Raucherdackel! schrieb:
Ich war jahrelang ein Verfechter der Grundrechte, aber aus aktuellem Anlass sehe ich mich gezwungen, dem Einsatz des Staatstrojaners zuzustimmen. Es darf einfach nicht sein, dass radikale Elemente unseren Bundesstaat so unterwandern und dadurch Staatsbürger zu Schaden kommen, die rein gar nichts mit dieser Thematik am Hut haben. Ich möchte lieber absolut sicher in einem Staat leben, als mich jeden Tag fürchten zu müssen, dass dies mein letzter sein könnte. Wem dieses Gebahren der Bundesrepublik nicht zusagt, dem steht es frei, eben jene zu verlassen.
Viele Menschen jammern, weil sie so viele Steuern zahlen müssen. Ich zahle sie gerne , weil ich dafür was bekomme: und zwar Schutz für mein Leben. Und mein Leben ist mir wichtig. Deshalb wähle ich auch auch das, was mir persönlich Schutz in diesem Land bietet.
Wer damit nicht einverstanden ist, dem steht es immer frei zu gehen. Schließlich leben wir ja nicht in Nordkorea...
Wir leben deswegen nicht in chinesischen oder nordkoreanischen Verhältnissen, weil wir unsere freiheitlichen Grundrechte haben. Dazu gehört, dass wir den Grundsatz "im zweifel für den Angeklagten" haben, da der Schutz des Angeklagten vor staatlicher Willkür schwerer wiegt als der "Schutz der Allgemeinheit" vor möglichen Tätern. Dieser Grundsatz ist aber untrennbar mit der Demokratie verbunden. Ich kenne die Geschichten der Leute aus Ländern, bei denen die Demokratie höchstens im Titel des Staates vorhanden war, die staatlicher Willkür ausgesetzt waren, die um ihr Leben fürchten mussten, weil die falsche Person mitgehört hat und sie als staatsgefährdend eingestuft hat. Die "Staatssicherheit", mit der hierzulande genügend Menschen ihre Erfahrungen gemacht haben, hatte diesen Namen nicht umsonst.
Unsere Vorfahren haben lange für diese Freiheit gekämpft, tw. unter blutigen Opfern. Unsere Gesellschaft duldet, dass wir im Namen der Freiheit und der Menschenrechte Menschen in anderen Staaten angreifen und so erst die Terroristen schaffen, die wir hierzulande mit der Beschneidung der Freiheitsrechte bekämpfen wollen. Seit dem 11. September 2011 sind über anderthalb Jahrzehnte vergangen. Wir haben ein Gesetz nach dem anderen erlebt, dass Terror verhindern und bekämpfen soll; Wir haben de facto anlasslose Massenüberwachung durch die USA, GB, Kanada und unsere Geheimdienste mischen auch noch munter mit.
Der Erfolg des Ganzen ist fragwürdig. Wir haben eine Gesellschaft entwickelt, die im Zweifel jede abweichende Meinung mit Parolen niederbrüllt, mit Unterstützung der Regierung und der Medien. Wir haben die paradoxe Situation, dass anders denkenden Hass gegen andersdenkende vorgeworfen wird. Wir haben in der Diskussion um "Hate Speech", Sexismus und Fake-News eine Situation geschaffen, bei der im Zweifel gegen den Angeklagten entscheiden werden soll, weil ja nur das Opfer wissen würde wenn es Beleidigt wurde oder sich sexistisch angegangen fühlt. Das widerstrebt jedoch jeder Bestrebung auf faktenbasierten Normen zu argumentieren. Weil Gefühle sich eben nicht an die Fakten halten. Da geht es um Prinzipien, die durchaus fragwürdig sind, aber tief blicken lassen. Man muss nur kurz nachdenken, um zu erkennen dass dies an einer der Säulen der Demokratie rüttelt. Und damit darf man durchaus als "extremistisch" bezeichnen - auch wenn den betreffenden Aktivisten die Tragweite schlicht nicht bewusst ist, sondern nur die gute Sache.
Demokratie ist auch die Diskussion um das richtige Vorgehen, und nicht: "Wenn du nicht meiner Meinung bist, verlasse bitte mein Land!".
Das Problem ist ja noch nicht nur, aus den richtigen Gründen das Falsche getan wird; Wenn wir in andere Gesellschaften schauen, die allgemein als wir hierzulande üblicherweise nicht als rückständig und nachahmenswert empfinden, dann sehen wir den unter anderem Themenkomplex "Ehrenmorde". Da führt die Kränkung des eigenen Egos durch das Verhalten der Schwester dazu, dass man sie ohne nennenswerte Strafverfolgung töten darf, nein, muss. So weit sind wir zum Glück nicht, aber auf dem Weg dahin; Vielleicht nicht in der Ausführung, aber in der Denkweise die dahinter steht.
Die Problematik hinter dem Themenkomplex Kapitalverbrechen und Terrorismus ist eine merkwürdige Systematik, die ich nicht ganz verstehe: Wir haben die Fälle von Paris, bei denen die Attentäter bekannt waren und überwacht wurden. Wir haben hierzulande den Fall Amri, bei denen der Attentäger bekannt war und überwacht wurde. Wir haben das Konzert in Manchester, bei dem der Attentäter bekannt war und überwacht wurde...und das zieht sich so durch. Wir haben den NSU, der in einem Gewirr aus V-Leuten und Verfassungsschützern agieren konnte, und bei dem die Anzahl der Opfer quasi nur durch die Anzahl an zufällig gestorbenen Zeugen übertroffen wird.
Sorry, aber ich bezweifle, dass ein Mehr an Überwachung auch nur einen Hauch an besserer Sicherheit bringen kann, wenn die Zuständigen schlicht die falschen Entscheidungen treffen und am Ende alles tun um ihre eigene Unfähigkeit zu vertuschen. Im Fall der Sauerlandgruppe konnte man nachlesen, was denn zur Verhaftung geführt hat: Klassische Polizeiarbeit. Offensichtlich ist das doch ausreichend und kommt ohne Grundgesetzverachtende Maßnahmen aus - und wenn man sich ansieht, wie kosteneffizient der Bund IT-Projekte umsetzt, dann ist das auf Jahre sogar günstiger die Polizei mit genügend Personal auszustatten...