Instagram: 1,1 Millionen Kinder werden für Meta zum Problem

Michael Schäfer
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Instagram: 1,1 Millionen Kinder werden für Meta zum Problem
Bild: Webster2703 | CC0 1.0

Meta sieht sich in den USA mit einer Klage konfrontiert, nach der der Dienst seit Anfang 2019 mehr als 1,1 Millionen Berichte über Nutzer unter 13 Jahren erhalten hat und untätig geblieben sein soll. Nun gehen Generalstaatsanwälte von 33 Staaten rechtlich gegen das soziale Netzwerk vor. Neue Unterlagen zeigen weitere Details.

Als Grundlage für die bereits Mitte des Monats eingereichte Klage dienten vor allem von der Whistleblowerin Frances Haugen veröffentliche Dokumente. Die damals noch in weiten Teilen geschwärzte Klageschrift wurde nun ohne Einschränkungen veröffentlicht, womit weitere Details bekannt wurden, wie unter anderem die New York Times berichtet. Unter Verwendung von Auszügen interner E-Mails, Mitarbeiter-Chats und Unternehmenspräsentationen wird in dieser behauptet, dass Instagram nicht nur jahrelang minderjährige Nutzer geduldet, sondern diese bewusst auf die Plattform gelockt und dadurch das Datenschutzgesetz für Kinder nicht eingehalten haben soll. Darüber hinaus wird Meta vorgeworfen, sich bewusst dafür entschieden zu haben, die Hürden für eine Anmeldung entsprechender Nutzer so gering wie möglich zu halten. Dies hat vor allem wirtschaftliche Gründe: Das Unternehmen soll Kinder als eine wichtige Bevölkerungsgruppe betrachten, die für das weitere und vor allem spätere Wachstum wichtig seien.

Problematik allseits bekannt

Darüber hinaus soll die hohe Anzahl minderjähriger Nutzer bei Meta ein „offenes Geheimnis“ gewesen sein, wobei deren Aktivitäten „routinemäßig dokumentiert“ worden seien. Trotz des Wissens hätten die Verantwortlichen der Plattform nur einen Bruchteil der Konten deaktiviert, so der Vorwurf. Ohne die Zustimmung der Eltern habe der Social-Media-Riese jedoch weiterhin persönliche Daten über die Minderjährigen gesammelt, zu denen unter anderem deren Standorte oder die E-Mail-Adressen gehörten. In der Klageschrift heißt es weiter, dass das Unternehmen während des gesamten Zeitraums Kenntnis über die hohe Anzahl von über einer Million Nutzer unter 13 Jahren besaß, die jederzeit „rigoros analysiert“ wurden. Andererseits habe Instagram enormen Aufwand betrieben, um diesen Umstand zumindest vor der Öffentlichkeit geheim zu halten.

Damit, so die Klageschrift, habe der Dienst gegen den in den USA gesetzlich verankerten Schutz der Privatsphäre von Kindern verstoßen. Sollten die klagenden Bundesstaaten den Verstoß belegen können, könnte dies eine Strafzahlung von mehreren hundert Millionen US-Dollar oder mehr nach sich ziehen. Die Klage bezieht sich auf den Children's Online Privacy Protection Act, ein Bundesgesetz aus dem Jahr 1998. Das Gesetz schreibt vor, dass Online-Dienste mit Inhalten, die sich an Kinder richten, die überprüfbare Erlaubnis eines Elternteils einholen müssen, bevor sie deren persönliche Daten erfassen. Verstöße gegen das Gesetz können mit Geldstrafen von bis zu 50.000 US-Dollar geahndet werden.

Große Anzahl von mutmaßlichen Verfehlungen

Doch dies ist nicht die einzige Klage, die von Kalifornien, Colorado und 31 weiteren Bundesstaaten beim U.S. District Court for the Northern District of California eingereicht wurde. Dem Mutterkonzern Meta wird weiter vorgeworfen, einerseits junge Menschen zur Nutzung der Plattform Instagram und Facebook manipuliert, gleichzeitig aber interne Studien über die Schäden für die Nutzer verheimlicht zu haben. Darüber hinaus wollen die Staatsanwälte erreichen, dass Meta bestimmte Funktionen einstellt, die für jüngere Nutzer als schädlich angesehen werden. Meta soll unter anderem den genauen Anteil der 11- und 12-Jährigen, die Instagram täglich nutzen, verfolgt und somit auch gekannt haben.

Außerdem soll es Meta „kontinuierlich versäumt“ haben, wirksame Alterskontrollsysteme einzurichten. Stattdessen solle es den Nutzern unter 13 Jahren ermöglicht worden sein, auf leichte Art ein anderes Alter angeben zu können, um ein Instagram-Konto einzurichten. Darüber hinaus wird Meta beschuldigt, vor dem Kongress falsche Angaben gemacht zu haben, als es öffentlich erklärte, dass die Alterskontrolle des Unternehmens wirksam sei. Ebenso wurde erklärt, dass Konten von Minderjährigen entfernt würden, sobald die Verantwortlichen davon Kenntnis erlangten. Gleichzeitig soll die Führungsetage aber von den über eine Million minderjährigen Nutzern auf Instagram gewusst haben. „Tweens wollen Zugang zu Instagram, und sie lügen über ihr Alter, um ihn jetzt zu bekommen“, so Instagram-Chef Adam Mosseri den Dokumenten zufolge in einem internen Chat des Unternehmens im November 2021. Einen Monat später behauptete Mosserie vor dem US-Kongress, dass Kinder unter 13 Jahren auf Instagram nicht erlaubt seien.

Verifikation für Meta zu komplex

Meta weist die Vorwürfe erwartungsgemäß zurück. Das Unternehmen erklärte in einer Stellungnahme am vergangen Samstag, dass in den letzten 10 Jahren vieles unternommen wurde, um Instagram für Jugendliche sicherer und altersgerechter zu gestalten und das die eingereichte Klage die „Arbeit durch selektive Zitate und herausgepickte Dokumente“ falsch darstellen würde. Gleichzeitig gab der Konzern an, dass unrechtmäßige Konten, sobald sie identifiziert seien, gelöscht würden. Dies sei jedoch eine komplexe Angelegenheit, da jüngere Nutzer oftmals keinen Schülerausweis oder Führerschein besäßen.

Die eingereichte Klage ist nicht das erste Mal, dass Meta mit US-Gesetzen in Konflikt geraten ist. So wurde dem Unternehmen Mitte 2019 im Rahmen des „Cambridge-Analytica-Skandals“ von der Federal Trade Commission (FTC) eine Rekordstrafe von 5 Milliarden US-Dollar auferlegt. Auch damals waren Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen der Grund des Verfahrens.