Du gehst von etwas Navigation mit der Maus aus, dafür reicht in den meisten Fällen tatsächlich ein Touchscreen aus. Will man aber mehr, zB viele kleine Elemente anwählen, dann wird der Finger als Eingabegerät zu ungenau. Und zu unbequem. Keiner kann länger als eine halbe bis eine ganze Stunde mit einem kleinen Tablet oder Laptop auf dem Schoß sitzen. Das Wort "unergonomisch" ist da fast ein Kompliment für diese Tortur.
In meiner Bachelorarbeit zum Thema "Konzeption und Evaluation von Touch-User-Interface-Elementen - Prototypische Implementierung unter Windows 8" habe ich eine kleine Evaluation gemacht. Dabei habe ich unter anderem aufgezeichnet, wie sehr sich der erkannte Kontaktpunkt des Fingers auf einem Touchscreen für die Dauer des Kontakts verschiebt (bei der Tipp-Geste) und wie lange so ein Kontakt dauert.
Das Ergebnis:
12 Testpersonen. Jede Person hat 28 Tippgesten gemacht, deren aufgezeichnete Werte in dieser Tabelle gemittelt angezeigt werden.
Die Evaluation wurde auf einem Asus Eee Slate B121 durchgeführt.
Start bis Endpunkt: "Luftlinie" zwischen den Punkten an dem der Finger zuerst und zuletzt den Touchscreen berührt hat.
Länge des Pfades: Im Grunde wie die "Luftlinie", aber hier wird die Distanz angegeben, die der Finger auf dem Touchscreen zurückgelegt hat - mit allen Schlenkern und soweit das Gerät die Eingaben erfassen konnte.
Am Maximumwert der Distanzen erkennt man, dass es auch Leute mit "Wurstfingern" gibt oder einfach bei der Eingabe zappeln. Und das nicht zu knapp, fast 2 cm ist der vom Gerät erkannte Kontaktpunkt bei der Eingabe gewandert. Man beachte, dass zB Smartphones oft Eingabeelemente anzeigen, die wesentlich kleiner sind. Bei Windows 8 ebenso. D. h. diese Leute haben Probleme bei der Bedienung.
Vergleicht man die Anzahl der Pfadpunkte (also wo der Finger auf dem Bildschirm lang wanderte) im Vergleich zur Gestendauer, dann erkennt man, dass dieser Touchscreen oder Windows 8 nicht besonders konstant beim Erkennungsintervall ist. Das Intervall zwischen der Erkennung zweier Kontaktpunkte schwankt zwischen ca. 23 und 82 Millisekunden.
Für eine gute Erkennung einer Vielzahl unterschiedlicher Gesten sind viele Pfadpunkte nötig. Je mehr, desto besser kann ein Programm zwischen den Gesten unterscheiden.
Gerade bei der Testperson, die sehr lange gedrückt hat, wird es für ein Programm sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich, zwischen einer Tipp- und einer Wischgeste zu unterscheiden.
Man braucht also eine deutlich schnellere Erkennungsgeschwindigkeit und die ist einfach nicht da. Und die wird auch in 5 Jahren noch nicht da sein. In Microsofts Forschungslaboratorien gibt es zwar schon einen Prototypen, dessen Erkennungsintervall bei einer Millisekunde liegt. Aber bis das Teil den Sprung in den Markt geschafft hat, vergehen noch viele Jahre.
Und auch danach wird man eine Maus noch weiterhin benötigen, da sie viel mehr Präzision ermöglicht.