Bundesarbeitsgericht: Hetze in WhatsApp-Gruppen kann Kündigungsgrund sein

Andreas Frischholz
257 Kommentare
Bundesarbeitsgericht: Hetze in WhatsApp-Gruppen kann Kündigungsgrund sein
Bild: Webster2703 | CC0 1.0

Weil ein Mitarbeiter in einer privaten WhatsApp-Gruppe den Chef und Kollegen beleidigte, wurde er entlassen. Das war rechtmäßig, erklärte das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil. Ob Inhalte in privaten Chatgruppen tatsächlich vertraulich sind, hängt demnach von der Größe und personellen Zusammensetzung ab.

Die Chatgruppe, in der es in diesem Fall geht, bestand seit 2014. Dort tauschte der Arbeitnehmer gemeinsam mit fünf Kollegen Nachrichten aus, ein ehemaliger Kollege wurde 2020 in die Gruppe aufgenommen. Die Mitglieder waren seit Jahren befreundet, zwei sogar verwandt.

Nur ging es in der Gruppe nicht nur um Privates, sondern auch um Berufliches. Konkret soll der Arbeitnehmer sich – wie es in der Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts heißt – in „stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen“ geäußert haben. Wie der Spiegel berichtet, fielen etwa Sätze wie „in die Fresse hauen“.

Die Aussagen gelangten an den Betriebsrat des Unternehmens, der informierte den Personalchef. Was folgte, war die fristlose Kündigung, der auch der Betriebsrat zustimmte.

Es kommt auf die Gruppe an

Gegen diese Kündigung klagte der Arbeitnehmer und konnte sich sowohl vor dem Arbeitsgericht Hannover als auch dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen durchsetzen. In beiden Verfahren entschieden die Richter, es habe eine „Vertraulichkeitserwartung“ bestanden. Der Kläger hätte demnach davon ausgehen können, dass seine Aussagen nicht weitergegeben werden.

Berechtigt war diese Erwartung aber nicht, erklärt nun das Bundesarbeitsgericht in dem Revisionsverfahren (AZ: 2 AZR 17/23). „Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können“, so das Gericht.

Ob so ein besonderer Schutz besteht, ist demnach abhängig von den in der Gruppe ausgetauschten Inhalten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung. Der Arbeitsrechtler Michael Fuhlrott erklärt im Spiegel, die Vertraulichkeit gelte seiner Einschätzung nach nur bei engsten Freunden und Familienmitgliedern. Aussagen in diesem Umfeld könnten nicht durch Dritte verwertet werden. Bei Kollegen bestehe dieser Schutz selbst mit einem freundschaftlichen Verhältnis nicht von Haus aus.

Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben, dieses muss nun erneut über den Fall verhandeln. Der Kläger muss nun mit einer „besonderen Darlegung“ erklären, warum er erwarten konnte, dass „beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige“ in dieser Gruppe aus Kollegen und mit einem neuen Mitglied besonders vertraulich sind.