde hat und vermutlich vor lauter Stress mit 50 an einem Herzinfarkt verreckt. Wer länger durchhält kann sich dann immerhin darauf freuen, dass er sich bei entsprechender Altersvorsorge zumindest mit 65 mal richtig satt essen darf!