Seit heute Mittag ist das beliebte deutschsprachige Streaming-Portal kino.to, das Links zu aktuellen Kinofilmen, Serien und Dokumentationen anbot, nicht mehr aufrufbar. Stattdessen liest sich dort eine vermeintliche Botschaft der Kriminalpolizei. Denn nun soll es nach einer langen und erfolgslosen Fahndung gelungen sein, bei einer Razzia in Deutschland und Spanien 13 mutmaßliche Verantwortliche der Seite festzunehmen.
Was das nun für kino.to bedeuten könnte, habe ich Johannes Sand (Anm.: Der Name wurde geändert.) gefragt, der regelmäßig Inhalte für die Seite zur Verfügung stellte.
Wie funktionierte kino.to?
Sand: Es laden regelmäßig ein paar hundert Leute Filme, Serien und Dokumentationen auf ein paar Hostingplattformen hoch. Die Links werden dann bei kino.to eingegeben und erscheinen wenig später auf der Seite.
Wie darf man sich Ihre Arbeit vorstellen?
Sand: Ich bin auf Dokumentationen und ein paar US-Serien spezialisiert. Meistens benutze ich eine Remote-Software. Dort trage ich dann Links ein, die ich im Internet finde. Meistens sind Serien nämlich schon hundertfach nach der Ausstrahlung hochgeladen, werden aber immer sofort nach ein, zwei Stunden wieder gelöscht. Ich bin also schnell, schnappe mir die Links und gebe sie ins Programm ein, das lädt sie dann auf einem Server runter und dann auf verschiedene Videohoster hoch. Die Dateien sind so nie auf einem Rechner, sondern auf einem angemieteten Server.
Wie funktioniert das mit aktuellen Kinofilmen?
Sand: Eigentlich genauso. Es gibt da entweder eine Filmdatei, die irgendwie geleakt wurde, dann kann der Film in hoher Qualität hochgeladen werden oder man ist auf Amateueraufnahmen angewiesen, die irgendjemand im Kino gemacht hat. Ich habe aber nie Kinofilme hochgeladen. Aber der Prozess wäre der Gleiche.
Bezahlte Sie kino.to für Ihren Dienst?
Sand: Nein, aber die Videohoster bezahlen pro Besucher. Kino.to ist gut besucht und zieht tausende Leute auf die eigenen Uploads. Die Hoster zahlen dann das Geld aus. Von kino.to hat noch niemand Geld bekommen.
Wie sehen diese Summen aus?
Sand: Das kommt darauf an, was man hochlädt und wie oft es besucht wird. Wer Dr. House und Glee hochlädt, verdient mehr. Aber kino.to nimmt nur eine begrenzte Anzahl an Links zu einer Folge an. Das heißt, es gibt ein paar Leute, die sich nur damit beschäftigen. Man muss so seinen Bereich finden. Mit den kino.to-Links habe ich so 1000 US-Dollar im Monat verdient.
Die Staatsanwaltschaft in Dresden geht davon aus, dass kino.to monatlich siebenstellige Beiträge umsetzte. Halten Sie das für realistisch?
Sand: Ja. Die Seite hatte jeden Tag sicher mehr als eine Million Besucher und war voll mit Erotik- und Pokerwerbung. Die bezahlen ganz gut.
In einem älteren Bericht der Wirtschaftswoche, warf die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) dem Portal vor allem mit Werbung teurer „Abzockerangebote“ Geld zu verdienen.
Hatten Sie Kontakt zu den Betreibern der Seite?
Sand: Nein. Nie. Man gibt die eigenen Links in einem versteckten Bereich der Seite ein und wird akzeptiert oder nicht. Es kann auch sein, dass es gar kein Mensch wartet, sondern irgendein Programm die Links analysiert und schaut, ob die schon vorhanden sind und danach entscheidet, ob die Links auf die Startseite kommen oder nicht. Ich habe mich auch nie als Arbeiter von kino.to angesehen. Es gibt keine Verbindlichkeiten. Es ist alles anonym.
Wie sind Sie zu dieser Arbeit gekommen?
Sand: Das war nicht so schwer. Ich interessierte mich für die Seite. Kino.to kennt jeder, auf dem Schulhof, im Büro, und ich wollte wissen, wie das funktioniert und habe dann irgendwann Links beigesteuert. Es sind jedenfalls keine Hackerkreise oder sowas. Jeder, der Interesse hat, kapiert das auf Anhieb.
Was halten Sie von der Verhaftung der mutmaßlichen Betreiber?
Sand: Vielleicht ist kino.to damit offline. Aber ich glaube, dass es Mirrors (Anm.: Datenkopie der Seite) gibt, damit wäre es schnell unter anderen Adressen online. Kino.to ist noch nicht zu Ende. Und selbst wenn, es gibt viele andere solche Seiten.
Bereits Ende Mai wurde die Domain in Österreich in Folge eines Gerichtsbeschlusses vorläufig gesperrt. Die Seite konnte jedoch kurze Zeit später mit einer alternativen Adresse aufgerufen werden. Derzeit ist nicht klar, ob die Domain den Besitzer gewechselt hat – die Tonic, der Registrierungsdienst, der für die .to-Endung (Inselstaat Tonga) zuständig ist, beantwortete meine Anfrage bisher noch nicht. Auch die Staatsanwaltschaft Dresden war nicht erreichbar.
Haben Sie Angst vor der Justiz?
Sand: Kino.to hat nur verlinkt. Ich finde das nicht schlimm. In anderen Ländern ist das erlaubt.
Amerikanische Dienste wie Sidereel verlinken tägliche Serienangebote auf kostenpflichtige Angebote wie Amazon oder iTunes ebenso wie auf kostenlose und vermutlich nicht autorisierte Streams.
Das Hochladen aber nicht.
Sand: Beim Hochladen muss man genauso anonym bleiben. Was da passiert ist, kann viel bedeuten. Man wird jetzt erstmal vorsichtiger sein. Ob das aber auch wirklich die echten Leute waren, weiß auch noch niemand. Ich sehe mich nicht als Verbrecher. Wenn in Amerika jeder Serienfolgen kostenlos und legal ansehen kann. Wieso soll das in Deutschland dann nicht erlaubt sein?